Scream Queens - Die blutige Comedy-Horror-Serie im Pilot-Check

30.03.2017 - 10:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Scream Queens: scharfe Klingen und noch schärfere Dialogzeilen20th Century Fox
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Nach Scream kommt jetzt Scream Queens. Aber diese Serie ist ganz anders, anders sogar als alles zuvor. Wir haben den Piloten der Horror-Comedy mit Emma Roberts gesehen und uns ein Bild gemacht, das ihr euch hier zu Gemüte führen könnt.

Update, 30.03.2017: Unseren Pilot-Check zu Scream Queens haben wir bereits anlässlich des US-Starts auf FOX geschrieben. Nun läuft die 1. Staffel der Comedy-Horror-Serie auf Sixx im deutschen Free-TV.

Wie sich das gehört, zuerst der Prolog zu dem ganzen tollen überdrehten Kram, den uns der Scream Queens-Pilot in den nächsten eineinhalb Stunden um die Ohren wirbeln wird. Der spielt sich in einer düsteren Dekade ab, den Achtzigern. Dort stirbt während einer Verbindungs-Party ein Mädchen nach der Geburt ihres Kindes in einer Badewanne. Fette Achtziger-Mucke drückt derweil gegen die Wände des Kappa Kappa Tau-Hauses, das fortan der Hauptschauplatz der Serie sein wird.

Es ist ja kein Wunder, dass sich Scream Queens im Intro dorthin begibt, wo alles noch schön und unverbraucht war mit dem Slasher. Wenn die 1970er und 1980er die Blütenjahre des Slashers waren, dann befinden wir uns jetzt in den Jahren des Niedergangs dieses erlauchten Genres. Scream Queens macht daraus auch gar kein Geheimnis. Genau wie jüngst die Scream-Serie. Und wenn Scream postmodern war, dann ist Scream Queens post-postmodern. Wenn nämlich die Entschälung der schalen Gesetze erfolgt ist und nur noch schnöde Realität überbleibt, wie geht es dann weiter? Was tut ein entkleidetes Genre mit seinen Erzeugnissen? Scream Queens Antwort darauf ist ein heiteres, obgleich verstörend nihilistisches Bewältigungsschema.

I got my first boner watching the faces of death.

Es ist natürlich auch kein Zufall, dass der Dekan der Universität gespielt wird von Jamie Lee Curtis, der ersten Scream Queen überhaupt. Die verbeißt sich hart in den Kampf mit einer neoliberalen, klassenbewussten, oberflächlichen Ausgeburt des 21. Jahrhunderts. Chanel Oberlin (hervorragend: Emma Roberts) diktiert im Jahr 2015 das Geschehen im Kappa Kappa Tau-Haus, dem Sitz der gleichnamigen Verbindung. Die Dekanin will, dass zu Kappa Kappa Tau demnächst nicht nur noch reiche und hübsche, sondern alle Mädchen Zugang haben. Und ja, die Kräfteverhältnisse in diesem Kampf sind mindestens ausgeglichen, wenn sie nicht gar zugunsten des Paris Hilton-Zöglings ausschlagen, deren Vater dicke Bestech... äh, Spendengelder an die Universität überweist und seine Tochter damit de facto unangreifbar macht. Dennoch dürfen sich fortan auch die hässlichen, seltsamen, nicht-heterosexuellen, nicht-weißen Mädchen für eine Kappa Kappa Tau-Mitgliedschaft bewerben. Und bald schon sterben Menschen. Nach dem vierten Mord ist klar, dass es sich hier um einen Serienkiller handelt und der Campus gerät in Aufruhr.

Der Scream Queens-Cast

You’re an awful person - Yeah, but I’m rich and I’m pretty, so it doesn’t really matter.

