Wir schauen Hannibal - Staffel 3, Folge 8

27.07.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
The Great Red Dragon
NBC
The Great Red Dragon
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Hannibal wagt nach einer halben Staffel einen kompletten Neustart und wir fühlen uns wie in die erste Staffel versetzt: Ein neuer Killer taucht auf und ermordet Familien bei Vollmond. Will kehrt zum FBI zurück und braucht Hannibals Hilfe. Alles beim Alten also.

Wie erwartet macht Hannibal ohne große Erklärung einen Zeitsprung von ganzen drei Jahren und eröffnet in The Great Red Dragon direkt die Geschichte von Francis Dolarhyde, eine Storyline, mit der Thomas Harris vor über dreißig Jahren sein großes Hannibal Lecter-Universum begann. Dieser Zeitsprung und der damit einhergehende Neustart der Serie erinnert in seiner Konzeption ganz an das Case of the week-Prinzip der ersten Staffel, was nicht nur eine sehr angenehme Abwechslung nach den verstörenden Turbulenzen der letzten Wochen ist, sondern auch ein vielversprechender Auftakt für eine klassische Kriminalgeschichte im nicht ganz so klassischen Gewand der Hannibal-Vision von Bryan Fuller.

Jack (Laurence Fishburne) sucht WIll (Hugh Dancy) auf, um ihn um seine Mitarbeit in einem neuen Mordfall zu bitten. Eine vertraute Szene, doch seit dem Beginn der Zusammenarbeit in Staffel eins ist jede Menge passiert und vor allem Jack scheinen die Geschehnisse abgestumpft zu haben. Zwar verspricht er Wills Frau Molly (Nina Arianda), dass er alles tun werde, um Will so gut es geht zu schonen, vollständig aufrichtig wirkt das jedoch nicht. Unverständlich ist das nicht, nicht nur wegen der Vergangenheit mit Hannibal, sondern auch, weil Jack seit dem Tod seiner Frau wohl außer dem FBI kaum noch etwas hat, sodass er sich vollständig dem Gesetz verschreibt. Das geht sogar so weit, dass er Will mit den billigsten Tricks überzeugen will und ihm Fotos der ermordeten Familie zeigt. Übrigens wirkt Jack vor allem später im Gespräch mit Molly sehr routiniert darin, Leuten Bilder von mittlerweile ermordeten Familien zu zeigen, um sie von seiner Meinung zu überzeugen. In diesem Fall klappt das natürlich, da Will sich ja in einer ähnlichen familiären Situation befindet und somit ein leichtes Opfer für Jack ist. Die Unterstützung seiner Frau hat er und so begibt sich Will zurück in ein FBI-Team, um dem neuen Killer auf die Schliche zu kommen.

Dieser neue Killer ist Francis Dolarhyde (Richard Armitage) und er tötet ganze Familien bei Vollmond. Er ist auch deshalb so spannend für die Serie, weil er so ein krasser Gegensatz zu Hannibal (Mads Mikkelsen) ist. Auf der einen Seite haben seine Morde nichts mit der Kunstfertigkeit von Hannibal zu tun, er tötet seine Opfer mit einer Schusswaffe oder einem Messer. "He lacks your love of presentation", fasst es Dr. Chilton (Raúl Esparza) in seinem Dinner mit Hannibal zusammen. Das allgemein mangelhafte Ästhetik-Verständnis von Francis ist allerdings auch nur eine Form seiner rhetorischen Unfähigkeit, die sicherlich ihren Teil zu seinem jetzigen Zustand beigetragen hat. Er steht vor dem Spiegel und probt das Sprechen, doch scheitert er kläglich und frustriert. Seine sprachlichen Probleme sind womöglich ein noch größerer Faktor für seine soziale Isolation als seine entstellte Oberlippe. Sie lässt ihn (in seinen Augen) wie ein Monster aussehen und seine artikulatorischen Fehlschläge tun ihr Übriges, um Francis das Gefühl zu geben, ein gesellschaftlicher Freak zu sein, eine Laune der Natur, der nichts anderes übrig bleibt, als aufzuhören Mensch zu sein und sich stattdessen buchstäblich in ein Ungetüm zu verwandeln.

