Jahr: 2015
Genre: Hip-Hop
Singles: AMG, Borderline, Asozial 4 Life
Dass ich das noch erleben darf... Kay Ones viertes Album... ist gut. Also so richtig. Dass er das Rappen draufhat, dem war ich mir schon immer bewusst und der Umstand sollte auch jedem klar sein, der ihn einmal freestylen gehört hat. Auch zwischendurch blitzten auf manchen Tracks immer wieder mal Anzeichen für großes technisches Talent auf. Selbst Erzfeind Bushido gibt zu, dass er über große Rapskills verfügt. Leider musste man diese auf seinen 3 Studioalben erst suchen und wurde nur selten fündig. "Kenneth allein zu Haus", "Prince of Belvedair" und "Rich Kidz" hatten allesamt ihre unterhaltsamen Momente, diese setzten sich jedoch insbesondere aus guter Produktion der wenigen hiphop-artigen Beats und manchen eher unfreiwillig komischen Spitzen zusammen; nur rar gestreut waren die Verse, die Kenneth in seiner vollen Größe zeigten. Man könnte ihn auch mehr oder minder liebevoll Deutschlands Pitbull nennen - denn 70% seiner bisherigen CDs entsprechen dessen Techno-Party-Stil, welcher in deutscher Sprache schon sehr an Schlagermusik erinnerte. Dass sich diese Stücke, die teils gut und gerne als Die Geissens-Titelsongs durchgehen könnten, mit boybandartigen Schmacht-Songs und den dann doch ab und an vorhandenen Raptracks enorm beißen, wird allein dadurch hervorgehoben, wie unterschiedlich sich in diesen 3 Kategorien die Beziehung zu Frauen äußert. Dass Kay One, egal, ob mit oder ohne Bushido bzw. Shindy, jemals ein Album veröffentlichen würde, welches seinem Talent entspricht, war nicht zu erwarten. Dafür schien seine Ibiza-Vorliebe zu riesig.
Doch dann kam der berüchtigte 25-minütige Disstrack "Der Tag des jüngsten Gerichts" - der sich mit seinem Gegenstück "Leben und Tod des Kenneth Glöckler" den Titel "bester Deutschrapsong des [jeweiligen] Jahres" teilt - und Kay One hatte nicht nur seine Feinde, sondern auch sein altes Image als nicht ernstzunehmender Partyrapper ausgemerzt. "Ihr seid alles Küken, doch ihr habt den Löwen aufgeweckt" - sollte der Beef die aggressiven Battlerap-Gene, die tief in dem eigentlich schon lange auf House umgepolten MC zu schlummern vermögen, an die Oberfläche geholt haben? Es blieb abzuwarten, ob Kays Rück-Imagewandel zum Ursprung nur eine Eintagsfliege war oder er tatsächlich vorhat, seinen Techno-Poprap-Swag in genrekonforme Kost zu transformieren. Etwa 1 Jahr nach dem vielgepriesenen Track erschien "J. G. U. D. Z. S. (Jung genug um drauf zu scheißen)". Und auch, wenn der Titel eher an deutsche Poprapper der 90er Jahre erinnert, als das Genre in unseren Breitengraden noch mehr als Klischeeerscheinung als als ernstzunehmende Musikrichtung etabliert war, das Album ist das erste, welches den Fähigkeiten des Künstlers gerecht wird.
Verschwunden sind die Ballermann-Hits, genauso wie die geheuchelten, Prince-artigen Lovesongs: 1 Intro und 18 pure Raptracks bilden diese CD. Der erste Triumph in seiner Diskografie. Weg von RTL, weg von Familienfreundlichkeit, und mehr als bereit, der deutschen Rapszene Torten ins Gesicht zu klatschen. Natürlich beginnt das Album gleich mit dem Wesentlichen: die Reanimation des Ursprungskenneth, den Beef mit Ersguterjunge und dass er nun zur ernsthaften Bedrohung wird und mit seinem Skill-Arsenal in den Krieg zieht. Dabei nimmt er gerne Bezug auf Disszeilen der Oposition und gibt noch einmal überdeutlich zu verstehen, dass er sich bei seinem blitzschnellen Flow und seinem ausgezeichneten Reimschema kein Bisschen anstrengen muss - er schüttelt es einfach so aus der Feder. Und Gott sei Dank wurden die billigen, ausgelutschten Housebeats durch die kesse, lockere Trap-Variante ersetzt (nur "AMG" tut mit seinem Sirenen-Synthesizer weh... und "What Happened Last Night" erinnert doch ganz schön an Macklemores & Ryan Lewis' "Can't Hold Us"). Alles geht leichter von der Hand als zuvor, und richtet sich deutlich mehr an die Hip-Hop-Gemeinde - Ohrwurmhooks wie bei Emorys Gastbeiträgen spielen hier eine eher untergeordnete Rolle. Die meisten Songs setzen auf gerappte Refrains.
Mit diesem Album ruft Kay in Erinnerung, dass er rein technisch ein überaus guter MC ist, der es mit seinen in der Rapszene angeseheneren Konkurrenten durchaus aufnehmen kann und sie teilweise in die Schranken weist (was nicht bedeutet, dass er die bessere Musik macht, aber Stil, Texte und Fluss stimmen hier nunmal einfach exzellent, das wissen selbst seine Gegner), trotzdem lässt das Album einen gewissen Haken vermissen. So spaßig das Endprodukt auch ist, inhaltlich bietet es nichts Neues und strotzt nur in Sachen Form von Kreativität, nicht aber wenn es darum geht, etwas eigenes im Genre beizutragen. Im Grunde geht es immer noch um Reichtum, "Bitches" und selbstzelebrierende Attitüde, wie man es bereits 15 Jahren im Deutschrap kennt - nur eben qualitativ auf absolutem Höhenflug. Gegen Ende gibt es auch ein paar deepe Tracks, die vom Nicht-aufgeben, Seinen-Traum-leben oder Nicht-unterkriegen-lassen handeln. Kennen wir schon, ist nichts Besonderes, aber nicht schlecht herübergebracht. Diese paar Mängelchen sind aber freilich meckern auf hohem Niveau. Kay hat sich mit diesem Album wieder einen festen Stand im Krieg der deutschen Rapper gesichert. Hoffen wir, dass es dabei bleibt, bzw. dass sich Album Nr. 5 noch etwas steigert. Musikalisch katapultiert er sich erstmals über Bushido, steht aber dennoch hinter Shindy, von dem alle 3 bisherigen Alben das Niveau dieser CD noch übersteigen. Wer wird am Ende gewinnen? Es bleibt spannend bis zur nächsten Runde...
Tracklist:
1. Intro
2. Asozial 4 Life
3. Borderline
4. Kokain Cowboy
5. F!ck die Reporter
6. Ride Till I Die
7. S63
8. AMG
9. Belvedere
10. What Happened Last Night
11. I Don'r Give a Fuck
12. Von Montag bis Freitag
13. Leb dieses Leben
14. RMDB
15. Während du zur Uni rennst
16. Ich benehm' mich wie ich will
17. Nur ein Traum
18. Wieder back
19. Ikarus