Selbstmordattentat in Israel: Alles für meinen Vater

22.01.2009 - 08:30 Uhr
Dror Zahavi beim Filmdreh in seiner Geburtsstadt Tel Aviv
Kinowelt
Dror Zahavi beim Filmdreh in seiner Geburtsstadt Tel Aviv
0
0
NEWS» Regisseur Dror Zahavi spricht über seinen Film Alles für meinen Vater.

In Alles für meinen Vater von Dror Zahavi wird von einem Selbstmordattentäter erzählt, dessen Selbstzündung auf dem Markt von Tel Aviv misslingt. So gewinnt er zwei Tage Lebenszeit, in denen er die jüdische Kultur und die unterschiedlichsten Menschen kennenlernt…

Eine Entdeckung ist Hili Yalon in der komplizierten Rolle einer jungen Frau, Keren, auch sie eine verletzliche, tief verunsicherte Figur.
Das war wirklich eine schwierige Aufgabe. Sie musste ein religiöses Mädchen spielen, das sich gleichzeitig dem Glauben verweigert und sich für ein weltliches Leben in Tel Aviv entscheidet. Ihre Figur spiegelt die Naivität und Freundlichkeit eines religiösen Menschen und gleichzeitig ihre Sehnsucht nach Freiheit, danach, ein eigenes Leben zu führen. Genau diesen Charakter habe ich in Hili Yalon gefunden. Ich habe mich sofort in sie verliebt, in ihre Augen, ihren Optimismus. Ich habe in meinem Leben schon viele Filme gemacht und weiß genau, dass Casting das Wichtigste daran ist, deshalb war ich so glücklich, diese wunderbaren Darsteller gefunden zu haben.

Warum werden die Menschen auf der anderen Seite, die Palästinenser, dahingegen nur skizziert?
Das ist ein Film über die israelische Gesellschaft, deshalb werden die arabischen Figuren eher lakonisch gezeichnet, fast beiläufig. Ich konnte hier nicht das ganze Ausmaß ihrer Leiden unter der Okkupation zeigen. Aber für die Geschichte bestimmend ist das Verhältnis des palästinensischen Attentäters zu seinem Vater, und das wird im Film sehr deutlich geschildert. Eine besonders schwierige Entscheidung war sicher die Besetzung der Rolle des Attentäters, der beim Zuschauer keinen Abscheu erregen darf. Shredi Jabarin gelingt es, uns mit diesem jungen Mann fühlen zu lassen.

Shredi Jabarin bringt genau das mit, was diese Rolle braucht. Er ist ein absoluter Sympathieträger, nur so funktioniert die Geschichte. Das Publikum muss ihn mögen und seine Entwicklung nachvollziehen. Er durchläuft ja wirklich eine ungeheure Wandlung in kurzer Zeit. Am Beginn ist er noch bereit zu töten, und ihm ist bewusst, dass unschuldige Frauen auf dem Markt seine Opfer wären. Aber der Film zeigt, dass so ein Mensch sich ändern kann, und hier in nur 48 Stunden. Shredy Jabarin enthüllt mit seinem Spiel, was wir in Israel “das Gesicht hinter dem Video” nennen, den Menschen hinter der pathetischen Bekenner-Botschaft eines Selbstmordattentäters.

Tarek ist im Film buchstäblich ferngesteuert. Die Bombe an seinem Körper ließe sich jederzeit von seinen Auftraggebern per Mobiltelefon zünden, er ist nicht mehr Herr über sich selbst. Doch die Tragweite wird ihm im Grunde erst klar, als er die “Feinde” wirklich kennenlernt?
Das stimmt, hierin liegt eine geradezu symbolische Bedeutung. Die Tragödie ist doch, dass man die Menschen nicht zu einander kommen lässt, dass von außen dieses Kennenlernen verhindert wird. Ohne diese Mächte wäre es viel leichter, Verständnis füreinander zu finden, wenn die Menschen ganz einfach aufeinander zu kommen könnten.

Der Attentäter hat eine Vorgeschichte als hoffnungsvolles Fußball-Talent. Ist auch das eine Metapher?
Unbedingt. Dieser Traum vom Fußball verbindet doch die Menschen, es geht hier um viel mehr als um ein Spiel, der Fußball kann eine Brücke sein. Selbst in den schlimmsten Zeiten der zweiten Intifada kamen Palästinenser an die Kontrollpunkte, um sich gemeinsam mit israelischen Soldaten wichtige Spiele im Fernsehen anzusehen.

Sie haben in Deutschland studiert und lange gearbeitet. Für diesen Film sind Sie nach Israel zurückgekehrt, welche Erfahrungen haben sie dort beim Drehen gemacht?
Ich bin aus Israel weggegangen, weil ich dort auf der Stelle getreten bin, weil ich beruflich einfach nicht weiter kam. So habe ich mein Glück im Ausland gesucht. Als ich nun wieder kam, habe ich bei den Vorbereitungen das Land und seine Mentalität neu entdeckt. Trotz aller Schwierigkeiten am Anfang war diese deutsch-israelische Koproduktion eine unvergessliche Erfahrung. Es entstand ein ganz eigener Mikrokosmos, eine Einheit zwischen den Darstellern und der Crew, zwischen Israelis und Arabern. Die deutschen Produzenten fragten uns beim Drehen oft: “Warum geht das nicht auch so im Leben?” Wir konnten darauf nichts antworten…

Wir wollen das Ende natürlich nicht verraten, aber vielleicht ist es doch möglich darüber zu reden, warum sich der Film ins Tragische wendet.
Wir wollten kein Hollywood-Ende. Unser Schluss spiegelt die Realität. Die heutige Wirklichkeit in der Region stellt sich gegen eine glückliche Fügung zwischen einer Jüdin und einem Palästinenser, und genau diese Tragik sollen die Zuschauer erfassen. Sie werden Trauer empfinden über dieses Ende und genau das finde ich revolutionär – dass die Leute traurig sind über das Schicksal eines Attentäters, nach all den Opfern, die es in Israel durch Anschläge gab!

Quelle: Mit Material von Kinowelt / Das Interview führte Knut Elstermann

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News