Hilde: Kai Wessel steht Frage und Antwort

10.03.2009 - 08:45 Uhr
Kai Wessel
Warner Bros.
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Seine Verfilmung Hilde kommt in die Kinos. Im Interview beantwortet er unsere Fragen.

Die Verfilmung von Hildegard Knefs Leben kommt in die Kinos. Heike Makatsch spielte die Hilde, die eine der schillerndsten Figuren der deutschen Nachkriegsgeschichte ist. Kai Wessel führte Regie und beantwortet nun im Interview einige Fragen zum Film und zu seinem ganz persönlichen Verhältnis zu Hildegard Knef.

Wann haben Sie Hildegard Knef zum ersten Mal wahrgenommen?
In meiner Jugend. Hildegard Knef war damals sehr bekannt. Überall sah man Schallplatten von ihr, in den Zeitungen, im Einkaufszentrum und auch dieses Buchcover vom „Geschenkten Gaul“ war in den Regalen vieler Eltern zu finden. Das war schon auffallend. Ich hatte das Gefühl, man mochte sie entweder sehr, oder ganz und gar nicht. Aber in jedem Fall war es Elternkultur und damit für mich uninteressant.

Warum die Konzentration auf die Zeit von 1943 bis 1966?
Ich denke, es ist die Zeit, in der sie sich am meisten entwickelt hat. Die Zeitspanne, in der sie als Mensch durch Familie, Krieg, die Stunde Null und die neue Freiheit geformt wurde, bis sie später als Künstlerin – bildlich gesprochen – ihre Stimme gefunden hat. Wir mussten erzählen, wo sie herkommt, wie sie begonnen hat, wo ihre Wurzeln liegen und wie sie die ersten Rückschläge ihrer noch jungen Karriere einsteckt und wie sie mit sich und ihrer Vergangenheit umgeht. Daher mussten wir im Dritten Reich beginnen. Hier zeigt sich schon sehr deutlich ihre Entschlossenheit, Erfolg zu haben und beachtet zu werden. In den Jahren danach spiegelt sich in ihrem Leben immer wieder die Entwicklung der deutschen Gesellschaft, die ihr zu eng, zu klein ist. 1966 ist ein gutes Jahr, um diesen Film zu beenden, durch dieses einmalige Konzert. In Berlin darf sie als erste Unterhaltungskünstlerin die Bühne der Philharmonie betreten. Dadurch erhält sie eine große gesellschaftliche Anerkennung. Deutsche, die in den 50er und frühen 60er Jahren aus dem Ausland wieder zurückkehrten, hatten es in Deutschland ausgesprochen schwer. Das musste Hildegard Knef genauso wie Erich Pommer erfahren.

War Hildegard Knef Opfer der historischen Umstände oder gab es noch ganz andere Gründe, für die Wut und die Empörung, die ihr immer wieder entgegenschlug?
Ja, ich glaube, da treffen Marlene Dietrich, Erich Pommer und Hildegard Knef oft auf ähnliche Gefühle im Nachkriegsdeutschland. Obwohl sie völlig verschiedene Viten haben, denn Hildegard Knef war während des Krieges in Deutschland und nicht in Amerika. Man nahm allen, die das Land und dem Nachkriegselend entflohen sind, übel, dass sie gegangen sind. Da spielt Neid und Missgunst sicher eine große Rolle. Auf der anderen Seite ist die Knef vor allem deshalb angeeckt, weil sie sich nicht in die Strukturen und der biederen Moralvorstellung der damaligen Gesellschaft untergeordnet hat. Sie wollte sich nicht in das Korsett einer Heimchen-am-Herd-Schauspielerin zwängen lassen. Sie war immer sich selbst verhaftet und wollte unabhängig sein. Das ging Vielen gegen den Strich.

Hildegard Knef und David Cameron waren in den 60ern ein unglaublich smartes Paar. So cool war keiner, sind die beiden eine 60er-Ikone?
Das kommt sicher darauf an aus welcher Warte der damaligen Gesellschaft man die beiden betrachtet. Revolutionäre waren die beiden nicht. Eher vielleicht Vorbilder einer modern geführten Ehe. Wo gab es das schon, wann gibt es das heute, dass ein Mann seine eigene Karriere aufgibt, um sich voll und ganz der Kunst seiner Ehefrau hinzugeben, sie zu stützen, zu inspirieren. Dennoch: Richtig bleibt, sie waren ein „cooles Paar“.

Wie haben Sie Heike Makatsch auf ihre Rolle vorbereitet?
Es war allen klar, dass Heike hier eine unglaubliche Herausforderung angenommen hat. Hildegard Knef ist nicht irgendwer. Und jeder hat sein eigenes Bild von ihr. Heike ist in jeder Szene präsent und der Film erzählt seine Geschichte ganz eng an der Figur Hildegard Knef. Heike hatte sich schon sehr lange auf Hilde vorbereitet. Sie hatte sich, früher noch als ich, intensiv mit ihr befasst, hat Gesangsstunden genommen, Berlinerisch gepaukt und vor allem ihr Leben studiert. Die Schwierigkeit war eher zu entscheiden, was man von diesem komplexen Lebenslauf Hildegard Knefs erzählen muss und was man auslassen kann. Heike war sehr eng mit der Entwicklung des Filmes betraut. Wir haben dann vor allem viel über die inneren Reisen in den Drehbuchentwürfen diskutiert. Welche Bögen uns wichtig sind, wie die emotionalen Zustände in welcher Zeit waren, welche Sehnsüchte wir glauben Hildegard Knef in den jeweiligen Jahren getrieben haben mögen. Ich finde, Heike hat diese äußerst schwierige und heikle Aufgabe großartig gelöst.

Sie bringen Archivaufnahmen aus dem Berlin der 60er Jahre zum Einsatz. Die Kombination aus Archivaufnahmen mit neu inszenierten Aufnahmen wird in Deutschland selten gewagt, ganz im Gegensatz zum US-Kino. Was hat sie daran gereizt und welche Konsequenz ergibt sich daraus für die Bildgestaltung?
Mit Archivaufnahmen zu arbeiten ist in der Tat reizvoll, aber auch gefährlich. Film ist Fiktion, und das, was mühevoll auf der Leinwand zusammengestellt und erarbeitet wurde, das ist im guten Fall eine eigene, funktionierende Welt. Die Gefahr von Archivmaterial ist, dass sie diese Illusion zerstört, da sie anders aussieht, vom Material, von der Kameraführung, der gesamten Ästhetik. Wir haben beim Drehen, außer bei der Anfangssequenz am Flughafen Tempelhof, kein festes Konzept gehabt. Klar war, ich möchte versuchen, mit Originalmaterial zu arbeiten, damit herumexperimentieren und spielen. Aber das war eine Aufgabe für den Schneideraum. Glauben Sie mir: Das ist eine Heidenarbeit an Recherche, Rechteklärung, Grafikarbeit und Timinggefühl der Cutterin. Immerhin musste in jedes Plakat, jedes Photo Heikes Konterfei eingebaut werden. Da braucht man schnell einige Wochen Arbeit, um ein paar Sekunden zu gestalten.

Mit Material der Warner Bros. Pictures

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