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Die Vor- und Verführung der Irene Adler

14.10.2014 - 12:00 Uhr
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BBC
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Beim Schlagwort „Lieblingsszene“ fällt mir sofort die eine ein. Ja genau, die eine Szene aus der ersten Episode der 2. Staffel des britischen Serienwunders Sherlock. Die eine Szene die – wie drücke ich es am besten aus ohne schmalzig zu klingen – die meine Sicht auf das schier unendliche Talent des Hauptdarstellers Benedict Cumberbatch für immer verändert hat.

Zu Jahresbeginn 2013 hatte ich mich endlich dazu aufgerafft „Sherlock“ von meiner „must-watch“-Liste zu streichen. 6 Folgen lagen vor mir. Ich war schon gespannt, ob die Lobpreisungen der Serie gerecht werden würden. Bei manchen Serien wie „Breaking Bad“ war ich bereits nach der ersten Folge gefesselt und wusste, nie wieder damit aufhören zu können. Bei „Sherlock“ dauerte dies wohl keine 10 Minuten. Ich war auf ein Juwel der Fernsehgeschichte gestoßen. Ich war fasziniert von der spannenden Handlung, den spritzigen Dialogen, dem Soundtrack, ja der Kameraführung und in erster Linie seinen gnadenlos grandiosen Darstellern. Ich freute mich, dass Martin Freeman als John Watson die gleiche Aufmerksamkeit bekam wie die Hauptfigur und somit Watson endlich mal nicht lediglich als Sidekick dargestellt wird. Sherlock selbst haute mich um. Ich sah hier nur die Figur, wer hinter ihr steht, hatte ich vollkommen vergessen: das Genie, das seine Mitmenschen mit blitzschnellen Erläuterungen um den Verstand bringt und dabei keinerlei Gefühl für diese zeigt. Also ein Arsch. Aber genialer Arsch, dem ich nicht mehr aufhören konnte zuzusehen wie er mit seiner Genialität alle vorführt. Ich konnte nicht genug davon bekommen.

Dann kam ich zu „A Scandal in Belgravia“. Während der ganzen Episode war ich überwältigt von der Anziehungskraft zwischen Sherlock und Irene Adler. Überwältigt schon allein deshalb, weil der Reiz zwischen diesen Charakteren so ungeheuer glaubhaft war. (Nie empfand ich Sherlock als äußerlich attraktiv. Die ganze Internethysterie rund um den Darsteller war mir bis dahin ein Rätsel. Eines, welches ich sogleich lösen sollte.) Irene würde sich also gerne an seinen scharfen Wangenknochen schneiden…aha?!? Die Verwirrung wurde am Ende der Folge aufgelöst. In meiner Lieblingsszene:

Die Vor- und Verführung der Irene Adler.

Wir befinden uns in Mycrofts Office. Diesem ist bewusst, dass die Informationen auf Miss Adlers Smartphone die Nation in die Knie zwingen können – und das alles nur wegen eines Fehlers von Sherlock selbst. Als Irene glaubt die Verhandlung mit Mycroft beendet zu haben, wird Sherlock klar, welches Spiel die Dame die ganze Zeit gespielt hat. Oder besser: welches sie nicht gespielt hat. Er unterbricht sie mit einem tiefen, den ganzen Raum erfüllenden „no, very very close, but no“. Allein die Kraft seiner Stimme macht deutlich, dass jenes Spiel nun vorbei ist. Als Zuseher weiß man nur noch nicht warum. Die Kamera fokussiert nur mehr die unglaublich gewaltige Körpersprache des Hauptdarstellers und das verwunderte Gesicht von Irene. Den anwesenden Mycroft hat man hier bereits vergessen. Und ist der Moment, der eine Moment, in dem Irene noch meint die Oberhand zu haben und sich über Sherlocks Anmaßung, sie hätte Gefühle für ihn, lustig macht und er sich vorlehnt und ein „no, because I took your pulse“ flüstert, dass so kräftig ist, es könnte ein Erdbeben auslösen. Es ist der eine Moment, in dem die Kamera nur mehr auf die Gesichter der beiden Katz-und-Maus-spielenden Protagonisten gerichtet ist und deren Anziehungskraft körperlich zu werden scheint. Ist der eine Moment, in dem ich aufhörte zu atmen und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte, sie fallen übereinander her und… Halt warte. Das ist immer noch Sherlock. Er fällt nicht so einfach über jemanden her, geschweige denn, naja ihr wisst schon… Und ich erinnere mich: er ist ein Arsch. Mycroft wäre übrigens ebenfalls noch im Raum.

Warum also glaubte ich für einen Augenblick, dass sich Sherlock und Irene die Kleider vom Leib reißen würden? Die Erkenntnis, die kurz darauf folgte, traf mich mit der Wucht einer Miley-Cyrus-Abrissbirne. 

In diesem einen Moment war die sexuelle Anziehungskraft von Sherlock Holmes so greifbar, dass mir heiß und kalt zugleich wurde. Ich verstand Irenes Faszination für diesen Mann. Aber warum jetzt? Weil der Darsteller es geschafft hatte, für diesen einen wichtigen Moment seiner Figur jene Anziehungskraft zu verleihen. Und das obwohl er eigentlich doch sehr merkwürdig aussieht. Hier kommt die Erkenntnis des immensen Talents des Benedict Cumberbatch. Ich hatte zuvor nur einmal erlebt, dass ein Darsteller sich komplett in seiner Figur auflöst, sein Aussehen keinerlei Bedeutung mehr hat und die Figur selbst es ist, die attraktiv geworden ist. Ich dachte, sowas nie mehr zu sehen – schön, dass ich mich geirrt habe.

Nach dieser Szene war Sherlock wieder Sherlock – ohne Anziehungskraft. Benedict Cumberbatch aber war plötzlich das größte Schauspieltalent, das ich je bewundern durfte. Ich nenne es eine Kunst, sich seines ungewöhnlichen Aussehens zu entledigen und wie ein Chamäleon in seinen Figuren aufzugehen. Die eigentliche Kunst der Schauspielerei, die nur so wenige beherrschen. Die Kunst, die ich seither in unzähligen Filmen bewundert und genossen habe. Dazu gebracht hat mich dieser eine Moment, den ich nie vergessen werde. Meine Lieblingsszene. 


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