Godards letzter Ausflug in den Mainstream

02.12.2010 - 12:00 Uhr
Détective von Jean-Luc-Godard
Kinowelt
Détective von Jean-Luc-Godard
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Die 1980er war für Jean-Luc Godard das Jahrzehnt, in dem er sich endgültig in die unerreichbaren Sphären des Avantgarde-Kinos verabschiedete. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Film Détective, bei dem er 1985 seinen letzten Ausflug in den Mainstream wagte.

Was ist nur der Grund, dass Jean-Luc Godard, der in den 60er Jahren durch seine klugen und unkonventionellen Filme frischen Wind ins Kino pustete, in den 1980ern fast nur noch Filme produzierte, die selbst von hartgesottenen Arthaus-Fans nur mit Steichhölzern in den Augenliedern am Stück betrachtet werden können. Ausnahmen gibt es wenige.

Eine davon ist Détective, der heute im Rahmen der Godard-DVD-Edition bei Arthaus erschien. Détective ist der letzte Versuch von Jean-Luc Godard, auch ein Mainstream-Publikum zu erreichen. Das Ergebnis ist ein eigenartiger – aber interessanter – Genremix aus Film Noir, Komödie und Kunstfilm. Auch das Ensemble der Stars kann sich sehen lassen: Neben der blutjungen Julie Delpy sind auch Nouvelle Vague-Star Jean-Pierre Léaud, Nathalie Baye und ein wirklich hervorragender Johnny Hallyday zu sehen, welcher einen zweilichtigen und wunderbar gezeichneten Boxpromoter mit Mafia- und Ehrenschulden spielt.

Was an Godards Détective positiv heraussticht ist neben dem Hauptdarsteller Johnny Hallyday lediglich der Humor, der hauptsächlich auf die Figur des Boxers (Stéphane Ferrara) konzentriert ist. Dieser Riese mit dem Gemüt eines Kindes verwundert seine Umgebung wiederholt durch seine Ankündigung Tiger Jones zu schlagen – doch Tiger Jones ist niemand anderes als er selbst. Auch seine Schatten-Boxübungen sind eine Augenweide, für die nicht nur Tennisbälle herhalten müssen, sondern auch die nackten Brüste seiner Freundin. Es ist nur richtig, wenn er für diese Auflockerungen des sonst eher öden Plots von Johnny Hallyday mit bizarr großen Toblerone-Stücken belohnt wird.

Leider vermurkst Jean-Luc Godard dieses vielversprechende Konzept mit einer Vielzahl seiner wirren Manierismen. So sind alle Figuren besessen von Literatur und werfen sich die ganze Zeit Zitate (und Bücher) um die Ohren. Jede der Figuren hat dabei ein Buch, das er ständig bei sich trägt und das seine Rolle widerspiegelt. Hinzu kommen eine Vielzahl von Symbolen und Ideen, die Jean-Luc Godard zwar andeutet, aber dann das Interesse verliert, bevor er sie zu Ende führt: der Boxer und sein Kampf, Sex, Ehe und Partnerschaften, die Vergangenheit des Detektivs, das Spiel mit Genrekonventionen – all diese spannenden Motive führen ins Leere. Schlimmer noch: Diese überflüssigen Spielereien nehmen dem Film die Leichtigkeit und das Tempo, welche die früheren Godard-Filme auszeichneten und ohne welche der Zuschauer bei einem derart fragmentierten Plot leider vollkommen das Interesse verliert.

Im Blick auf die Edition zeigen wieder die gewohnten Stärken und Schwächen des Arthaus-Kataloges. Détective bekam, wie jeder Film der Godard-Reihe, eine Einführung des Godard-Experten Colin MacCabe vorangestellt, die das Filmverständnis erleichtern soll. Dieser stößt bei Détective aber an seine Grenzen und er hat sichtbar Mühe, der verworrenen Inszenierung irgendwelche relevanten Zusammenhänge abzuringen. Eine wahre Katastrophe ist wieder die Menüprogrammierung der DVD. Die Tonspur lässt sich nicht im Film, sondern nur im Rückgriff auf das Titelmenü ändern. Die Versuche jedoch, dieses während der Wiedergabe zu erreichen, wurden wiederholt damit bestrafte, dass mir die DVD komplett neu geladen wurde – inklusive aller extrem nervtötenden Anti-Piraterie-Warnungen. Das können selbst die letzten Wühltischeditionen besser.

Eines der Extras der DVD ist auch der originale Kinotrailer, den wir euch hier nicht vorenthalten wollen. Allerdings solltet ihr gewarnt sein: Er ist sowohl witziger als auch origineller als der beworbene Film.

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