Viggo Mortensen hat einen Western gedreht, der selbst absolute Kenner überraschen wird – jetzt läuft er im Kino

09.08.2024 - 17:11 UhrVor 8 Monaten aktualisiert
Alamode /Die FilmAgentinnen
Viggo Mortensens neuer Western läuft jetzt in den Kinos
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Zum zweiten Mal hat Herr der Ringe-Star Viggo Mortensen Regie geführt. Sein Western The Don’t Hurt läuft jetzt in den Kinos und dürfte selbst Fans des Genres überraschen.

Regisseur und Schauspieler Viggo Mortensen hinterfragt in seinem neuen Kinofilm The Dead Don’t Hurt klassische Westernplots, indem er die Frau ins Zentrum der Geschichte stellt. Bereits in der ersten Minute verdeutlicht Mortensen diesen Schritt: Er lässt die Hauptfigur (Vicky Krieps) sterben. Sie liegt unheilbar krank im Bett, ihr Lebenspartner (Viggo Mortensen) hütet ihr Sterbebett. Die Emotionen liegen ganz auf der Seite der Frau. Der Mann wird zum Beiwerk.

Viggo Mortensen inszeniert ein Liebesdrama in einem knallharten Western-Umfeld

Letztlich bettet Mortensen eine klassische Liebesgeschichte in ein von korrupten Männern dominiertes Umfeld um 1860 ein. Die emanzipierte Frankokanadierin Vivienne Le Coudy (Vicky Krieps) und der dänische Einwanderer und Einsiedler Holger Olsen (Viggo Mortensen) verlieben sich ineinander. Sie bauen sich in der Kleinstadt Elk Flats ein Leben auf. Dort sorgt der Bösewicht Weston Jeffries (Solly McLeod), angelehnt an die tyrannische Seite von Tom Dunson (John Wayne) aus dem Klassiker Red River, für Angst und Schrecken. Er nimmt sich, was er will, Regeln kennt er nicht. Das wird auch Vivienne am eigenen Leib zu spüren bekommen.

Schaut euch den Trailer für The Dead Don’t Hurt an:

The Dead Don't Hurt - Trailer 2 (Deutsch) HD
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Viele Szenen und Orte könnten einem bekannt vorkommen. Der Mann, der am Galgen baumelt, erinnert stark an Budd Boettichers Low-Budget-Western Auf eigene Faust (1959), der Saloon ist Für ein paar Dollar mehr (1965) mit Clint Eastwood nachempfunden: Gegenüber von der Bar klimpert ein Mann auf dem Klavier, eine Holztreppe führt zu ein paar Sitzplätzen. Dazwischen ist viel Platz für Schießereien, die aber größtenteils nicht stattfinden. Mortensen entscheidet sich stattdessen für aussagekräftige Bilder, die ein “danach” demonstrieren.

Gedreht wurde nicht wie bei vielen Western üblich im kalifornischen Lone Pine, sondern größtenteils in den Canyons von Durango (Mexiko). Bilder der kargen Landschaft schmückt Viggo Mortensen mit selbst komponierter, unaufgeregter Filmmusik aus Klavier, Cello und Violine. Alles passt gut zum oft zu gemächlichen Erzähltempo von The Dead Don’t Hurt.

Eine starke Frau steht im Mittelpunkt der Geschichte

Mortensens Westerndrama hebt sich klar von einem Neo-Western wie Bone Tomahawk (2016) ab, in dem die weibliche Hauptfigur (Lili Simmons) hauptsächlich dazu dient, die Handlungsstränge der männlichen Helden voranzutreiben. Demgegenüber widmet sich The Dead Don’t Hurt nicht dem Schicksal des Mannes, sondern folgt der Frau.

Während Holger Olsen in den Bürgerkrieg zieht, bleibt Vivienne Le Coudy allein in der Einöde zurück. Was in der Zwischenzeit mit Olson passiert, erfährt man nicht. Vivienne wird derweil als gebildete, starke Frau inszeniert, die neben ihrer Muttersprache (Französisch) fließend Englisch spricht. Sie kann sich in einem rauen Umfeld behaupten. Ein schönes Symbolbild: Das Fleckchen Erde, das Holger für sie angelegt hat, wächst und blüht.

Vivienne, eindrucksvoll still von Vicky Krieps gespielt, findet selbst, als alles verloren erscheint, frischen Mut, um mit der schwierigen Situation umzugehen. Von typischen Westernmotiven wie Gut und Böse, Rache und Vergebung erzählt der Regisseur anhand des Verhältnisses von Weston Jeffries zu Vicky Krieps Rolle.

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Nicht jedes Element entspricht einem typischen Western. So erscheint in der Erinnerung von Vivienne immer wieder ein Ritter im Wald, der, je älter sie wird, vor ihrem Auge immer erkennbarer wird und ihr emotional den Weg zu weisen scheint. Auch, dass die Frankokanadierin mehrere Sprachen spricht, ist eher ungewohnt. Als Heldin der Geschichte wird sie nicht inszeniert.

Die Heldin wird nicht mit einem Revolver schießen wie die knallharte Rangerin Jane (Natalie Portman) in dem Neo-Western Die Unbeugsame - Jane got a Gun (2015). Und auch keinen Kopfgeldjäger engagieren wie Emma Cullen (Haley Bennett) in Antoine Fuquas Neuauflage von Die glorreichen Sieben (2016) oder die 14-jährige Mattie Ross (Hailee Steinfeld) in Joel & Ethan Coens True Grit (2010). Vivienne lässt sich nicht von Rachegelüsten leiten. Sie ist eine Frau, die ihren Platz in der Gesellschaft entgegen aller Widerstände verteidigt. In Freundschaft und Liebe findet sie Kraft.

Mortensen zeigt eindrucksvoll, dass selbst die Art, wie man einen Western umsetzt, nicht in Stein gemeißelt sein sollte, sondern dass man typische Heldenbilder hinterfragen sollte. Denn meistens sind gerade die, die man nicht (oft) sieht, die wahren Held:innen.

The Dead Don’t Hurt läuft seit dem 8. August 2024 in den deutschen Kinos.

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