Battlestar Galactica als Spiegel des Zeitgeschehens

29.03.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Gaius Baltar? Absichtlich verdeckt. Apollo? Pech gehabt.
moviepilot/Syfy
Gaius Baltar? Absichtlich verdeckt. Apollo? Pech gehabt.
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Der Kommentar der Woche beweist, dass Popkultur mehr sein kann als Pop und dass Kultur immer auch von ihrer Zeit geprägt wird – alles anhand eines der besten Remakes und einer der besten Sci-Fi-Serien der letzten Jahre: Battlestar Galactica.

Jede Woche schicken wir euch auf die Reise in die neue Welt eines der zahlreichen Kommentare auf moviepilot – die Voraussetzungen dafür kann theoretisch jeder Kommentar in der moviepilot-Welt erfüllen: sei es ein Kommentar, der es verdient hätte, jede Apokalypse zu überleben, zu einem Film oder einer News; die Würdigung eines Schauspielers, dessen Darstellung von einem echten Menschen nicht zu unterscheiden ist; oder zu einer Serie, der man nur noch entgegenschleudern möchte: “I will end you!” Wenn ihr zufällig über einen würdigen Kommentar gestolpert seid, sagt uns Bescheid, am besten, indem ihr uns eine Nachricht schreibt.

Der Kommentar der Woche
Wie lohnend es sein kann, einmal einen Blick unter die Oberfläche eines Films oder einer Serie zu werfen, beweist uns heute Mimuschka mit einer beeindruckenden Analyse der politischen Entwicklungen in Battlestar Galactica auf Basis der eigenen Seminararbeit:


Die Serie Battlestar Galactica als Spiegel des Zeitgeschehens


Populärkultur und Politik sind eng miteinander verbunden. Sie können nicht als komplett eigenständige und voneinander isolierte Sphären betrachtet werden, beide sind verwurzelt in den Praktiken und dem Verständnis des jeweils anderen. Es erscheint somit sinnvoll, zum besseren Verständnis von politischen Zusammenhängen und Problemfeldern auch die Populärkultur zu untersuchen. In den heutigen modernen Gesellschaften, die vorrangig visuell geprägte Kulturen sind, erscheinen hierfür Filme als Ausdruck und Bestandteil einer jeweiligen Politischen Kultur besonders geeignet. Der erhöhte Stellenwert des Films im Vergleich zu anderen Medien zeigt sich darin, dass Filme als erzählende Kommunikationsgattung in ästhetisch verdichteter Form ganze politische Ontologien zu inszenieren vermögen, und zwar gleich auf mehreren Zeichenebenen – visuell, sprachlich und akustisch-musikalisch.
Gleiches gilt natürlich auch für Serien und dort vor allem für die neueren amerikanischen Primetime-Serien, deren kulturelle Bedeutung in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Dies ist primär darin begründet, dass das narrative Prinzip der Serialität viel mehr Raum bietet, die Komplexität einer als postmodern empfundenen Gegenwart adäquat darzustellen als beispielsweise ein zweistündiger Kinofilm dies zu leisten vermag. Politische Problemstellungen können so ausführlicher dargestellt und von mehreren Seiten beleuchtet werden.
Im Folgenden soll dargelegt werden, warum sich die Serie Battlestar Galactica für eine Analyse aktueller politischer Themen besonders eignet, obwohl sie angesichts ihres Settings auf den ersten Blick nichts mit der realen, heutigen Welt zu tun hat. Aber es wird sich zeigen, dass sie soziale, religiöse und moralische Probleme bearbeitet, die heutzutage nur allzu gut bekannt sind, und unter anderem starke Parallelen zu den Fragen bestehen, welche im Rahmen von 9/11 und den folgenden Militäroperationen in Afghanistan und im Irak aufgeworfen wurden.


