Francis Ford Coppola, die Hollywood-Legende hinter ikonischen Produktionen wie Der Pate und Apocalpyse Now, hatte noch mindestens einen Film in sich: Megalopolis, die monumentale Geschichte eines Architekten (Adam Driver), der seine Stadt mithilfe eines futuristischen Materials namens Megalon in eine innovative Megametropole verwandeln könnte ... wenn man ihn nur lassen würde.
Ein Streifen so ambitioniert, dass er fast 50 Jahre in Planung war, und so unkonventionell, dass ihn erst kein Verleih wollte. Trotzdem war Coppola dermaßen davon überzeugt, dass er bis zum lange auf sich warten lassenden Kinostart am 26. September dieses Jahres 120 Millionen US-Dollar Privatvermögen in das Projekt gepumpt hatte. Was für eine Story!
Erste Reaktionen aus Cannes attestierten Megalopolis mehr Desaster als Meisterwerk, es klang aber nach einem zumindest interessanten Filmerlebnis. Prinzipiell macht Coppola, wenn wir ihn als "Auteur" verstehen, auch alles richtig: Er nutzt sein Kunsthandwerk, um etwas aus seiner Perspektive auszusagen. Cinéma politique! Nur erinnert, was er mit bombastischen bis kitschigen Bildern zu sagen hat, eher an die schwafelnden Facebook-Tiraden eines mürrischen Großonkels, der gerade erst soziale Medien für sich entdeckt hat.
Megalopolis: Des Meisters meinungsstarkes Sci-Fi-Märchen
Inspiriert vom Fall Roms geht es in Megalopolis durch die stilisierte Sci-Fi-Blume gesagt um die Vereinigten Staaten von Amerika als letztes Imperium der Welt und den vermeintlichen Abgrund, an dem es tänzelt. Der politische und kulturelle Pessimismus rührt aus verschiedenen Ecken, die der Film wenig subtil ankreidet: Sture, korrupte Politiker ohne Vision, geldgierige Frauen mit Machtanspruch und dekadente Männer in Make-up, die zu reaktionären Kräften werden und die Massen manipulieren.
Durcheinandergewürfelte Polit- und Kulturkampf-Reibepunkte mit der Gesellschaft werden zu einer "Fabel" zusammengezurrt und legen so verschiedene Ansichten offen. Coppola scheint nicht die allerbeste Meinung von modernen Frauen zu haben und teilt beispielsweise gegen die Me-Too-Bewegung aus in einer Szene, in der eine verwirrt wirkende Dame einen Kuss für einen Angriff hält. Aber auch Neo-Faschisten mit roten Mützen bekommen ihr Fett weg, wenn Shia LaBeoufs Antagonist zum reaktionären Polit-Promi wird – umringt von Schergen mit Schwarze-Sonne-Tattoos, während er aufwiegelnde Reden auf einem Baumstumpf mit Hakenkreuz hält.
Mit dieser Alles-ist-Fair-Game-Satiretaktik per Megalon-Hammer sollte Coppola vielleicht für South Park schreiben. Sein Film ist ohnehin zum Schreien unabsichtlich komisch, was auch Camp-Connoisseure auf den Plan rufen wird. Wenn Laurence Fishburne als Erzähler andächtig die bedeutungsschwangeren Weisheiten der erhabenen Marmor-Zwischentafeln des Films vorlesen muss. Wenn die Stars ohne scheinbaren Schimmer, was sie verzapfen, orientierungslos ihre schwülstigen Dialoge aufsagen. Oder wenn als i-Tüpfelchen noch Bilder von Hitler und Mussolini gezeigt werden, als hätten wir es nicht kapiert. Dann kommen auch Fans des guten schlechten Geschmacks voll auf ihre Kosten.
Man kann es schon vor sich sehen: Was gucken wir heute? Erst Showgirls, dann Megalopolis!
