Ich, Die Bären sind los & die Regeln des Baseball

24.06.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Die Bären sind los (1976)
Paramount Pictures
Die Bären sind los (1976)
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Das Baseball-Drama Die Bären sind los ist ein Archetyp des amerikanischen Sportfilms. Auch ein tragisches Regelunwissen in Sachen Baseball kann mich nicht davon abhalten, dem chaotischen Haufen und seinem grantigen Coach mein Klassikerherz zu schenken.

Baseball ist den Amerikanern mittlerweile zu langsam, zu langweilig geworden. Die Einschaltquoten sinken, der Nachwuchs schwindet. Er flüchtet inzwischen vermehrt zum Basketball, zum Eishockey und auch zum Fußball. Wir Europäer, die mit Fußball und Minigolf aufwachsen sind, fragen uns nun: War Baseball jemals spannend? Ist die Dramatik in diesem Sport nicht ohnehin ein Mythos? Geht es nicht vielmehr um das Drumherum? Der Sport, sein Ereignis ist der Aufhänger für vieles andere, für Hotdogs, Faulheit und ein paar Stunden Ruhe. Wo Football die volle Aufmerksamkeit verlangt, dient beim Baseball das vieltönige Kolorit lediglich als begleitendes Hintergrundgeräusch für sekundäre Tätigkeiten. Die Nebenschauplätze sind wichtiger als das, was sie versammelt.

Mir geht es mit den Baseball-Filmen ähnlich. Ich schaue die Die Bären sind los, ohne den Sport im Kern und in Gänze zu erfassen. Anders als beim Football, wo mir der Sinn des Ganzen so langsam dämmert, verstehe ich die Baseball-Regeln-und Gesetzte nicht. Baseball-Filme geben sich auch keine Mühe, sie dem unkundigen Zuschauer darzulegen, ganz einfach, weil jedes amerikanische Kind von Geburt an die wichtigsten Regeln instinktiv aufsagen kann und ihm ein dunkelbrauner Lederhandschuh in der Wiege als Kopfkissenersatz dient. Was mir dämmert, ist nur das Drumherum, die Faszination, der ur-amerikanische Mythos, der als solcher für den Europäer wiederum äußerst interessant ist. Einen großen Teil dazu beigetragen hat Die Bären sind los.

Warum ich den Bären mein Herz schenke
Wenngleich seine großen Zeiten vorbei sind, ist Baseball immer noch der amerikanische Nationalsport Nummer 1. Seinen Zenit erreichte Baseball im Jahr 1980, als ein World Series-Finale zwischen Kansas und Philadelphia 53 Millionen Zuschauer erreichte. Mehr sahen davor und danach nie wieder zu. Die Bären sind los entstand 1976, vier Jahre davor. Ein Haufen unbegabter Außenseiter betreibt darin eine Kindervariante des Profisports, die allerdings kaum weniger ernsthaft geführt und verfolgt wird. Das Publikum – Eltern und Verwandte – jubelt verbissen, die Spieler kämpfen verbissen, lokale Rivalitäten werden aufs Intensivste ausgelebt – Projektionen sind die Baseball-Duelle der jeweiligen Teams. Die Bears, eine Mannschaft in der Little League, sind grottenschlecht – zu klein, zu dick, zu dünn oder zu ängstlich, klassische Underdogs, ohne Chance auf den Titel.

Weil ihr Versagen Tradition hat, wird ein ehemaliger Profi als Trainer für die Bears verpflichtet: Morris Buttermaker, der inzwischen seinen Lebensunterhalt als Poolreiniger bestreitet, geschieden ist und zu viel trinkt. Mehr als intuitiver Pädagoge denn als sportliche Fachkraft knetet er den unförmigen Versager-Klumpen zu einem schlagfertigen Kollektiv. Er bläut ihnen Glaube und Selbstbewusstsein ein, und plötzlich ist alles möglich.

Genauso wie ihr Nationalsport werden uns auch die Amerikaner, ihr Optimismus und ihre ruckelfeste Sieger-Mentalität immer ein großes Rätsel bleiben. Was sind die News-Blätter und die Late-Night-Shows zuletzt über Jürgen Klinsmann hergefallen, als der sich in seinem deutschen Realismus erboste, festzustellen, sein US-Fußballteam habe wohl nur bescheidene Chancen auf den WM-Titel. Wenn dann aber wie in Die Bären sind los die hoffnungslosen Außenseiter von Sieg zu Sieg und bis ins Finale eilen, erschließt sich mir das ein wenig. Hoffnung und Siegeswille überwiegt Bescheidenheit und Zaudern. Und ein Sieg ist erst dann ein zu Jubelstürmen einladender Triumph, wenn er von einem Außenseiter, einem Underdog errungen wurde. Ohne das Underdog-Modell funktioniert kein amerikanischer Baseballfilm, auch nicht das jüngste Beispiel Die Kunst zu gewinnen – Moneyball. Dem Siegeszug hat das Drama beizuliegen. Die Bären sind los erklärt mir ein Stück amerikanische Mentalität.

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