Fantasy aus Deutschland: Lohnt sich die Neuverfilmung des Kinderklassikers Momo?

23.09.2025 - 13:20 UhrVor 1 Tag aktualisiert
Momo
Constantin Film
Momo
0
1
Momo legt das berühmte deutsche Kinderbuch von Michael Ende neu auf. Doch ist das Abenteuer unsere Zeit wert oder in seiner modernisierten Form eher Zeitdiebstahl?

1973 veröffentlichte Jim Knopf-Autor Michael Ende ein Buch über alles, was Kinder hassen: Erwachsene, die nicht zuhören. Menschen, die keine Zeit haben. Zigarrenrauch und ein farbloses Leben voller Regeln. 52 Jahre später sind diese Dinge, gegen die Heldin Momo vorgeht, nicht nur in Kinderaugen immer noch aktuell. Nur holt die Fantasy-Neuverfilmung Momo diese Themen erfolgreich in die Gegenwart?

Momo als deutscher Fantasy-Blockbuster: Was kann die Neuverfilmung?

Das Waisenmädchen Momo (Alexa Goodall) lebt in einem alten Amphitheater und wird von der ganzen Nachbarschaft geschätzt. Besonders der junge Fremdenführer Gino (Araloyin Oshunremi) und der Straßenfeger Beppo (Kim Bodnia) liegen ihr am Herzen. Momos Kontakte nehmen jedoch drastisch ab, als der internationale Gray-Konzern die Menschen zum Zeitsparen anstachelt.

In Wahrheit rauben die grau gekleideten Neuankömmlinge die Zeit jedoch für sich selbst. Deshalb beschließt Momo, mit der Hilfe der Schildkröte Kassiopeia und des Zeithüters Meister Hora (Martin Freeman), ihnen das Handwerk zu legen.

Schaut hier den Trailer zu Momo

Momo - Trailer (Deutsch) HD
Abspielen

Momo zu verfilmen, ist keine einfache Aufgabe. Wer den ersten Kinofilm von 1986 oder den Zeichentrickfilm aus dem Jahr 2001 kennt, weiß, dass schon die vorigen Adaptionen ihre Stolpersteine hatten. Die neue Momo von Christian Ditter (Vorstadtkrokodile) spannt ihre Fallstricke nur an anderer Stelle.

Alle Adaptionen eint ein Problem: Michael Ende goss in seinen Büchern häufig das Abstrakte in Worte und regte so zum Nachdenken an. In Die unendliche Geschichte gab der Schriftsteller dem "Nichts" Raum. Jim Knopf traf einen Scheinriesen. Momo sinniert über das schwer greifbare Konzept von Zeit. Wo in einem Roman der Fantasie kaum Grenzen gesetzt sind, muss ein Film notwendigerweise einen visuellen Weg einschlagen. Und leider schürft Momo trotz schöner Fantasy-Bilder nur oberflächlich am Tiefgang der Vorlage.

Momo zeigt sich voller Stars und Traumwelten

Allein der internationale Ansatz zeigt, welche Fantasy-Ambitionen Momo mitbringt: Der Film ist eine deutsche Produktion, die in Italien spielen soll, während sie in englischer Sprache in Kroatien und Slowenien gedreht wurde. Dass hier nicht alles zusammenpasst, schimmert beispielsweise durch, wenn überfällige Rechnungsbriefe in Rom den "Past due"-Stempel tragen. Hier erinnert Momo in Tonfall und Herangehensweise an europäische Fantasy-Produktionen wie Woodwalkers oder Drachenreiter, die beim übereifrigen Griff nach den Blockbuster-Sternen übers Ziel hinausschießen.

Dass die struppig-schwarzhaarige Hauptfigur der Romanvorlage in der Neuverfilmung mit Alexa Goodall eher als Rote Zora mit wilder Haarmähne daherkommt, fällt zum Glück kaum ins Gewicht. Die junge Darstellerin bringt dafür die überzeugende Ausstrahlung einer Tagträumerin mit der Superkraft des Zuhörens mit.