Ford Coppola außer (Ayn) Rand und Band
Eine konkrete politische Philosophie ist dann aber doch recht eindeutig herauszulesen: der libertäre Objektivismus von Egomanen-Ikone Ayn Rand. Speziell ihr Roman Der ewige Quell scheint hier neben Sci-Fi-Epen wie Metropolis und Monumentalfilmen wie Die zehn Gebote eine große Inspirationsquelle gewesen zu sein. Auch darin geht es um einen visionären Architekten, den man einfach nur mal ohne nervende Regulierung machen lassen müsste, damit die Menschheit vorankommt. Dafür muss man aber zunächst an das Märchen vom "großen Mann" glauben, dem für sein Vermächtnis nicht nur Ehre und Ruhm, sondern besondere Privilegien zukommen sollten.
Welche "großen Männer" Coppola für die allergrößten hält, bleibt auch kein großes Rätsel. In einer Schlüsselszene zwischen Adam Drivers Architekt Catilina und seiner geliebten Julia (Nathalie Emmanuel) wird deutlich, dass der Metropolengestalter und seine nicht weiter erläuterte Fähigkeit, die Zeit zu manipulieren, Metaphern für das Filmemachen selbst sind. Er steht für große Regisseure, die nicht nur den Ablauf ihrer Werke, sondern durch sie die Form der Zivilisation und die Zukunft mitgestalten – was im Prinzip nicht komplett inkorrekt ist. Zudem passt die geradezu größenwahnsinnige Geste, einen selbstbeweihräuchernden Film darüber zu drehen, perfekt zu einem Mann, der seinem eigenen Streifen 5 Sterne (und ein Herzchen) auf Letterboxd gibt .
Seltsam passend wirkt auch, dass die besagte Szene mit einem Game of Thrones-Star über die Bühne geht. Denn endete die Fantasy-Serie nicht ebenfalls – sich über alle Maße überhebend – damit, dass Geschichtenerzähler und ihre Storys zum wichtigsten Wunder der sieben Königreiche erklärt werden?
- Eine weitere Meinung: Unser Megalopolis-Ersteindruck aus Cannes
Wir brauchen mehr Megalopolisse im Kino – nur nicht Megalopolis
Die meisten als "prätentiös" bezeichneten Filme, die von sich künstlich aufregenden Popcornkino-Fans in die Schranken gewiesen werden, sind es gar nicht. In diesem Fall trifft das Label aber ausnahmsweise zu. Wer sich von den besorgt-verschwurbelten Hobby-Historiker-Weisheiten in Megalopolis beeindrucken lässt, folgt vermutlich auch kulturpessimistischen Twitter/X-Accounts mit weißen Statuen im Profilbild, die den vermeintlichen Untergang des Westens lamentieren.
Gegenüber dem Sight and Sound -Magazin sagte Coppola jüngst sehr bescheiden: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass [Megalopolis] in der Art von Apocalypse Now ablaufen wird, wo es nur angeschaut, angeschaut und diskutiert wird. Es ist auf darauf ausgelegt, eine lange Zeit zu leben."
Das ganze nach Unsterblichkeit lechzende Unterfangen ist so schamlos größenwahnsinnig und vermessen in seiner vor Pathos triefenden Pseudo-Tiefsinnigkeit, dass man nicht nur die Auteur-Theorie, sondern Auteur-Filmemacher an sich endgültig ad acta legen möchte. Immerhin wäre man dann in der guten Gesellschaft von Filmkritikerin Pauline Kael, die stets eine Gegnerin des Konzepts des "großen Mannes" hinter der Kamera war. Auf sie geht auch folgendes Zitat zurück, das uns dabei helfen könnte, selbst (oder gerade!) ein peinliches bis amüsantes Fiasko wie Megalopolis wertzuschätzen:
Filme sind so selten großartige Kunst, dass wir kaum einen Grund haben, uns für sie zu interessieren, wenn wir nicht großartigen Trash wertschätzen können.
Leinwandliebe-Podcast: Teufelskreis der Paranoia in Coppolas Der Dialog
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Francis Ford Coppola ist mit seinem lang ersehnten Projekt Megalopolis in den Kinos. Den Film, den er mit 120 Millionen Dollar aus eigener Tasche finanziert hat, haben aber weder Sebastian noch Pascal gesehen ... weswegen sich die Beiden einfach einen anderen Coppola-Film geschnappt haben: Der Dialog mit Gene Hackman. Was der so kann, erfahrt ihr in dieser Ausgabe von Leinwandliebe.