Your Name, Shinkai und die Suche nach dem nächsten Miyazaki

08.01.2018 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Your Name/Logo von Studio GhibliUniversum/Studio Ghibli
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Mit dem Erfolg seines Films Your Name wurde Makoto Shinkai zum neusten Anwärter auf den Titel des nächsten Miyazaki. Denn jeder größere Erfolg als Animeregisseur zieht sofort den Vergleich mit dem bekanntesten und wohl beliebtesten Künstler des Bereichs nach sich.

Seine deutschsprachige Veröffentlichung in dieser Woche hat fast eineinhalb Jahre auf sich warten lassen, doch Your Name. - Gestern, heute und für immer hatte den hiesigen Kinomarkt bei weitem nicht nötig, um zu einem durchschlagenden Erfolg zu werden. Makoto Shinkais unscheinbares Drama gelangte überraschend zu Einnahmen und Bekanntheit, die bisher nur wenigen Anime-Filmen vergönnt waren. Dieser Werdegang gehörte zu den größten Erfolgsgeschichten der letzten Jahre und brachte Shinkai unter Fans und Presse gleichermaßen eine der größten Auszeichnungen ein, mit der sich ein japanischer Animationsregisseur schmücken kann: Die Gleichgültigkeit gegenüber den eigenen Qualitäten, um sein Schaffen an andere Künstler zu binden.

Your Name. - Gestern, heute und für immer

Eine erfolglose Suche
Der Bezeichnung des "nächsten Miyazaki" ist ein Titel, der schon einigen Regisseuren nach ihren größeren Erfolgen aufgedrängt wurde. Hayao Miyazaki dürfte immer noch der bekannteste Name unter den Animeregisseuren sein, nicht zuletzt, da Filme wie Mein Nachbar Totoro oder Kikis kleiner Lieferservice Ende der 80er wesentlich an der Popularisierung von Animes außerhalb Japans beteiligt waren. Dass anders als bei vielen Zeitgenossen gleich mehrere seiner Filme zu großer Bekanntheit gelangten, etablierte seinen Namen nur noch weiter.

So wurde Hayao Miyazaki schließlich für Newcomer ohne eigenes Zutun zur ersten Hürde auf dem Weg zu internationaler Anerkennung. Die Frage seiner Nachfolge beschränkte sich zunächst auf Regisseure innerhalb Studio Ghiblis. Yoshifumi Kondo wurde seinerzeit von Miyazaki selbst zum Nachfolger bestimmt, doch wenige Jahre nach seinem Regiedebüt Stimme des Herzens - Whisper of the Heart wurde mit seinem frühzeitigen Tod eine vielversprechende Karriere  auf tragische Weise verkürzt. Für Goro Miyazaki hätte der Titel des nächsten Miyazaki als Sohn des Großmeisters am ehesten gepasst, jedoch spezialisierte er sich von Anfang an auf eine andere Tätigkeit und lehnt selbst mit seiner Arbeit im Bereich Animation die Nachfolge seines Vaters  klar ab.

Stimme des Herzens - Whisper of the Heart

Seitdem folgten zwei weitere Anwärter. Die Verbindung  zwischen Miyazaki und Satoshi Kon war von Anfang an wackelig, lädt seine Arbeit doch eher zum Vergleich mit David Lynch oder Darren Aronofsky ein (auch wenn der Umkehrfall  bei Letzterem eher angebracht wäre). Mamoru Hosoda wäre mit seinem Werdegang von der Arbeit an großen Franchises wie Digimon und One Piece zu eigenen Projekten wie Summer Wars oder Ame & Yuki - Die Wolfskinder wohl am ehesten mit Miyazaki vergleichbar, doch wo die Anerkennung von Seiten der Fans und Kritiker mit Ghibli mithalten kann, blieb ein entsprechender finanzieller Erfolg aus.

Der nächste nächste Miyazaki
Dieser Erfolg fand sich dann schließlich in Your Name, durch den Makoto Shinkai zum neusten Anwärter auf den von ihm nicht besonders begehrten Titel  wurde. Ein leicht zugänglicher Publikums- und Kritikerliebling, der sich den Rekord des weltweit erfolgreichsten japanischen Animationsfilms sicherte. In dieser Hinsicht weist die Karriere der beiden durchaus Parallelen auf, in Anbetracht ihrer eigentlichen Stile wirkt der Vergleich, so wohlwollend er ohne Frage gemeint ist, aber immer sehr reduktiv.

Mit Hayao Miyazakis Hang zu Abenteuerfilmen und Shinkais Vorliebe für Slice of Life (zumindest in seinen bekannteren Werken), den historisch geprägten Fantasywelten der einen und den zeitgenössischen kommunalen Verhältnissen der anderen Filmografie sowie dem unterschiedlichen Vorgehen bei Charakteranimation und Gestaltung der Hintergründe bleiben eher wenige Gemeinsamkeiten übrig. Ihre Filme sind animiert, persönlich und international erfolgreich, das war's dann jedoch auch schon. Der wohlwollende Vergleich mit Miyazaki mag ganz nützlich sein, da sein Name selbst unter Filmkennern ohne viel Erfahrung mit der Anime-Nische bekannt sein dürfte, und spätestens bei seinem endgültigen Ruhestand will sichergestellt sein, dass jemand seinen Platz einnimmt. Aber die eigentlichen stilistischen Merkmale eines Künstlers werden bei der Gleichstellung zu sehr außer Acht gelassen, und überhaupt ist sie durch ihr beinahe garantiertes Auftauchen bei neuen Erfolgen zu einem unangenehmen Klischee verkommen. Selbst Filme oder Serien, die explizit als Alternative  zum Ghibli-Katalog beworben  werden, werden immer noch an dem Studio gemessen. Denn aus dem Schatten Ghiblis gibt es anscheinend kein Entkommen.

Chihiros Reise ins Zauberland

Ist das denn ein großes Problem? Sicher nicht, doch es ist immer irgendwie schade, wenn ein Künstler nicht anhand seiner eigenen Arbeit, sondern durch suboptimale Vergleiche vorgestellt wird. Vergleiche, die schon seit Jahren ein und denselben Bezugspunkt haben. Aber wer weiß, vielleicht schafft es in den nächsten Jahren doch jemand aus Hayao Miyazakis Schatten, und ein neu am Animationshimmel aufgehender Stern wird als nächster Shinkai oder Hosoda betitelt. Miyazaki wurde ja schließlich einst selbst als japanischer Walt Disney gehandelt, bis er diesen Titel abschütteln konnte und sich zum Maßstab für jeden aufsteigenden Anime-Regisseur entwickelte. Genau das könnte der Grund sein, dass die Suche bisher ohne Erfolg verlief: Der nächste Miyazaki hat sich erst dann gefunden, wenn es nicht mehr als nötig erachtet wird, ihn als solchen zu behandeln.

Glaubt ihr, Shinkai wird zu ähnlicher Prominenz gelangen wie Miyazaki?

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