Guy Maddins Traumreise nach My Winnipeg

12.11.2010 - 08:50 Uhr
Erfrorene Pferde
Arsenal Distribution
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Für alle Freunde des bizarren, exzentrischen und skurrilen Films gibt es Grund zur Freude. Ab dem 11.11. ist My Winnipeg in den deutschen Kinos zu sehen, in dem Regie-Außenseiter Guy Maddin ein schwarzhumoriges Porträt seiner Heimatstadt zeichnet.

Die Filme des kanadischen Eigenbrötlers Guy Maddin sind sicherlich eine spezielle Kost. Doch wer im Kino gerne auch mal Ausgefallenes abseits des Mainstream sehen will, sollte sich auf keinen Fall My Winnipeg entgehen lassen, in dem Guy Maddin einen liebevollen und zugleich bitterbösen Blick auf Winnipeg wirft, seinen Geburtsort mitten in der kanadischen Provinz. Die Stadtväter von Winnipeg gaben bei Guy Maddin eine Dokumentation über Winnipeg in Auftrag, doch der Kanadier machte daraus einen phantasievollen Traum mit hypnotischer Wirkung. Der Film stammt übrigens schon aus dem Jahre 2007, erreicht die deutschen Kinos aber erst jetzt: besser spät als nie!

Guy Maddin ist unter Arthouse-Fans vor allem bekannt für seinen kunstvollen Einsatz von Stummfilmästhetik in Filmen wie Lawinen über Tolzbad, Brand Upon the Brain! oder The Saddest Music in the World. In letzterem ließ er Isabella Rossellini als verkrüppelte Bierbaronin auf mit Bier gefüllten Glasbeinen laufen. Womit auch schon alles über sein Humorverständnis gesagt wäre. Wegen seiner surrealen Einfälle und seines schwarzen Humors wird Guy Maddin zuweilen auch als kanadischer David Lynch bezeichnet, doch seine Filme sind eigentlich zu originell und eigenwillig, um Vergleiche nötig zu haben.

In My Winnipeg greift Guy Maddin wie in vielen seiner Filme auf die eigene Biographie zurück. In Form einer Pseudodokumentation aus angeblichem Archivmaterial und nachgestellten Szenen präsentiert er uns Bilder aus seiner eigenen Kindheit und kommentiert diese aus dem Off. Dabei erschafft My Winnipeg ein Traumbild der Stadt Winnipeg aus verwaschenen Erinnerungen urbanen Mythen und Legenden und wahrscheinlich auch ein paar Fakten. So ist die Stadt beispielsweise angefüllt mit Schlafwandlern, die aus durchfahrenden Zügen flüchten, um sich in Winnipeg in den Häusern ihrer Seelenverwandten niederzulassen. Wir wohnen der angeblichen Besetzung Winnipegs durch die Nazis bei und lernen mit dem kleinen Guy seine herrische Übermutter fürchten. Nach einem Brand auf der Pferderennbahn flieht eine Horde Rennpferde und erfriert in einem Fluss, so dass ihre toten Köpfe den ganzen Winter daraus hervorragen und ideale Picknicktische für Schlittschuhläufer abgeben. My Winnipeg ist voll von solchen Geschichten und vielleicht ist es am Besten, gar nicht so genau zu wissen, was davon wahr ist und was nicht.

Der Stil des Films ist geprägt von körnigem Schwarz-Weiß, verkanteten Perspektiven, hastigen Schnitten und falschen Anschlüssen und jeder Menge Zwischentiteln. Guy Maddin schöpft wieder einmal die ganze Palette der Ausdrucksmittel des Stummfilms aus und formt sie zu seinem filmischen Bewusstseinsstrom, der mit der Geschwindigkeit eines Sturzbachs auf den Zuschauer prasselt. Nicht jedermanns Sache also, aber ein Muss für alle wagemutigen Kinogänger, auf der Suche nach der Birne im Apfelkorb. Der Filmkritiker Roger Ebert hat My Winnipeg übrigens in seine Top Ten des Jahrzehnts 2000-2009 aufgenommen. Na wenn das keine Ehre ist!

Vielleicht macht euch der Trailer ja auch Lust auf den Film:



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