Den edlen Indianer-Häuptling Winnetou hat Pierre Brice nie hinter sich gelassen. „Das Wichtigste für einen Schauspieler ist der Erfolg", meinte der 1929 in der Bretagne geborene Schauspieler vor ein paar Jahren, "und mit Winnetou hatte ich den über eine sehr, sehr lange Zeit." In elf Kinofilmen spielte der Franzose zwischen 1962 und 1968 den fiktiven Helden aus der Feder des Schriftstellers Karl May. Noch Jahre später gab er ihn in TV-Dokumentationen und auf Freilichtbühnen. Winnetou überschattete die Arbeit von Pierre Brice. "Manchmal denke ich, dass Winnetou meine Karriere ruiniert hat", zitierte ihn die Bunte. Gestern ist Pierre Brice an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben.
Der Sohn eines Marineoffiziers betrachtete sich als Patriot. Mit 15 Jahren erledigte Pierre Brice während des Zweiten Weltkriegs Botengänge für die Untergrundbewegung Résistance, später meldete er sich freiwillig als Soldat für den Indochinakrieg im heutigen Vietnam und diente als Fallschirmspringer der Franzosen in Algerien. Nachdem Frankreich seine kolonialen Felle wegschwimmen sah, nahm Pierre Brice Schauspielunterricht, arbeitete als Model und wurde 1962 entdeckt. Nicht in seiner Heimat, wohlgemerkt, wo er mit Damiano Damiani und Marcel Carné gearbeitet hatte. Dort ließ der Durchbruch auf sich warten. Stattdessen zog er am Rande der Internationalen Filmfestspiele von Berlin die Aufmerksamkeit des Produzenten Horst Wendlandt auf sich. Wendlandt bildete neben Artur Brauner die Speerspitze eines deutschen Unterhaltungskinos, das sich in den 60er Jahren vom Heimatfilm ab- und internationalen Vorbildern zuwandte. Spezifisch Deutsch blieben Wendlandts Edgar Wallace-Filme jedoch ebenso wie seine Western. Die kamen wie der Italowestern zu einer Zeit auf, als das Genre in seinem Heimatland an Popularität verlor.
Mit Der Schatz im Silbersee war Pierre Brice 1962 neben Old Shatterhand Lex Barker zum ersten Mal in einer Karl May-Verfilmung zu sehen. In seinem erhabenen Apachen Winnetou bündelten sich eine Exotik und Fernweh, die das deutsche Kino dieser Jahre im Unterschied zur provinziellen Nabelschau der 50er ausmachte. Der edle Krieger, der in der Blutsbrüderschaft traditionelle Grenzen überschreitet und gegen gierige Banditen vorgeht, drückte wohl mehr über die Sehnsüchte der deutschen Kinozuschauer aus, als über das verdächtig nach Jugoslawien aussehende Amerika. Und vielleicht verriet er auch etwas über das Selbstbild des konservativen Pierre Brice, der später als UNICEF-Botschafter aktiv war und zum Ritter der Ehrenlegion geschlagen wurde.
Da war es kein Wunder, dass erzürnte Zuschauer Wendlandt mit Briefen überschütteten, als der Apache in Winnetou III 1965 aus dem Leben schied. Winnetou dürfe nicht sterben und er tat es auch nicht. Pierre Brice arbeitete nach dem Ende der Reihe als Sänger, im Theater und in Fernsehserien wie Das Traumschiff. Doch dank seines Engagements bei den Karl May-Festspielen in Elspe und Bad Segeberg überdauerte Winnetou, der "Lieblingsindianer der Deutschen", die Jahrzehnte.
Wie Spiegel Online berichtet, ist Pierre Brice gestern nach einem Fieber an den Folgen einer Lungenentzündung nahe Paris gestorben. Er wurde 86 Jahre alt.