Überzeichneter als Chanel Oberlin wurde noch nie eine weiße Teenager-Queen dargestellt, nicht einmal von Rachel McAdams in Girls Club - Vorsicht bissig!. Chanel hat Minions, die sie Chanel No. 2 und Chanel No. 5 (Abigail Breslin, hierhin hat es sie verschlagen) ruft. Aber dann gibt es da noch Grace (Skyler Samuels), ein im Vergleich zu den promiskuitiven Verbindungsschwestern wahres Final Girl und außerdem, höchst verdächtig, Halbwaise. Ihre Mutter war Kappa Kappa Tau-Mitglied. Sie will von der neuen Regelung profitieren und Kappa Kappa Tau beitreten. Dies aber nur, um die Verbindung zu unterwandern.

Die Ironie ist die Luft, die wir atmen

Scream Queens kommt die meiste Zeit über als scharfzüngige Gesellschafts- und Popkultursatire daher. Dazwischen sterben allmögliche Menschen allmögliche Todesarten: Selbstbräuner-Spritzen sind mit Säure statt Schokolade gefüllt, Gesichter werden in siedendes Fett getaucht, Rasenmäherklingen raspeln Schöpfe. Nur ein Opfer stirbt an klassischen Einstichwunden. Makabere Tode sind das, am Rande des Ertragbaren. Brutaler als die Scream-Serie ist das allemal, nur deren Meta-Grad tastet Scream Queens (noch) nicht an. Oder nur auf einer anderen Ebene.

Der Killer etwa trägt das Kostüm des simpelsten Bösewichts aller Zeiten: das des Teufels. Mit seinem dritten Opfer Chanel No. 2 (Ariana Grande) textet er entspannt von Angesicht zu Angesicht, um ihr dann zu schreiben, er werde sie jetzt töten, worauf No. 2 ein hysterisch lang gezogenes „Wait Whaaaat“ in ihr Handy tippt. Ironisch ist das, aber eben diese selbstzweckhafte Art von Ironie, die ins Nichts führt. David Foster Wallace schrieb zu dieser wonnelächelnden Selbstgeißelung mal, Ironie wäre das Lied des Gefangenen, der beginnt, sein Gefängnis zu lieben. Auch, wer schon mal eine Episode des Neo Magazin Royale gesehen hat, weiß vielleicht, was gemeint ist. Der Witz ist der Witz über den Witz. Ist das witzig?

Nach allen Regeln der Kunst

Aber dieses Festival des Masochismus ist großartig arrangiert und messerscharf geschrieben von Ryan Murphy (auch Regie), Ian Brennan und Brad Falchuk. Eine furiose Kamera flüchtet vor Blondinen mit Porzellanhaut und dem trotzig-arroganten Gesicht von Emma Roberts. Ihre gehässigen Monologe gleiten über einen kühlen Synthie-Soundtrack hinweg. Synthie, natürlich, was könnte besser in die popkulturelle Richtungslosigkeit, den recycelnden Konservatismus der Nullerjahre passen als diese hochgejazzte Achtziger-Antiquität?

Und wie immer fragen wir uns, wo führt das hin mit Scream Queens? Den geneigten Slasher-Fan erwartet eine Mischung aus 30 Rock‘s/Unbreakable Kimmy Schmidt's popkultureller Beobachtungsgabe. Beigemischt wird dem das drakonisch-makabere Grauen von American Horror Story. Aber das eigentlich Interessante an Scream Queens ist seine Haltung sich selbst gegenüber. Es hasst seine eigenen abgestandenen Genre-Konventionen und eintönigen Figuren, ist deshalb aber keineswegs sadistisch. Es ist in hohem Maße selbstzerstörerisch. Wenn einmal die Regeln der Kunst aufgedeckt und die unangenehmen Wahrheiten von der Ironie diagnostiziert worden sind, was tun wir dann, fragt David Foster Wallace. Was schon? Wir morden. Wir töten den Slasher selbst. Aber solange dieses Gemetzel stattfindet, ist es ein großes Fest. Und Scream Queens ist der Gastgeber dieses Festes. Anschauen!

Habt ihr Scream Queens bereits gesehen? Was haltet ihr von dem Piloten?

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