Auf den ersten Blick verhält es sich mit Steven Spielberg wie mit Die Simpsons. Eine ganze Generation wuchs mit der gelben Familie auf, nur um dann nach neun Staffeln von einem plötzlichen Qualitätsabfall überrumpelt zu werden. Heute fällt es schwer, Texte oder Kommentare über die Serie zu finden, aus denen diese tiefe seelische Verwundung nicht hervorlugt. Dank des inflationären Gebrauchs seines Produzentennamens und der monumentalen Seltsamkeit namens Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels blättert auch an Spielbergs Heiligenschein der Lack. Im Gegensatz zu den Simpsons aber befindet sich der späte Spielberg auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Das unterstreicht sein neues Meisterwerk Lincoln, das am Donnerstag in den deutschen Kinos startet.
Steven Spielberg ist der einflussreichste amerikanische Regisseur seit dem Niedergang des Studiosystems in den 1960er Jahren. Sein ungeheurer Erfolg sowie die deutlichen Spuren, welche die ersten zehn Jahre seiner Kinokarriere in Hollywood hinterließen, erschwerten eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk lange Zeit. Das ist eine der Nebenwirkungen der sogenannten Massentauglichkeit, die Größen wie Howard Hawks und Alfred Hitchcock zu Lebzeiten befallen hat.
Vielleicht wurde sich Spielberg dessen bewusst. Seine Filmografie seit Indiana Jones und der Tempel des Todes 1984 erweckt diesen Eindruck. Auf einmal wechselte sich Spielberg, der Blockbuster-Guru mit, Spielberg, der Oscar-Hoffnung ab. Schossen Die Farbe Lila und Das Reich der Sonne noch an den warmen Umarmungen der Kritiker vorbei, sollte Schindlers Liste ihn 1993 endlich als seriösen Filmemacher etablieren. Nachdem das Holocaust-Drama 1993 im Doppelpack mit Jurassic Park das Licht der Welt erblickte, wiederholte er seine Taktik, Blockbuster und ‘Qualitätsfilme’ abzuwechseln, 1997 mit Amistad und Vergessene Welt – Jurassic Park. Es schien, als müsste das eine dem anderen im Moment der Veröffentlichung Absolution erteilen. Einmal abgesehen vom ultimativen Spielberg-Film Hook, sind die 1990er Jahre gerade deswegen das langweiligste Jahrzehnt in seiner Filmografie.