Interview mit Oskar Röhler zu Lulu & Jimi

22.01.2009 - 08:45 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Oskar Roehler
Constantin Film
Oskar Roehler
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NEWS» Regisseur Oskar Roehler über seine Arbeit bei Lulu & Jimi – eine Hommage an David Lynch.

Die Geschichte des Films beginnt 1959, in Ihrem Geburtsjahr. Was hat Sie gereizt, die Geschichte in Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger anzusiedeln?
Diese Zeit war eine goldene Ära, in der Rohstoffe und Gefühle noch reichlich bzw. ungebrochen vorhanden waren, eine Zeit des Überflusses, die von unerhörter Unschuld und einer unbändigen Lebensgier beseelt war. Alles war irgendwie “groß”: die Musik, die Leidenschaften, die Liebe! Man denke nur an diese wahnsinnigen Autos aus reinem Chrom, die durch die Straßen fuhren oder an diese unglaublich blonden oder brünetten Mädchen mit ihren unfassbar tollen Frisuren und Kleidern. Eine Ära der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, frei von Berechnung, in der Menschen, die sich zueinander bekannt hatten, noch ganz auf ihr Herz hörten und damit auch mitunter blind in Katastrophen hineingelaufen sind. Eine Zeit, die von echten tragischen Kräften beseelt war, oft belastet von fürchterlich festgefahrenen familiär-politischen Konstellationen. Und die daraus folgenden Kämpfe gegen die Gesellschaft waren vollkommen anarchistisch und noch frei vom politischen Bewusstsein und Handeln der späteren 68er – einfach nur aus dem Herzen, diesem wilden Lebensgefühl heraus. Genau das ist es, weshalb ich so einen Film wie Lulu und Jimi machen wollte. Da war eine ganz große Sehnsucht, mich von diesem goldenen Zeitalter des Kinos einfach noch mal blenden zu lassen.

Gab es einen Auslöser für diesen Film?
Ich wollte einen Film über eine bedingungslose, große Liebe machen. Sozusagen ein Märchen auf der Überholspur. Einen Film – schon beinahe “haptisch” – in dem ich aus dem Vollen schöpfen, alle Register ziehen kann. Ich hatte einen “Genre”-Film im Auge und wollte alles reinbringen, was Leuten Spaß macht, was mir Spaß macht, angefangen von Schlägereien, diesen wahnsinnigen Tanz-, und Partyszenen bis hin zu den Szenen nachts im Bett, wo sich zwei Menschen von ihrer Sehnsucht erzählen. Ich wollte die Poesie bis auf die Spitze treiben.

Vielleicht ist Lulu und Jimi auch wirklich eine Hommage an David Lynch, der für mich das vielleicht größte Vorbild unter den lebenden Regisseuren ist. Er versteht es, auf eine Art und Weise, die humorvoll aber auch sehr sexy ist, von zwei Menschen zu erzählen, die bedingungslos loslegen, auf die Barrikaden gehen, um ihre Liebe leben zu können ohne wenn und aber.

Für wen haben Sie diesen Film gemacht? Hatten Sie ein spezielles Publikum im Auge?
Ich glaube, ich habe Lulu und Jimi wirklich für alle die gemacht – das sag ich jetzt so wie ich es wirklich empfinde – die das Kino lieben. Ich mache ja eigentlich immer nur deshalb einen Film, um einer bestimmten Sehnsucht von mir Ausdruck zu verleihen. Und in diesem Fall war es einfach die Sehnsucht danach, in ein Genre zu gehen, das ganz viel für das Publikum hergibt.

Lulu und Jimi ist eine Lovestory und Gangsterstory. Eine mit Energie geladene Liebesgeschichte, in der alles grenzenlos ist – die erste wirklich große Liebe, die mit Schmerz und ganz großen Glücksgefühlen, aber auch mit Ängsten verbunden ist. Das ist Abenteuer, das ist Freiheit: Begriffe, die es heute eigentlich nur noch in der Werbung gibt, aber eigentlich im Kino zu Hause sein sollten. Ich hatte Sehnsucht nach dieser märchenhaften, verzauberten Welt, in der alles möglich ist, in der Menschen unschuldig sind, wo es gut und böse gibt, wo es Gefahren gibt und Verbrechen und wo der Tod an manchen Ecken lauert.
Das ist für mich Kino. Ich liebe das Melodram, ich mag Liebesgeschichten.

Ist die große Liebe immer mit Gefahr verbunden?
Heutzutage nicht mehr. Aber wahre Liebe zeigt sich erst in dem Moment, in dem Gefahr droht. Ich habe den Film dramaturgisch so angelegt, dass er ganz und gar romantisch beginnt. Es liegt dieses Flirren einer starken erotischen Anziehung in der Luft. Es wird schnell klar, Lulu und Jimi sind füreinander geschaffen. Doch dann beginnen nach und nach die Räder der gesellschaftlichen Mühlen zu mahlen und bedrohen diese große Liebe.

Das Geheimnis jeder leidenschaftlichen Liebe ist für mich immer diese Verschworenheit der Liebenden: Man lässt den anderen nie auflaufen, behandelt ihn nie schlecht. Man lässt einfach nichts auf sich kommen. Das wollte ich erzählen.

Copyright: Mit Material von X Verleih AG

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