Boxhagener Platz ist der neue Film des deutschen Regisseurs Matti Geschonneck. Dieser inszenierte bisher vor allem TV-Produktionen, realisierte mit Boxhagener Platz jetzt allerdings eine Kriminalkomödie fürs Kino. Der Film, der auf der Berlinale Premiere feierte, wurde von den Kritikern durchgängig positiv aufgenommen (wir berichteten). Frei von “Ostalgie” erzählt der Film von den Erlebnissen von Oma Otti (Gudrun Ritter) und ihrem Enkel Holger (Samuel Schneider) im Ostberlin des Jahres 1968. Er basiert auf dem gleichnamigen Debütroman von Torsten Schulz, der diesen auch für die Leinwand adaptierte.
Was als Ostberliner Milieustudie anfängt, entwickelt sich bald zum Abgesang auf die Arbeiterklasse, stellt Christian Buß vom Spiegel fest. “Statt einem peppigen Erinnerungs-Musical wird hier eher eine Elegie aufs Sterben des Proletariats geboten. Hier bäumen sich noch einmal alte Spartakisten auf; hier erheben sich dahinsiechende Malocher von ihrem Totenbetten, um letzte Schlachten zu schlagen. Nützt natürlich alles nichts. Das Sagen haben auch am Boxhagener Platz längst die adretten Beamten der Staatssicherheit, die den lautstark auftretenden Kiezkumpels mit ausgesuchter, gelegentlich auch schmerzvoll praktizierter Höflichkeit ihren Platz im neuen Sozialismus zuweisen.”
Nostalgie und Lokalpatriotismus sind die Zutaten für diesen Kiez-Schwank, meint Philipp Bühler in der Berliner Zeitung. "Der vielfach ausgezeichnete Fernsehregisseur Matti Geschonneck trifft den richtigen Ton, das ist gar keine Frage. Zur flotten Überzeichnung oder gar zur Ostalgie scheint er geradezu unfähig. Interessant ist diese Liebeserklärung an einen Kiez aber vielmehr als schönes Stück vergessener Alltagsgeschichte. Gezeigt werden die frühmittleren Jahre der DDR als jene Zeit, in der es noch “Alt-Nazis” gab wie im Westen und die wuchtigen Vorkriegsmöbel noch nicht durch Plaste und Sperrholz ersetzt waren."
Boxhagener Platz punktet mit dem, was Kirsten Riesselmann von der taz "angesichts des Untertitels “Ein Berliner Heimatfilm” in Angstlust erwartet: Zeitkolorit, Berliner Originale, Berliner Schnauze, die komödiantische Exploitation des Milljöh-Charakters. In dieser Hinsicht hat Boxhagener Platz tatsächlich einiges zu bieten. … Aber hauptsächlich: die wirklich trefflich sitzenden Dialoge. Die notorische Meret Becker, die schlecht gelaunt in der Rolle von Holgers Mutter überzeugt. Und natürlich Gudrun Ritter, von der man schlichtweg nicht genug kriegt, wie sie als Otti in Filzpantoffeln männerweise und alltagsklug durch ihr gar nicht so graues DDR-Leben wieselt."
Daniel Kothenschulte von der Frankfurter Rundschau ist begeistert. “Die Stimmung von Boxhagener Platz ist morbid, aber eine schwarze Komödie ist es dennoch nicht. Es ist ein ganz und gar ungewöhnlicher Film über die DDR, fern jeder Ostalgie und dennoch auf eine bestimmte Weise warmherzig, die man früher volkstümlich genannt hätte. Und doch trifft er die Stimmung aus Unfreiheit und sentimentaler Sehnsucht besser als all seine Vorgänger im Genre des deutschen Erinnerungsfilms … Tatsächlich ist dies ein Film, der sehr geschäftig von der Stagnation erzählt. Und der – ohne die große Orchestrierung von Das Leben der Anderen – von der unterschwelligen Angst erzählt, die hinter dieser Lähmung stand. Ein wahrlich staatstragendes Gefühl.”