Bedauerlicherweise erhält über Momo hinaus der Rest der Besetzung kaum Profil. Wären Kim Bodnia als gutmütiger Straßenfeger Beppo, ein mit weißer Perücke kaum wiedererkennbarer Martin Freeman als Meister Horas mit Hobbit-Qualitäten und Claes Bang als Bösewichtboss der Zeitdiebe nicht so punktgenau besetzt, würden ihre Charaktere kaum einen Nachhall finden. Lediglich der mitgebrachte Ruf der Stars verhindert, dass ihre flachen Nebenfiguren sich wie ein Blütenblatt im Wind der Zeit auflösen. Deutsche Stars wie David Schütter als Zeiträuber gehen leider völlig unter.

Schon im Trailer präsentierte Pendel, die Zeitblumen erblühen lassen, Schildkröten mit Buchstabenpanzern und Wasserfälle, die aufwärts fließen, steuern zum Fantasy-Schauwert bei. Trotzdem wird Momo seinen unausgereiften Eindruck nie ganz los, wenn altmodische Magie mit Sci-Fi-Technologie um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen.

Statt in der klaren Fahrbahn des Fantasy-Genres zu bleiben, müssen die lieben Kleinen jetzt gleichzeitig dystopische Zukunftsvisionen verarbeiten, als wäre Paul W.S. Andersons überfrachteter Genre-Mix In the Lost Lands das neue Nonplusultra und jeder Film bräuchte einen dramatisch inszenierten Avengers: Infinity War-Höhepunkt.

Momo modernisiert: Ein Versuch, mit der Zeit zu gehen

Vorrangig offenbart Momo die eigenen Schwächen, wenn der Film seine 50 Jahre alte und doch zeitlose Vorlage in die Jetztzeit holt: Die leuchtenden Zeitspa-Armbänder namens "Graycelets" erinnern an Fitbit-Sportmonitore am Handgelenk. Statt einer seelenlosen Babypuppe erhalten Kinder nun fliegende Roboter, mit denen sie sich allein beschäftigen sollen. Digitale Kontaktlinsen erleichtern das Arbeiten überall und zu jeder Zeit. Und Momos Freund Gino träumt davon, als Social-Media-Berühmtheit durchzustarten.

All die Änderungen mögen an die Lebensrealität der Kinder von heute angelehnt sein, aber nicht jede Modernisierung lässt sich nahtlos dem Ausgangsmaterial aufdrücken. Durch konkrete Erklärungen und Gadgets büßt Momo Teile seines verträumten Zeit-Mysteriums ein. Dass die Grauen Kreaturen nicht länger Graue Herren sind, weil auch Frauen Zeitdiebinnen sein sollen, stört nicht. Dass sie ohne Glatzen weniger gruselig wirken, hingegen schon. Statt der (von Kindern verhassten) Zigarren, mit denen die Bösen die Zeit wegrauchen, besitzen sie jetzt Inhalatoren. Das mag dem Rückgang von Tabakdarstellungen in Jugendfilmen geschuldet sein, bringt allerdings unfreiwillig Mitleid ins Spiel, weil ihre Abhängigkeit auf diese Weise wie eine chronische Krankheit wirkt.

Ein Film über die Zeit, der unbedingt mit der Zeit gehen will, um relevant zu sein, droht sein Ziel misszuverstehen. Gegen Ende erklärt das Mädchen Momo, dass die Zeit nicht in unseren Uhren, sondern in unseren Herzen wohnt. Vielleicht hätte das Team hinter der deutschen Fantasy-Neuauflage bei dieser Feststellung innehalten und sich fragen sollen, ob eine gute Geschichte von ihrer glänzenden Oberfläche oder doch von eindringlich dargelegten Ideen und Figuren lebt.

Der Showdown am Zeittresor fesselt durchaus, aber die plump per Erzählstimme vorgetragene Botschaft des Films, das Jetzt zu genießen, verraucht schon wieder, wenn man das Kino verlässt. Oder um den verschenkten Nachhall mit einem Wort von Kassiopeias Schildkrötenpanzer auszudrücken: "Puff."

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News