Lars von Trier & die Political-Correctness-Gefahr

13.08.2011 - 08:15 Uhr
Lars von Trier wird von der P.C. bedroht
Zentropa Entertainments/moviepilot
Lars von Trier wird von der P.C. bedroht
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Wir haben wieder eine Woche rumgebracht. Das heißt, es ist wieder Zeit für den Aufreger. Aber diesmal möchten wir gar nicht das große Fass aufmachen, sondern ein stetig rumorendes Gefühl behandeln, das Lars von Trier vor kurzem ansprach.

Wieder einmal scheint eine olle Kamelle aufgewärmt zu werden, denn Lars von Trier stand diese Woche wieder im Fokus. Aber unter all dem längst vergessenen Geschwafel findet sich doch ein paar Dinge, die bei aufmerksamer Beobachtung dazu führen können, dass einem der Kamm schwillt.

Der Aufreger der Woche dreht sich heute um Lars von Triers Interview mit der französischen Zeitung “Libération”, in der er neben Entschuldigung und Relativierung etwas Wichtiges und wohl wirklich Gefährliches anspricht.

Keine Konferenz mehr
Lars von Trier ist immer für einen Aufreger gut. Der dänische Regisseur, der während der letzten Filmfestspiel in Cannes mit einer Pressekonferenz, auf der er, sagen wir es mal vorsichtig, unglückliche Äußerungen tätigte, für einen Eklat sorgte, hat sich nun wieder zu Wort gemeldet, um die Welt wissen zu lassen, dass er sich nicht mehr zu Wort melden will. Als Suchspiel nach der Ironie der Aussage taugt dieser Satz nicht, aber das ist auch nicht der Sinn der Sache. Vielmehr ging es Lars von Trier darum kundzutun, dass er Presskonferenzen künftig meiden wird. Außerdem entschuldigte er sich ein weiteres Mal aufrichtig. So weit, so gut. Aber Lars von Trier hatte noch mehr zu vermelden, und zwar, dass er von Festivalleiter Gilles Jacob unvorbereitet vor die Presse getrieben wurde und dass Political Correctness eine Gefahr sei.

Ausreden und Erkenntnisse
Der Aufreger gilt von Triers billiger Ausrede, dass er keine Vorbereitung hatte. Das ist keine Rechtfertigung, sondern nur eine plumpe Ausrede. Zudem wälzt er die eigene Verantwortung auf andere ab, sowohl auf Gilles Jacob als auch auf die bösen Journalisten, für die offenbar eine Vorbereitung benötigt wird, da sie einen sonst zerfetzen. Aber wir wollen uns nicht weiter mit diesem alten Thema aufhalten, nicht weiter auf dem Skandal herumreiten, sondern uns der zweiten Aussage von Lars von Trier zuwenden: die Gefährdung durch Political Correctness. “Wenn man in diese Falle gerät, wird unser Denken arm”, gab der Regisseur zu Protokoll. Und damit hat er recht. Und auch nicht. Von Trier nutzt diese Erkenntnis, um sich zu rechtfertigen, seine Schuld zu tilgen. Ablenkung zum Erhalt eines Persilscheins. Aber aus dem von Trier’schen Kontext losgelöst ist die manchmal ausufernde Political Correctness durchaus ein Thema, welches es zu beachten gilt.

Unterdrückung des Buh
Schon einmal war es Teil des Aufregers der Woche, dass Filme nicht losgelöst von den Skandalen der Künstler gesehen werden. Das ist ebenso Teil der Political Correctness, die nicht mehr ist als Gutmenschenpopulismus. Sich den Idealen der Political Correctness zu verpflichten, ist an sich etwas Gutes, aber nicht so, wie es vielerorts praktiziert wird. Dass es keine verbotenen Themen geben dürfe, ist von Lars von Trier wohl etwas weit gegriffen, Zustimmung erfährt er allerdings, wenn es darum geht, Themen nicht durch laute Buhrufe zu unterdrücken. Das hat im Kern jedoch nichts mit von Triers verunglückten Äußerungen zu tun, denn die waren kein provokanter Befreiungsschlag, sondern ungelenke Dummheit. Trotzdem: Wer (filmischer) Kunst einen Maulkorb verpasst, der steht der Ideologie der Bücherverbrenner näher, als es Lars von Trier angedichtet wurde. Und wer denkt, dass solche Meinungen nicht vorkommen, der sollte sich angucken, welche Reaktionen z.B. die Vorführung von The Woman von Lucky McKee auf dem Sundance Filmfestival hervorgerufen hat.

Filme wie Die 120 Tage von Sodom oder Die letzte Versuchung Christi waren Skandalfilme zu ihrer Zeit, die sich gegen die damalig vorherrschende Political Correctness bzw. Moralvorstellungen in manchen Ländern erwehren mussten. Heute sind es andere Filmemacher und ihre Werke, die dem politisch korrekten Zeitgeist entgegentreten, wenn auch zum Teil auf andere Weise (siehe Team America). Und das ist wichtig. Wer denkt, überbordende (und missverstandene!) Political Correctness wäre heute nur noch in abgeschwächter Form vorhanden, der irrt. Sie hat sich zum Teil nur etwas verlagert, und zwar weg vom Film und hin zum Macher. Dass es diese übertriebene Korrektheit gibt und dass Lars von Trier diese wahren Worte leider etwas als Rechtfertigung missbraucht, sind der Aufreger der Woche.

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