Interview mit Jennifer Decker zu Lulu & Jimi

20.01.2009 - 11:45 Uhr
Jennifer Decker
Captain Movies
Jennifer Decker
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Schauspielerin Jennifer Decker über ihre Arbeit bei Lulu & Jimi unter der Regie von Oskar Roehler.

Lulu und Jimi erzählt eine romantische und wilde Liebesgeschichte. Wie war Ihre erste Reaktion auf das Buch?
Bevor ich das komplette Buch gelesen habe, bekam ich zunächst nur ein paar Szenen für das Casting. Zwei Tage vor dem Casting traf ich Oskar Roehler das erste Mal und er gab mir drei Szenen von Lulu und Jimi, die ich gemeinsam mit einem Coach probte. Ich fühlte – obwohl Lulu in einigen Punkten anders funktioniert als ich – großes Verständnis für sie und mochte sie total. Als Oskar dann sagte, dass ich die Rolle bekomme, las ich das ganze Buch, erst in englisch und dann in deutsch, da ich auch einige Teile auf deutsch lernen musste.

Lulu ist eine “Julia”, die egal was kommt, kompromisslos ihren Weg geht. Sie handelt instinktiv und ist dabei sehr impulsiv, sie schaltet nicht immer erst ihren Kopf ein, bevor sie loslegt. So kommt sie natürlich oft in extreme und auch gefährliche Situationen, wenn sie spontan ist und sich von Nichts und Niemandem aufhalten lässt. Mir gefällt diese Idee einer Liebesgeschichte, die von einem Albtraum umgeben ist. Es ist ein Märchen in einem Albtraum oder ein Albtraum in einem Märchen – jedenfalls eine radikale Geschichte, die ich sehr mag.

Wie würden Sie Lulus Charakter beschreiben? Und steckt in Lulu auch ein Teil von Ihnen?
Ich finde, Lulu ist ein sehr zwiespältiger Charakter. Sie lebt in einer kleinen Stadt, die sie niemals verlassen hat, bei ihren Eltern. Ihre Mutter will sie mit einem reichen Erben verheiraten, aber sie trifft auf Jimi, einen Schwarzen, der auf der Kirmes arbeitet. Sie fühlt sich von ihm angezogen und zuerst weiß man nicht genau, ob sie das nur aus Rebellion macht oder ob es wahre Liebe ist – oder vielleicht auch beides. So oder so, am Ende ist klar, dass sie Jimi wahrhaftig liebt. Die beiden passen nicht in diese Zeit: Sie sind modern und weltoffen!

Ich bin beinahe neidisch auf ihre völlige Freiheit. Ich glaube nicht, dass ich in der Lage wäre, für die Erfüllung meiner Träume, so weit zu gehen wie Lulu. Wenn jemand wie Lulu stirbt, kann er am Ende wirklich sagen: “Ich habe gelebt!” Ich fühle mich ihr sehr verbunden, weil sie auf mich wie Julia aus Shakespeares Stück “Romeo und Julia” wirkt. Die Julia war meine erste Rolle am Theater in der Inszenierung von Irina Brook, als ich 18 war. Ich arbeitete an denselben Themen und Fragen für Julia wie für Lulu.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Am Anfang hatte sich Oskar eigentlich eher so einen Typ wie Gwen Stefani vorgestellt: gut gebaut, sehr blondes Haar, mehr eine Frau als ein junges Mädchen. Deshalb haben wir verschiedene Perücken probiert, aber irgendwie klappte das alles nicht. Am Ende hat Oskar entschieden, dass wir mich nehmen wie ich bin, wir haben sogar meine braunen Haare noch dunkler gefärbt als sie sind. Die passende Veränderung brachten dann Kostüm und Maske.

Ich hatte während meiner Vorbereitungen auf die Rolle einiges zu lernen: Rock’n’Roll tanzen, eine gute Turnerin werden und ich musste für einige Szenen Deutsch sprechen können. Zwei Monate vor Drehbeginn flog ich von Frankreich nach Deutschland zu einem intensiven Training. Manchmal hatte ich an einem Tag zwei Stunden Gymnastik, dann drei Stunden Rock’n’Roll-Tanz und dann noch zwei Stunden Sprachunterricht.

