In keinem diesjährigen Kritikerecho versammelte sich derart viel Enttäuschung wie in jenen US-amerikanischen Reaktionen auf The Counselor, dem neuen Film von Ridley Scott. Lausige 35% misst das (Zu-)Stimmungsbarometer auf Rotten Tomatoes, mindestens 2013 ist das beispiellos für eine derart hochrangige Produktion, die als Kritikerliebling und potenzieller Oscaranwärter bereits im Vorfeld gesichert schien. Mick LaSalle vom San Francisco Chronicle nannte The Counselor eine komplette Fehlkalkulation, der altehrwürdige Todd McCarthy sprach im Hollywood Reporter von einem Reinfall und Mary F. Pols vom TIME Magazine einigte sich gleich darauf, dass dieser Film nichts außer abgeleiteter Nonsens sei.
Versagen unvorstellbar
Die abfälligste aller prominenten Besprechungen jedoch veröffentlichte das traditionsreiche Branchenblatt Variety, für gewöhnlich eher gütig differenziert, beinahe langweilig sachlich, und zwar eine dergestalt bitterböse, dass dem Totalverriss aus Feder von Peter Debruge direkt noch eine positiv gestimmte Gegenkritik folgen musste. Schlaue, talentierte Leute, schrieb er, hätten diesem verrotteten Material nur deshalb ihr Vertrauen geschenkt, weil es den Namen von Cormac McCarthy trägt. Köpfe werden rollen, so sein Urteil, und das wird kein schöner Anblick sein.
In der Tat ist der Enttäuschung über diesen Film nur mit Blick auf die an ihm beteiligten Namen beizukommen. Maßgeblich für die an The Counselor gestellten, offenbar unverhältnismäßigen Erwartungen ist natürlich das Originaldrehbuch von Cormac McCarthy, sein erstes überhaupt für einen Kinofilm verfasstes Werk. Der Schriftsteller, Pulitzerpreisträger und ausgemachte Literatenliebling einer nicht nur hochkulturellen Leserschaft avancierte mit Romanen wie Die Abendröte im Westen oder dem Endzeitmanifest Die Straße zu einer Art Nationalheiligtum, bei dem jedwedes künstlerisches Versagen schlicht nicht vorstellbar ist.
McCarthys Räuberpistole
Im Gegenteil, würde McCarthys eigenwilliger Naturalismus aus existenzialistischer Kälte und schroffen Mystifizierungen im Kino wohl erst recht ganz neue Qualitäten offenbaren, vor allem nach den gefeierten Verfilmungen The Road und No Country for Old Men. Dass ausgerechnet bei ihm das nun filmisch eigentlich ohnehin ziemlich ausgelutschte Sujet vertrackter Drogenkriege nahe der mexikanischen Grenze unter Räuberpistolenbeschuss gerät, mag die Häme bereits zu einem Großteil erklären.
Sein Drehbuch unterscheidet sich im grob konturierten Machismus der Männer und den ziemlich einfältigen postmodernen Femme Fatales, in der dutzendfach gesehenen moralischen Verstrickung guter und böser Figuren im Arschlochgewerbe und auch in den pointierten, arg genreverpflichteten Härten tatsächlich wenig vom üblichen Tarantino-Ripoff anno 1996. Schlimmer noch, hat Cormac McCarthy dem (Kino-)Spiel der Drogenkartelle, Aushilfsgangster und gerissenen Anwälte nichts hinzuzufügen außer redeschwallartig aufgeblasene Dialoge, deren bedeutsames Getue bestenfalls unfreiwillig komisch anmutet, schlimmstenfalls aber droht, ihren Verfasser literarisch im debilen Endstadium verorten zu müssen.
Die bisherige Unumstößlichkeit des poetischen Genies Cormac McCarthy ist mit The Counselor also mindestens zur Überprüfung freigegeben, und kaum mehr als die Enttäuschung über dessen (eigentlich ja lediglich selbstverliebtes, erstaunlich grundbanales) Drehbuch hat den größten Anteil am Pikiertheitsecho der Filmkritik. Wären da nicht noch zwei, drei, vier weitere Namen, die „ihr Vertrauen in das verrottete Material“ steckten.