Jahr: 1991
Genre: Grunge, Rock
Singles: Smells Like Teen Spirit, Come as You Are, Lithium, In Bloom
Bevor ihr mich für den fehlenden Stern wahlweise entweder steinigt, lyncht, hängt, ersäuft oder mir den Schädel spaltet (erschießen fänd' ich nicht so prickelnd), hört euch meine letzten Worte bitte noch an, bevor ihr eurem Amt als Jury, Richter und Henker in Einem nachgeht. Zweifelsfrei besitzt "Nevermind" einige der besten Songs, die je auf dieser Welt komponiert wurden. Doch gilt das wirklich für das gesamte, 12 Track-lange Album (13 mit dem Hidden Track, der nach "Something in the Way" folgt)? Und jetzt geht einmal tief in euch.
Dass diese Review weder von einem 70er Jahre Progressive Rocker, noch von einem 90s Kid stammt, sondern von einem 1996 geborenen Jüngling, der sich in seiner Zugehörigkeit irgendwo zwischen den Emos der 2000er und den Hipsters der 2010er wiederfindet, und sich um 4.99€ bei Müller dieses Meisterwerk gekauft hat und nun retrospektiv reviewt, darf gerne als Dreh- und Angelpunkt dieses Artikels verwendet werden. "Nevermind" hat 1991 den weltweiten Zeitgeist der Jugend wohl so getroffen wie sonst kein Werk, und zwar in so gigantischem Ausmaß, dass es die große Grunge-Bewegung hervorrief und bis heute als eines der einflussreichsten und besten Musikalben aller Zeiten gilt. Nun denn, dieser Aspekt liegt lange vor meiner Zeit, und da Sänger, Gitarrist und Songwriter Kurt Cobain bereits 2 Jahre vor meiner Geburt Suizid beging, seid ihr wohl besser mit einer Review von jemandem dran, der gut 10 Jährchen mehr auf dem Buckel hat als ich. Wartet bei mir lieber auf Reviews zu "Zimmer 483", "The Heist" oder "The Fame Monster". Falls diese kommen. Nicht, weil mich der Hintergrund nicht interessiert, sondern weil ich euch auch nur das weitergeben kann, das ihr auf etlichen anderen Websites nachlesen könnt.
Nun, ich habe es bereits angekündigt: das wird alles andere als eine negative Review, sie wird aber nur bedingt euphorisch. Denn was "Nevermind" für mich vom Stand eines vollendeten Meisterwerks abhält, ist die schwankende Qualität der Einzelstücke. Denn für mein Verständnis teilt sich die CD in exakt 6 unangefochten geniale, und 6 nur recht gute Songs, welche in Ordnung gehen, aber keinesfalls mit der anderen Hälfte des Albums mithalten können. Zu den brillanten, meisterhaften Stücken gehören alle 4 Singles, das schmerzvolle Vergewaltigung thematisierende "Polly" und das ungewöhnlich bedrohlich anmutende Outro "Something in the Way". Diese sechs Nummern wirken in jeglicher Hinsicht perfekt. Angefangen vom simplen wie markanten Gitarrenspiel, den von Weltschmerz geprägten Texten, dem kratzigen, rauen Klang der Arrangements und Cobains dreckiger Stimmfarbe. Alles harmoniert. Und jeder Ton sitzt exakt da, wo er sein sollte. Auch, wenn die Intention eher Unperfektion war.
Das Album beginnt mit dem besten Song der Band und einem der brillantesten der Musikgeschichte - "Smells Like Teen Spirit". Dieses Lied alleine würde 10 von 5 Sternen verdienen. Es ist einigen Nirvana-Fans zu Mainstream, diesen Megahit als Lieblingssong der Musiker anzugeben, aber der Ruhm, der dieser Nummer vorauseilt (wird in fast jeder Top 10 der besten Songs aller Zeiten, egal, ob durch Kritiker oder Userabstimmungen, geführt), kommt nicht von ungefähr. Definitiv ist es der am Wenigsten sperrige Track der Band (nicht, dass ich diese Sperrigkeit ankreiden würde). Das liegt in erster Linie an der Ohrwurm-Melodie in sowohl Strophe und Bridge als auch Refrain, und dem ikonischen Einsatz der Gitarre. Seien es das verzerrte Solo oder die zwei Einzelnoten, die in den Versen gespielt werden, oder aber das übermarkante Riff. Eigentlich müsste ein Song von solchem Umfang an die Ende der Tracklist gesetzt werden. Die anderen 5 Meisterwerke des Albums sind musikalisch aus denselben Gründen so gut, nur geringfügig weniger kultig, dafür genauso stark. "Polly", welches ausschließlich mit Gitarre unterlegt wurde und dessen Text um einen wahren Fall von Vergewaltigung und Folter für Kontroverse gesorgt haben dürfte, sticht vom Rest der CD deutlich hervor. Cobain war ein rebellischer Poet, die Band besaß musikalisch ein selten zu findendes Gespür für die Verbindung absoluter Anti-Mainstream-Experimentierfreude und dringend nötiger Eingängigkeit. Hätte man diese hohe Qualität auf dem ganzen Album wiedergefunden - über die 5 Sterne bräuchten wir nicht zu diskutieren (Anmerkung: auf "In Utero" ist dies genial gelungen).
Allerdings wirken die anderen Songs im Vergleich dazu relativ gewöhnlich. Die Texte von Cobain sind zwar über jeden Zweifel erhaben, die Vertonung derselben fehlt es allerdings an Besonderheiten. Es sind Punk-ähnliche Arrangements, die treibend und flott, und dabei überaus angenehm anzuhören sind. Schlecht sind sie keinesfalls, und unter normalen Umständen würde ich sie gar nicht erst bereden und bei einer rein positiven Kritik r Sterne vergeben. Es ist aber auch kein normales Album. Es ist "Nevermind". Eines DER Alben. Von einer DER Bands. Beides übrigens auch zurecht. Leider ist es aber auch nicht so perfekt, wie man meinen möchte. Und auch ein so epochales Werk ist vor dem ein oder anderen Füllersong nicht geschützt. Dennoch muss man sagen: Hut ab, ist das Album gut gealtert!
Tracklist:
1. Smells Like Teen Spirit
2. In Bloom
3. Come as You Are
4. Breed
5. Lithium
6. Polly
7. Territorial Pissings
8. Drain You
9. Lounge Act
10. Stay Away
11. On a Plain
12. Something in the Way [+Hidden Track]