War es für Sie schwierig, mit einem ausländischen Team zu arbeiten, dessen Sprache sie nicht sprechen?
Mit einem fremdsprachigen Team zu arbeiten, hat Vor- und Nachteile. Dadurch, dass ich kein Deutsch sprechen konnte und die einzige Französin in dem Team war, ist es nachvollziehbar, dass ich von der alltäglichen Verständigung etwas ausgeschlossen war. Das hat andererseits aber dazu geführt, dass ich mich voll und ganz auf meine Arbeit konzentriert habe. Natürlich fiel mir der Kontakt zu den anderen schwieriger als bei einem französischen Team, aber am Ende war es genau diese Schwierigkeit, die die entstandenen Beziehungen so besonders machte. Niemand sprach Französisch, auch Oskar nicht, so dass wir am Set alle Englisch sprachen, obwohl mit Ray Fearon nur ein wirklicher Engländer dabei war. Das machte die Sache sicher nicht leicht, aber es lief irgendwie gut.

Meine größte Herausforderung war, als Gabriela Sperl mir sagte, dass ich nur 15 Tage Zeit hätte, um Deutsch für die Szenen mit den deutschen Schauspielern zu lernen. In meiner Schulzeit habe ich Englisch und Spanisch gelernt, aber kein Wort Deutsch. Also bekam ich einen Coach. Erst lernte ich Wort für Wort jeden Satz meiner entsprechenden Szenen, dann lernte ich Satz für Satz und erst am Ende lernte ich die Bedeutung dessen, was ich da sagte.

Wie war die Zusammenarbeit mit Oskar Roehler ? Kannten Sie seine Filme schon vorher?
Ich kannte die Filme, die Oskar vorher gemacht hatte. Mir scheint aber, dass Lulu und Jimi sich sehr von seinen anderen Arbeiten unterscheidet. Die späten 50er Jahre legen eine etwas kitschige (aber ich meine das im positiven Sinne) und sehr farbenfrohe Atmosphäre nahe. Ich denke, die Geschichte ist optimistischer als alles, was ich vorher von ihm gesehen habe.

Mit Oskar zu arbeiten – und das wird jeder sagen, der mal mit ihm gedreht hat – ist eine sehr intensive Zeit. Manchmal haben wir bis zu 17 Stunden am Tag gearbeitet. Er ist jemand, der von einem verlangt, weiter zu gehen und sich nicht mit dem Erreichten zufrieden zu geben. Du kannst sehr genau spüren, wann er glücklich ist mit der Szene. Dann steht er auf von seinem Stuhl – mit einem großen Lächeln – und sagt: “Wir haben es!” Oskar ist aber auch jemand, der seine Ansichten über eine Szene noch ein paar Minuten vor Dreh ändern kann. Dann muss man sich sehr schnell darauf einstellen können, weil man genau weiß, dass es gut ist für das Projekt. Sein Kopf ist immer am Arbeiten – und er lässt einen auch immer an seinen Gedanken teilhaben, so dass man mit ihm zusammen den besten Weg für die Szene entwickeln kann. Das kann manch einen sicher etwas durcheinander bringen, aber am Ende entscheidet Oskar – und es funktioniert!

Lulu und Jimi sind ein sehr gut aussehendes Paar. Wie war die Zusammenarbeit mit dem britischen Schauspieler Ray Fearon ?
Erstmal vielen Dank für das “sehr gut aussehende Paar”… Lulu und Jimi ist eine Liebesgeschichte. Und wie in jeder Liebesgeschichte muss die Chemie zwischen den Rollen-Charakteren genauso wie zwischen den Schauspielern stimmen, damit das für die Zuschauer funktioniert. Dank des Rock’n’Roll-Trainings haben wir es sehr schnell geschafft, so eine Chemie zwischen uns herzustellen. Ray Fearon ist ein sehr umgänglicher sympathischer Mann. Er braucht vor allem Fisch, Tofu und Yoga, um glücklich zu sein… Nein, jetzt mal im Ernst: Er war wirklich sehr aufmerksam meinen Bedürfnissen als Schauspielerin gegenüber.

Glauben Sie an die Macht der Liebe?
Ich denke da genau wie Lulu, dass Liebe gesellschaftliche Konventionen sprengen kann. Lulu hat eine sehr schwierige Beziehung zu ihrer Mutter. Würden Sie sagen, dass eine Beziehung zwischen Mutter und Tochter immer schwierig sein muss? Das hängt davon ab, ob und wie viel man miteinander redet.

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