Damit hat Hannibal natürlich überhaupt nichts zu tun. Schließlich ist er das Epitom des guten Geschmacks, Mode-Mogul (sogar der Gefängnisanzug sieht gut an ihm aus) und Meister der Rhetorik. Kein Wunder, dass seine Augen während des Gesprächs mit Dr. Chilton immer eine Spur Neid und ein gekränktes Ego zum Ausdruck bringen. Immerhin macht ihm dieser plumpe Killer gerade gewissermaßen den Platz streitig - nicht einmal Chiltons neues Buch wird von Hannibal handeln, sondern von der "Tooth Fairy". Denn, wie Chilton schnippisch und herrlich genüsslich anmerkt, "folks are a bit more interested in him. [Tooth Fairy] is not as snappy as Hannibal the Cannibal, but he has a much wider demographic than you do. You, with your fancy allusions, your fuzzy aesthetics, you'll always have niche appeal. But this fellow, there is something so universal about what he does." Dieser Kommentar ist natürlich auch gleichzeitig eine humoristische Selbstreflexion der gesamten Serie, die genau aus den oben genannten Gründen lediglich eine Nische bedient und von NBC abgesetzt wurde. Hannibal hört sich Chiltons Sticheleien stillschweigend an, doch so richtig gut findet er das offensichtlich nicht.

Dafür scheint er jedoch mit seiner neuen Umgebung sehr gut klar zu kommen. Ob seine Zelle wirklich dermaßen schick aussieht, lässt diese Episode im Unklaren. Sie könnte genauso gut lediglich in seiner Vorstellung so aussehen, immerhin sieht er sich selbst auch mit Alana (Caroline Dhavernas) zusammen an einem Tisch, mit einem Gläschen Weißwein in der Hand. Die scheint sich übrigens in den letzten drei Jahren kaum geändert zu haben und bleibt wohl für immer die bis zum Abwinken coole, eiskalte Alana, die sich über die Jahre scheinbar noch mehr von Hannibals Geschmack hat inspirieren lassen und nun nur den allerbesten Wein und die allerfeinste Kleidung trägt. Auch sie genießt die neue Position, die sie Hannibal gegenüber hat, doch wirklich sicher kann sie sich nicht fühlen. Hannibal betont zum wiederholten Male, dass er seine Versprechen immer einhält und spielt damit auf den Umstand an, dass er Alana schon lange töten wollte und immer noch vor hat, das nachzuholen.

Vielleicht beruhigt er sich ja nach dem Wiedersehen mit Will. Der konnte den Ablauf der Morde zwar wie gewohnt detailgetreu nachstellen (übrigens sind diese Morde in ihrer banalen Schlichtheit ebenso ungewohnt wie verstörend und stehen damit ihren "kunstvollen" Kollegen dieser Serie in Nichts nach), doch der Schlüssel zu Francis Dolarhydes Gedankenwelt, der fehlt ihm noch. Hannibal sollte nicht allzu viel gegen seine Involviertheit in den Fall haben, immerhin hat er sich extra einsperren lassen, damit Will ihn jederzeit finden kann. Und außerdem ist Francis Dolarhyde offenbar ein ganz großer Fan von Hannibals Arbeit.

"Congratulations, Hannibal. You're officially insane."

Notizen am Rande:

- Das Design von Hannibals Zelle ist laut Bryan Fuller eine Hommage  an Stanley Kubrick.

- Natürlich interessiert sich Will nur für die Hunde der ermordeten Familie.

- Es ist schön, dass jetzt, wo alle Karten auf dem Tisch liegen, Hannibals Opfer mit ihm offen über ihre gemeinsamen Erlebnisse sprechen können. Alana trinkt kein Bier mehr und Chilton fragt, woher denn das Blut in seinem Essen bei ihrer letzten Begegnung kam: "The blood was from a cow... only in a derogatory sense."

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