Die Zeit des Nationalsozialismus rückt immer mehr in die Ferne. Es wird immer schwieriger, Zeitzeugen zu interviewen und Material zu finden. Regisseur Katrin Seybold hat sich in der Dokumentation Die Widerständigen diesem Problem gestellt. Wie sie arbeitete, berichtet sie hier:
“Nur Weniges ist außer den Flugblättern vom Widerstand der Weißen Rose noch sichtbar. Es gibt natürlich keine Aufnahmen ihrer heimlichen Flugblattverteilung, keine Fotos der Wandparolen, keine Bilder von der Herstellung der Flugblätter, keine Gruppenfotos der Leseabende oder irgendeinem anderen Treffen. Sichtbar ist ihr Widerstand heute nur noch in ihren Gesichtern, wenn sie erzählen. Er scheint sichtbar zu werden in ihren Jugendfotos, da sieht man außergewöhnliche Menschen. Ein Gesicht, das nicht alle hätten haben können in der Nazizeit. Wenn die Zeugen aus ihrer heutigen Sicht erzählen, dann klingt es so, als erzählten sie etwas Selbstverständliches. Es klingt so, als hätte jeder von uns so handeln können wie sie. Als sei Widerstand so etwas Einfaches wie, Lesen, Schreibmaschine schreiben, den Zug nehmen. Sie fallen nicht in die Rolle des Helden, sie stehen an keiner Spitze des Zuges bewaffneter Arbeiter oder unterdrückter Mütter.
Ich ging auf Spurensuche nach Sichtbarem. Übrig geblieben sind die Fotos des Freundeskreises und Fotos aus Russland von Jürgen Wittenstein. Übrig geblieben ist die Schreibmaschine, mit der Alexander Schmorell die ersten vier Flugblätter schrieb, sind eine Handvoll der Flugblätter, abgeliefert von ängstlichen Untertanen, weniger als zehn Briefumschläge mit denen die Flugblätter verschickt wurden, die Briefumschläge beschafft und mit Schreibmaschine beschriftet von Alexander Schmorell, von den Geschwistern Scholl, von Hans Hirzel und Franz J. Müller. Das ist alles.
Danach suchte ich nach Sichtbarem der Täter. Das Hitlerregime hat versucht, jedes Wissen über die Widerstandsbewegung zu verheimlichen. Auch durch den Krieg wurden Unterlagen vernichtet. Unter den Stempeln Geheim, Haft ! und Eilt sehr!, unter Aktendeckeln finden sich Telegramme des Volksgerichtshofs und Schriftverkehr des Reichsinnenministeriums mit Gestapo und anderen Behörden. Auch Gestapoprotokolle sind erhalten, wobei nie vergessen werden darf, aus wessen Sicht und mit welchem Zweck diese aufgezeichnet worden sind.
Ich wollte alles finden. Auch die Gesichter der zackigen Töter, Denunzianten, Spitzel, Gestapobeamten, die Herren des Gerichts und die Herren Ankläger, die Reichsanwälte. Fast alle waren unsichtbar, gesichtslos. Die Alliierten halfen beim Untertauchen und beschlagnahmten rigoros die Täterkarteien. Seit einigen Jahren erst sind sie zugänglich. Ich wollte mir ein Bild von ihnen machen, die Gesichter derjenigen finden, die die Tapferen der Weißen Rose aufs Schafott gebracht hatten. Was ich fand, zeigt, die Vollstrecker der Nazidiktatur haben ein gewöhnliches, biederes Gesicht. Die Flugblätter, die Anklageschriften und Urteile Im Namen des Volkes sind der bleibende Beweis: so viel Edelmut und so viel Niedrigkeit haben selten miteinander gekämpft wie bei der Weißen Rose."
Quelle: Mit Material von Basis