Der Mann, der Steve Zissou war

23.03.2011 - 08:50 Uhr
Jacques-Yves Cousteau
Alamode
Jacques-Yves Cousteau
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Mit der Calypso durchpflügte er die Tiefen der Meere: Jacques Cousteau. Thomas Groh empfiehlt euch eine neue Box mit TV-Arbeiten des legendären Tiefseetauchers, der Wes Anderson und Bill Murray zur Figur des Steve Zissou inspirierte.

Jacques-Yves Cousteau ist wahrscheinlich das Gegenteil von Werner Herzog. Zwar filmen beide gerne die Wunder der Natur, doch ihre Ansätze sind völlig verschieden – Werner Herzog sucht die absurde Poesie (z.B. in Begegnungen am Ende der Welt, hier mein DVD-Tipp) einer totalen Fremderfahrung, bloße wissenschaftliche Datenakkumulation ist Herzogs Sache weiss Gott nicht. Jacques-Yves Cousteau hingegen ist der typische, grundbodenständige Wissenschaftler mit Herz, der auszieht in die entlegenen Winkel der Welt, ganz einfach weil er etwas herauskriegen will. Am ästhetischen Liebreiz der Natur immerhin sind beide interessiert – auch wenn Herzog ungleich sakraler und pathetischer zu Werke geht. Eine gerade erschienene Box mit zahlreichen Folgen von Cousteaus dokumentarischer Fernsehreihe Geheimnisse des Meeres gibt einem nun die willkommene Möglichkeit zum Vergleich.

Die Welt als Aquarium

“Jacques – wer?”, werden die jüngeren Leser vielleicht fragen. Die Frage ist berechtigt, denn Cousteaus Tiefseetauchereien scheinen einem heute längst verschwundenen Zeitalter der TV-Unterhaltung entsprungen zu sein: Sie schmecken nicht nur nach dem Meersalz, das an der Calypso, Cousteaus legendärem Schiff, klebt, sondern auch nach all den Keksen und der Milch, die es früher an ungezählten Nach- und Samstagvormittagen vor dem großmütterlichen Fernsehgerät gab. Jahrelang und für zahlreiche dokumentarische Kino- und Fernseharbeiten durchkreuzte Jacques-Yves Cousteau die Meere dieser Welt, um dort stets aufs Neue mit einer Kamera auf der Schulter die wundersamen Tierwelten der Tiefen zu durchleuchten. Seine Markenzeichen: Blaues Hemd samt roter Wollmütze. Spätestens jetzt klingeln wohl alle Glocken: Ja, richtig, keine geringeren als Wes Anderson und Bill Murray haben dem sonnengebräunten Franzosen mit Die Tiefseetaucher 2004 ein filmisches Denkmal gesetzt.

Dass Alamode Film bereits den dritten Teil der Fernsehreihe Geheimnisse des Meeres veröffentlicht, soll uns an dieser Stelle nicht stören: Die rund fünfzigminütigen Folgen lassen sich ohne weiteres einzeln und unchronologisch sehen. Jede Folge befasst sich mit einem bestimmten, sehr lose in einen narrativen Zusammenhang eingebetteten Thema: Mal verschlägt es Cousteau zu den Bibern nach Nordkanada, denen er und sein Team schließlich vor Ort bei der Winterfestmachung helfen. In wärmeren Gefilden begibt sich Cousteau auf die Spur des Zackenbarschs, von dem er bei dieser Gelegenheit Ei samt Sperma für eine künstliche In-vitro-Befruchtung abpumpt, was allerdings keine Ergebnisse zeitigt. Stets stellen sich neue Herausforderungen, gibt es neue Wendungen – so wachsen einem schließlich auch die Figuren aus Cousteaus Team langsam ans Herz. Im Blick des Wissenschaftlerabenteurers wird die Welt zum interaktiven Aquarium.

Ein klitzekleines bisschen altmodisch wirkt das alles freilich schon. Doch sei’s drum: In gewisser, recht naiver Hinsicht weht auch eine Art Jules-Verne-Abenteuergeist durch diese Naturdoku-Miniaturen. Und enorm entspannend – und nicht zuletzt: sehr faszinierend – sind Cousteaus Naturerkundungen allemal. Für TV-Nostalgiker führt an diesem Set ohnehin kein Weg vorbei.

Eine schmalbrüstige Ausstattung

Die Box ist mit insgesamt drei DVDs und rund 9 Spielzeit natürlich prall gefüllt – ein wenig schade ist es allerdings schon, dass so gar kein Bonusmaterial auf den DVDs zu finden ist. Dass es kein schönes historisches Begleitmaterial (Interviews o.ä.) zu Jacques-Yves Cousteau gibt, das man für eine solche Box aufbereiten könnte, lässt sich nur schwer glauben. Auch ein Booklet wäre eine schöne Sache gewesen.

Dafür ist die DVD von Die Tiefseetaucher in dieser Hinsicht ein echtes Prachtexemplar: Neben vielen deleted scenes (darunter eine großartig lakonische Szene, in der Willem Dafoe brennend durchs Bild läuft) und einer recht unterhaltsamen On-The-Set-Featurette ist vor allem der informative Audiokommentar von Wes Anderson und Drehbuchautor Noah Baumbach (der Regisseur von Greenberg!) erwähnenswert.

Der dritte Teil von Geheimnisse des Meeres ist bei Amazon für 31,99 Euro erhältlich, Die Tiefseetaucher schon für schlanke 9,70 Euro.

Abschließend hier noch der Trailer zu Die Tiefseetaucher

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Thomas Groh lebt in Berlin, arbeitet für die Programmvideothek Filmkunst im Roderich und schreibt über Filme, zum Beispiel für die Filmzeitschrift Splatting Image, die taz und das Onlinekulturmagazin Perlentaucher. Wenn er nicht gerade sein Blog aktualisiert, verfasst er wöchentliche DVD-Kolumnen für den moviepilot, in denen er Filme von etwas jenseits des Radars empfiehlt, zuletzt etwa Der verrückte Professor von Jerry Lewis, Die dritte Generation von Fassbinder oder den Experimental-Giallo Amer.

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