2. Battlestar Galactica als “Naturalistic Science Fiction”


Battlestar Galactica ist ein Quasi-Remake der von Glen A. Larson Ende der 70er Jahre entwickelten Serie gleichen Namens, das seinen Vorgänger allerdings an Umfang und Komplexität weit überschreitet und sich sogar so stark von diesem unterscheidet, dass Macher und Sender sich noch vor den Dreharbeiten auf eine Abwandlung des Remake-Begriffs einigten und von einem re-imagining sprachen. Ausgestrahlt wurde sie von 2003 bis 2009 auf der kleinen NBCUniversal-Kabeltocher Sci Fi Channel (seit 2009: SyFy) und war dessen bis dahin teuerstes Projekt, welches – eigentlich nach der Pilot-Miniserie schon gecancelt – nur durch Unterstützung des britischen Pay-TV-Kanals Sky 1 weiterproduziert werden konnte.
Die Story konzentriert sich auf eine Raumschiffsflotte mit den letzten 50000 Überlebenden der menschlichen Zivilisation, welche sich in einer entfernten Galaxie auf der Flucht vor den Cylons befindet. Cylons sind kybernetische Organismen – von den Menschen einst selbst als Arbeitsmaschinen angefertigt – die sich gegen ihre Erschaffer gewendet haben. Vierzig Jahre vor Einsetzen der Handlung war bereits ein langer Krieg zwischen Cylons und Menschen durch ein Friedensabkommen beendet worden, was zu einem Rückzug der Cylons in einen anderen Bereich der Galaxie führte. Dort haben sie sich so weit entwickelt, dass sie dazu imstande sind, die menschliche Gestalt fast ununterscheidbar zu imitieren und somit „Schläfer" unter den Menschen einzusetzen. Dies ermöglicht ihnen in einer unerwarteten Rückkehr die Auslöschung der zwölf Kolonien von Kobol, Heimstätte der Menschheit, in einem koordinierten Nuklearschlag. Unter Commander William Adama, dem ranghöchsten Offizier und Kommandanten des letzten großen militärischen Kampfschiffs, der Battlestar Galactica, und der Präsidentin der Zivilregierung, Laura Roslin, macht sich die sonst nur aus kleineren zivilen Schiffen bestehende koloniale Flotte auf die Suche nach einem mythischen Planeten namens Erde, während sie konstanten Angriffen der weit überlegenen Streitkräfte der Cylons und der permanenten Gefahr durch „Schläfer" in den eigenen Reihen ausgesetzt ist.
Diese auf den ersten Blick relativ gewöhnliche Science-Fiction-Handlung ist nun Ausgangspunkt, um den Zustand Amerikas nach dem 11. September mit Hilfe einer Science-Fiction-Allegorie regelrecht zu sezieren. Im Laufe der Serie werden nämlich politisch hochrelevante Themen, wie beispielsweise die Infiltration durch Terroristen oder die Rechtmäßigkeit von Folter aufgegriffen. Weiterhin adressieren einzelne Episoden eine Reihe von philosophischen und politischen Problemstellungen, die in aktuellen internationalen Debatten von zentraler Wichtigkeit sind. Dazu gehören unter anderem die Fragen nach der Legitimität einer Militärregierung, taktischen Erwägungen zum Völkermord, sexueller Gewalt an Kriegsgegnern, Wahlfälschung, Pressefreiheit oder gar philosophischen Erwägungen zur künstlichen Intelligenz, einschließlich der Kategorie des Menschseins an sich.
Auf visueller Ebene mutet die Serie fast dokumentarisch an, da in den meisten Fällen mit einer Handkamera im Cinema-verité-Stil und pragmatischer Lichtsetzung gearbeitet wird. Auf genau austarierte establishing shots wird genauso verzichtet, wie auf saubere Kadrierung oder präzise Mise-en-Scène. Das Set Design ist funktional reduziert und die koloniale Technologie relativ realistisch. Es gibt beispielsweise keine Replikatoren oder Beamer, Kommunikation erfolgt analog und anstatt futuristischer Waffen wie Phaser werden gewöhnliche Waffen mit ballistischer Munition benutzt. Ein weiterer Unterschied ist die Abwesenheit von außerirdischem Leben und die Darstellung des Weltalls als weiten, leeren und lebensfeindlichen Ort mit düsteren und unwirtlichen Planeten. Produzent Ronald D. Moore nennt diesen Ansatz „Naturalistic Science Fiction", welche sich weiterhin dadurch auszeichnet, dass das Genre weg von Abenteuergeschichten und mehr in Richtung Drama bewegt wird. Somit fehlen auch eindimensionale Charakterisierungen von Protagonist_Innen oder einfache Gut-oder-Böse Schemata.

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