In 5 Schritten zum ... Konrad Wolf-Experten

20.06.2013 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
In 5 Schritten zum Konrad Wolf-Experten
DEFA / wikipedia / <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de">CC BY-SA 3.0</a> / <a href="http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Times">Fotograf: times</a>
In 5 Schritten zum Konrad Wolf-Experten
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Das ostdeutsche Kino ist zwanzig Jahre nach dem Mauerfall bereits in Vergessenheit geraten. Es lohnt sich, an ostdeutsche Filmemacher zu erinnern, die einen wichtigen Beitrag zur Filmgeschichte lieferten. Wir haben für euch die Regie-Anleitung für Konrad Wolf.

Deutsche Regisseure konnten wir in der Top 100 Regisseure aller Zeiten mit der Lupe suchen, ostdeutsche kommen gar nicht erst vor. Das ist wirklich schade, denn in West wie Ost haben Regisseure Bilder auf die Leinwand gebannt, die ihren Platz in der Filmgeschichte haben. Wir haben uns vorgenommen, in regelmäßigen Abständen Filmemacher in den Fokus zu rücken, die abseits der Kinocharts stattfanden und -finden. Heute empfehlen wir euch die Filme von Konrad Wolf, dem wohl bedeutendsten Filmemacher der ehemaligen DDR.

Warum ausgerechnet… Konrad Wolf?
Konrad Wolf war einer der wichtigsten Regisseure der ostdeutschen DEFA, für manche gar der wichtigste überhaupt. Seine filmische Sicht auf Deutschland war geprägt durch seine Geschichte: Der Sohn von Friedrich Wolf emigrierte im Sommer 1933 als 8jähriger mit seiner Familie nach Moskau und kehrte als 19jähriger in der Uniform der Roten Armee in sein Heimatland zurück. Er hatte immer ein zwiespältiges Verhältnis zu den Deutschen, welches er auch in seinen Filmen thematisierte. Als Filmemacher und späterer Kulturfunktionär (unter anderem war er Präsident der Akademie der Künste) wich er nicht ab von seinen kommunistischen Idealen, blickte aber immer fragend auf die Welt, versteckte sich nicht hinter Dogmen und Prinzipien. Konrad Wolf drehte sehr persönliche, authentische und aufrichtige Filme, die nicht nur im Osten, sondern auch international Anklang fanden und finden.

Der perfekte Start… für den Konrad Wolf-Einstieg
An knapp 15 Filmen hat Konrad Wolf gearbeitet; er starb bereits mit 56 Jahren. Wer einen Einstieg in das Werk des Filmemachers sucht, ist mit Ich war neunzehn (1968) bestens beraten. Der Film trägt autobiographische Züge und ist sein persönlichster. Erzählt wird vom emigrierten Deutschen Gregor Hecker (Jaecki Schwarz) aus Köln, der als Soldat der Roten Armee seine Heimat Deutschland und die Deutschen zwischen dem 16. April und dem 03. Mai 1945 auf dem Weg von der Oder bis zu einem Ort westlich von Berlin entdeckt. Er fährt als Leutnant einen Frontlautsprecherwagen und fordert vereinzelt kämpfende Soldaten zum Überlaufen auf. 

Ohne Pathos, Idealisierung und Sentimentalität schildert der Filmemacher die Schrecken des Krieges, die Stunde Null, die keine wirkliche war. Gregor Hecker nimmt vieles auf, beobachtet seine Landsleute genau: Menschen, die kapitulieren wollen; SS-Schwadronen, die seinen russischen Kameraden erschießen, Über- und Mitläufer, die Greueltaten im KZ Buchenwald. Konrad Wolf inszeniert den Film wie ein Tagebuch, in schwarz-weiß und mit freier Handkamera. Als Zuschauer spüren wir in fast jeder Szene die Authentizität; dokumentarisches Material erhärtet sie. Am Drehbuch arbeitete er gemeinsam mit Wolfgang Kohlhaase, einem der besten ostdeutschen Film-Autoren.

Mit Ich war Neunzehn entdeckt ihr das wichtigste Thema vieler Filme von Konrad Wolf: Deutschland, Heimat, Nationalsozialismus. Ihr entdeckt auch das sehr persönliche Zeugnis eines Künstlers, der nie einfache Antworten auf seine Fragen fand.

In drei Filmen zur Spitze
Wenn ihr mit Ich war Neunzehn einen Konrad Wolf-Einstieg gefunden habt, dann könnt ihr euch weiter mit jüngster deutscher Vergangenheit beschäftigen. Sterne (1959) ist einer der ersten deutschen Filme überhaupt, der sich mit der Verantwortlichkeit der Deutschen am Holocaust auseinandersetzte. Der Film war damals nicht nur hochaktuell, sondern auch hinsichtlich seiner Bildsprache seiner Zeit voraus. Sonnensucher (1958) schaut auf das schwierige Verhältnis von Russen und Deutschen beim Aufbau des Uranabbaus der Wismut im ostdeutschen Erzgebirge. Die dichte Atmosphäre des Films gleicht einem Wild West-Ambiente. Über Tage Prügeleien in der Kneipe, Alkohol und Prostitution; unter Tage fehlendes Vertrauen, Unsicherheit und Sabotage. Konrad Wolf liefert gemeinsam mit seinem Kameramann Werner Bergmann sehr konkrete, intensive und sinnliche Bilder, die zugleich hart, schonungslos und unbequem daherkommen. Kein Wunder, dass der Film nicht in die Kinos kam. Erst 1972 wurde er aufgeführt. Als dritten Film könntet ihre euch Solo Sunny (1980) anschauen, den letzten Film von Konrad Wolf. Erzählt wird von einer jungen Frau aus dem Prenzlauer Berg, die als Sängerin mit einer Tingeltangel-Band durch das Land reist, ihren Anspruch auf künstlerische Selbstbehauptung und Freiheit aber nicht aufgeben will.

Geheimtipps … oder der etwas andere Konrad Wolf
Falls ihr euch mit den genannten Filmen an das Werk von Konrad Wolf herangetastet habt, gibt es noch einiges zu entdecken. Wenn ihr berauschende Farben und einen der opulentesten DEFA-Filme sehen wollt, dann schaut euch Goya – oder Der arge Weg der Erkenntnis (1971) an. In 70 mm gedreht präsentiert der Film eine Fülle an Ideen und Material über den spanischen Maler, die derart intensiv, exzentrisch und vital kein Goya-Biopic danach bieten kann.

Shut up and take my money!
Alle genannten Filme könnt ihr in Deutschland auf DVD beziehen. Schwierigkeiten gibt es bei den unbekannteren Filmen von Konrad Wolf, etwas seinem Debütfilm Einmal ist keinmal. Dabei handelt es sich um eine leichte Komödie, die untypisch für den Filmemacher ist. Auch Genesung, Leute mit Flügeln oder die sechsteilige Dokumenation Busch singt sind leider nicht verfügbar. Eine Gesamtausgabe seines Werkes wäre durchaus sinnvoll.

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