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"Prestige" und die Frage: Are you watching closely?

01.08.2015 - 10:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
The Prestige
Warner Bros. Pictures Germany
The Prestige
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Christopher Nolans Werk "Prestige" und die Frage: Was will man sehen?

Filme betrügen uns, sie entführen uns in eine andere Welt, vielleicht eine Welt voller Magie und Zauber, oder eine Welt, die unserer zum verwechseln ähnlich sieht, doch ist es niemals die Realität die wir sehen. Selbst in Dokumentationen unterliegt es dem Regisseur, was er uns auf welche Art und Weise zeigt. Je nachdem wie er uns diese Bilder zeigt kann er unseren Blick schon beeinflussen.

Wir sind nur die Beobachter, das Publikum, wir sind die Adressaten, für die der Vorhang aufgezogen wird. Wir sehen und verfolgen das schöne Spiel, dass zu unserem Gunsten aufgeführt wird und obwohl wir keinen direkten Einfluss darauf haben, was gezeigt wird, sind wir alles andere als passiv. Die Bilder, die Zusammenhänge, die Musik, die Stimmen, Gestik, Mimik, das Geschehen setzten wir in unseren Köpfen logisch zusammen und wir interagieren. Wir können empathisch sein, uns in die Figuren und Situationen hinein versetzen. Wir vergleichen, wir verbinden, wir kombinieren, wir erinnern uns und das alles unbewusst, in nur Bruchteilen von Sekunden.

Christopher Nolan schaffte es mit Prestige - Die Meister der Magie einen Film zu kreieren, der sich selbst zu thematisieren scheint. Eine Metapher. Es geht um die Magie, der wir uns hingeben, es geht um das Spektakel des Sehens und vor allem um die Flucht aus der Realität, also all das, was uns Filme geben. Nach dem spektakulären Trick „Der transportierte Mann“ ist Hugh Jackman, der selbst ein „Magier“ ist, ein Trickser, der festen Überzeugung, dass das was er gesehen hat, Magie sein MUSS, nur weil er nicht herausfinden kann wie er funktioniert, nur weil ihm die offensichtlichste Antwort nicht reicht. Er ist besessen davon. Er will so sehr gewinnen, dass er durch eine tatsächliche „Teleportationsmaschiene“ immer wieder sein Leben geben muss, während sein Konkurrent in diesem Wettstreit nur ein halbes Leben führen kann. Und wofür? Für den Ruhm, den Erfolg? Das Prestige?

Der Regisseur ist auch nicht mehr als ein Magier und Christopher Nolan spielt genau damit. Der Wettkampf um die Gunst des Publikums, der Anspruch immer mehr bieten zu müssen, immer größer, immer besser, immer überraschender. Etwas nie dagewesenes. Und so wie im Film selbst, gibt es die zwei Seiten zwischen dem ursprünglichen, handgemachten Trick und der neuen Technik, die nun in Filmen alles möglich macht. Christopher Nolan selbst vertritt die alte Schule des Filmemachens:
Er ist setzt sich gegen den Dreh mit digitalen Kameras ein, er versucht mit allen Mitteln das Erlebnis des Kinos zu schützen. Und wenn man die beiden kollidierenden Figuren in Prestige sieht, so wird ganz klar, dass jede von ihnen eine dieser zwei Seiten vertritt: Handgemacht vs. Technisch.
Klassisch vs. „modern“.
Ein Mann der den Trick LEBT und ein Mann, der alles versucht um an das heranzukommen. Aufopfernd, alles hergebend vs. Unheilbringend, mit der harten Erkenntnis, dass die Realität hinter dem Trick zwar irgendwie echt ist, aber den Zauber verloren hat.
Wer gewinnt? Wie hoch ist der Preis, den man für den Erfolg zahlen muss? Der Vater, der seine Frau verloren hat, der für einen Trick sein halbes Leben her gab und für den sein Bruder sich opferte oder der Mann, dessen Rache ihn zum Mörder machte und der trotz aller Mühe, trotz aller Opfer nicht gewinnen konnte, der zum Schluss sogar sein eigenes Leben lassen muss.

Wollen wir selbst von CGI strotzende, falsche Welten, die so glatt poliert und perfekt sind, dass wir sie täuschend echt empfinden, oder wollen wir das, was das größere Meisterstück ist: die Realität durch Tricks, Kreativität und Fantasie zu etwas Großartigem zu machen. Sind nicht gerade auch diese Filme, die uns am meisten zum staunen bringen, wenn wir wissen wie viel Arbeit, Liebe und Aufopferung es verlangt, während wir nach Filmen wie Avatar - Aufbruch nach Pandora zwar beeindruckt von den Bildern waren, wir jedoch immer die Künstlichkeit erkennen, wir immer WISSEN, dass es die Technik ist, die das ermöglicht, die alles möglich macht, aber zu welchem Preis?

Während Nolan uns seine Geschichte zeigt, sind wir schon mitten in seinem eigenen Zaubertrick. Die wechselnden Perspektiven, die falschen Tagebücher führen uns an der Nase herum, jedoch ohne uns direkt ins Chaos zu stürzen. Er konstruiert und entschlüsselt den Trick vor unseren Augen, wenn er uns die Erklärung schon zu Beginn liefert, wenn er das Thema des Films doch schon von Anfang an vorgibt. Doch erst am Ende wird klar, dass das was wir sahen, nicht mehr war als das, was wir erkennen wollten.
Es war doch die ganze Zeit vor unseren Augen!
Habt ihr nicht genau hingesehen?
Darum ging es doch.

Are you watching closely?

Zum Schluss wissen wir es genau: Wir wurden hereingelegt, aber nur weil wie nicht da hingesehen haben, worauf es ankam.

The audience knows the truth: the world is simple. It`s miserable, solid all the way trough. But if you could fool them, even for a second, then you can make them wonder, and then you... Then you got to see something really special. It was the look on their faces

Und der Zuschauer? Wir? Wir lassen uns auf das Spiel ein. Die mit den Generationen und dem Alter, angewachsene Gewissheit, dass wir kritisch sein müssen, gerade was den Realitätsanspruch in Filmen angeht, hat vieles verändert, denn die Zeiten in denen das Publikum in Panik verfällt, weil sie auf der Leinwand einen Zug auf sich zu fahren sehen, sind lange vorbei. Wir gehen ins Kino mit dem Wissen, dass das was wir sehen nicht echt ist. Dass es keinen Zauber gibt, dass wir die nüchterne Welt kennen. Doch für einen kurzen Augenblick ist vielleicht das, was wir sehen, für uns echt. Und mehr will ein Magier nicht, mehr will ein Regisseur nicht.

Now you are looking for the secret.... but you won´t find it, because of course you´re not really looking. You don´t really want to know. You want to be fooled

Wir sind wie Hugh Jackman, wir wollen an mehr glauben, wir wollen ausgetrickst werden.

Das Geheimnis nutzt niemandem, der Trick ist alles.

Abrakadabra.

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