Eine steile These verbreitet Henrik Werner heute in der Welt. Für ihn sind Gespenster, Monstren, Teufel, Hexen, Zombies und künstliche Kreaturen samt und sonders psychische Dämonen, die einer beängstigenden Realität geschuldet sind. “Gerade feiert weltweit eine Horrorfigur gruselige Urständ, die man längst unwiderruflich in der Mottenkiste der traditionellen Fantastik wähnte: der Vampir, diese neben Heuschrecke, Immobilienhai und anderen Raubtieren meistverbreitete Allegorie der Weltwirtschaftskrise. Dass die von psychischem Grauen und körperlichem Bankrott kündende Gestalt des Blutsaugers in aktueller Interpretation ein Investmentbanker sein muss, pfeifen Medien und Pleitegeier dieser Tage allenthalben von den Dächern.”
In dem brillanten Buch Horror. Grundlagen des populären Films von Georg Seeßlen und Fernand Jung wird Vampirismus wie folgt beschrieben: “Vampir bedeutet, das ein Wesen einem anderen das Leben aussaugt; es schwätzt und schwätzt, es erkennt und verbraucht und schlägt sich den Bauch voll und singt.” Tja … nichts anderes machen derzeit Banker, die sich die Katastrophe nach vollbrachtem Gier-Rausch mit Bonuszahlungen versüßen. Auch wird auf Karl Marx verwiesen: “Das Kapital ist verstorbene Arbeit, die sich vampirmäßig belebt durch Entsaugung lebendiger Arbeit und um so mehr lebt, je mehr sie davon einsaugt.” Der Schluß liegt nahe: Der Vampir ist der Kapitalist per exzellence, ein Investment-Banker heute nichts anderes.
Der Blutdurst eines Vampirs kann niemals gestillt werden. Insofern ähnelt er einem Investment-Banker, den die Gier nach immer höheren Gewinnen, nach mehr und mehr Geld zu den wahnwitzigsten Aktionen treibt, fern ab von Gefühlen für jene, denen er das Geld aus der Tasche zieht. Aber hat die Autorin Stephenie Meyer von Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen daran gedacht, als sie die Vampirgeschichte schrieb? Hier sehen wir Abtrünnige, die anders leben wollen; Blutsauger, die sich den jahrhundertalten Geboten widersetzen. In dem Teenie-Vampirfilm wird mehr auf pseudo-religiöse und bigott-keusche Probleme der Zeit geblickt als auf real-ökonomische. Hier ist der Vampir eher melancholisch statt böse; Kuschel- und Blümchensex gibt es zu sehen. Ausgerechnet ein äußerst erfolgreiches Produkt des Kapitalismus versucht, den Vampir zu entschärfen. Kapitalismus-Kitik light bzw. gar nicht! Den Teenies gefällt’s.