The Green Inferno – Eine Komödie. Mit Kannibalen.

03.03.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Neu im Heimkino: The Green Inferno von Eli RothConstantin Film
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Im vergnüglichen Splatterfilm The Green Inferno lässt Eli Roth aktivistische Studenten auf Ureinwohner des Amazonas-Regenwaldes treffen, die sich für deren politischen Tatendrang herzlich wenig interessieren. Zu sehen ab sofort auf DVD, Blu-ray und VOD.

Einen Retweet von CNN – mehr braucht es nicht, um die hier allzu gefallsüchtigen Kämpfer für Menschenrechte in Jubel ausbrechen zu lassen. Hochdramatisch haben sich Alejandro (Ariel Levy) und seine Mitstreiter vom "Activist Change Team" an Baukräne gekettet. Sie filmen das brutale Abholzen des Amazonas-Regenwaldes, die bedrohlichen Schergen eines skrupellosen Konzerns und den Lebensraumverlust der indigenen Bevölkerung. Als großen Erfolg feiert Alejandro die medienwirksame Aktion, deren live ins Internet übertragene Bilder schnell viral gehen. Dass Justine (Lorenza Izzo), dem neuesten und noch unerfahrenen Mitglied der Gruppe, dafür eine geladene Waffe an den Kopf gehalten wurde, verbucht er unter Berufsrisiko – sie hätte wissen müssen, worauf sie sich einlassen. Ihrem cause müssten die vom Uni-Campus in den peruanischen Regenwald aufgebrochenen Aktivisten notfalls auch gegenseitige Empathien opfern, sagt er. Es gehe ums große Ganze, nicht um individuelle Befindlichkeiten.

Diese Diskrepanz zwischen aktivistischem Anspruch, Menschenleben retten zu wollen, und der offenkundigen Unfähigkeit, sich selbst einigermaßen menschlich zu verhalten, bereitet The Green Inferno spürbar Freude. Der Film stellt seine Figuren schon lustvoll aus, bevor er sie überhaupt eingeführt hat (die ersten zweideutigen Blicke von Alejandro genügen, um ihn als schmieriges Arschloch identifizieren zu können), und lässt es sich dennoch nicht nehmen, sie weiter und weiter zu entblößen. Im Kontext des Kannibalenfilms italienischer Prägung, dem Regisseur Eli Roth hier eine persönliche Ehrerbietung erweist, muss man das freilich wörtlich nehmen: Jene Hände, die sich seine bigotten Rich Kids fleißig desinfizieren, um mit der Welt, die sie zu retten vorgeben, keineswegs allzu sehr in Berührung zu kommen, werden bald säuberlich abgetrennt. Die vom weißen Aktivismus vollkommen unbeeindruckten Dorfbewohner sehen in Alejandro und Gefolgschaft nämlich nichts weiter als eine leckere Mahlzeit.

Gutgelaunte Kannibalen: Identifikationsangebote macht Eli Roth in beide Richtungen.

Erst also verlieren die Weltverbesserer ihre Würde, dann kullern die Köpfe. Sie haben natürlich nicht bedacht (und vermutlich auch gar nicht bedenken wollen), dass ihr symbolpolitischer PR-Stunt für mehr kritisches Bewusstsein seinerseits invasive Züge trägt – für Eli Roth ein willkommener Anlass, um da weiterzumachen, wo sein hinreißend fieser Hostel: Part II aufhörte: Beim mehr oder weniger selbst verschuldeten Verderben schöner junger Menschen. Das ist angemessen blutig in Szene gesetzt, ganz so eben, wie man es von Eli Roth und seiner Vorliebe für Bilder körperlichen Verfalls (Cabin Fever) und genüsslicher Sadismen (Hostel) erwarten darf. Und es ist auch schlicht sehr amüsant: Konsequent werden die um augenzwinkernde Schlusspointen ergänzten Plots seiner Filme und deren kulturfremde, zumindest aber rundum ignorante Protagonisten mit der sinistren Logik des Splatterkinos konfrontiert – einem unausweichlichen Exzess, der auf schuldige Art Vergnügen statt anständiges Mitleid evoziert.

Vielleicht ist The Green Inferno nicht zynischer, sondern aufrichtiger als andere Filme des Genres. Eli Roth macht die voyeuristische Bildstruktur seiner Geschichte sichtbar (in einen Käfig gepfercht müssen die Aktivisten das Menschenfresser-Ritual aus nächster Nähe beobachten), und behauptet gar nicht erst, etwas anderes als Verachtung für seine vermeintlichen Helden zu empfinden ("They're just posers looking like they care", kommentiert eine Studentin den anfänglichen Hungerstreik von Alejandro und Gefolgschaft). Selbst Justine, die zunächst einzige nicht komplett unerträgliche Figur des Films, wird mit eher zweifelhaften Motiven nach Peru geschickt: Gutes tun möchte die Tochter eins UN-Anwalts (Richard Burgi) allein deshalb, weil Wohlstand ihr ein schlechtes Gewissen bereitet. Sie wird sich mit einer antiimperialistischen Lüge aus dem Film verabschieden, die ihn vor allem für ein Publikum empfiehlt, das noch hinter jedem umwelt- und sozialpolitischen Engagement Verschwörungstheorien vermutet.

Kulturelle Zwangsaneignung: Justine (Lorenza Izzo) als "weiße Göttin der Kannibalen".

Nicht zuletzt dadurch ist Eli Roths Hommage an diese sehr besondere Un(ter)art des Exploitation-Kinos mehr als eine wehmütige Geste. Sein wesentlichstes Vorbild, der berühmt berüchtigte Nackt und zerfleischt, erzählte von sensationsgeilen TV-Reportern, die im Amazonas-Regenwald eine Dokumentation namens The Green Inferno produzieren wollen und ihre Vergehen an Schildkröten wie Ureinwohnern mit dem Leben bezahlen müssen. Hinter der bis heute beispiellosen und ganz und gar nicht vergnüglichen Härte dieses hierzulande noch immer unter Verschluss gehaltenen Genreklassikers bleibt Eli Roth zwar insbesondere ästhetisch weit zurück. Doch bringt er die in vergleichbaren Filmen allenfalls behauptete Zivilisationskritik dafür ungleich süffisanter – und sogar ganz ohne genreüblichen Tiersnuff – zum Ausdruck. Man könnte auch sagen: The Green Inferno ist die längst überfällige Rehabilitation des übel beleumundeten Kannibalenfilms.

The Green Inferno ist ab 3. März 2016 auf DVD, Blu-ray und über VOD erhältlich.

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