Jungfrauen und Machetenmörder in The Final Girls

14.11.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Trailer zu The Final GirlsSony Pictures
4
11
Die Slasher-Hommage The Final Girls ist eine spaßige, aber auch unerwartet emotionale Verbeugung vor Genreklassikern wie Freitag, der 13. – und nimmt es mit der Jungfräulichkeit ihrer jugendlichen Protagonistinnen sehr genau.

Einem versierten Horrorfilmzuschauer muss man das Prinzip des Final Girls nicht erklären, in nuce jedoch sei an oftmalige Missverständnisse seiner Rezeption erinnert. Im gleichen Moment nämlich, in dem sich die zeitgenössische Filmkritik aus gutem Grund auf eine Lesart einigte, die das im Slasher-Kino der späten 1970er und frühen 1980er Jahre kultivierte Final Girl als genrespezifische Variation der schon zu Stummfilmtagen populären scream queen verstand, behaftete sie diesen Tropus fälschlicherweise auch mit dem Stigma des Reaktionären: Wenn es nur den Verlockungen von Drogen und Sex widerstehenden Mädchen gelingen kann, einem promiske Jugendliche nach entsprechend moralischen Richtlinien dahinmeuchelnden maniac on the loose die Stirn zu bieten, musste man offenbar zwangsläufig glauben, darin ein untrügliches Indiz für die ideologisch konservative Ausrichtung des Teen-Horrorfilms erkannt zu haben.

Wenig beachtet blieb hingegen eine der Konstruktion deutlich implizierte Analogie zwischen Final Girl und Serienkiller, der zufolge es gerade die Konsequenzen von Enthaltsam- und Lustfeindlichkeit sind, die der letzten Überlebenden und ihrer männlichen Bedrohung den entscheidenden Kontakt auf Augenhöhe ermöglichen. Nur die jungfräuliche Widersacherin scheint demnach bereit, sich der gleichen barbarischen Mittel wie der Widersacher zu bedienen, um sich ihm schließlich noch brutaler entgegenzustellen. Ob sie dazu in der Lage ist, weil sie anders als ihre vergnügungssüchtigen Freunde, Kommilitonen und Mitcamper ohne altersgerechten Spaß durchs Leben schreitet, bleibt einigermaßen offen, gleichwohl die darüber hergestellte Nähe des Final Girls zum Mörder eine auffällig destruktive ist – und sich ja eigentlich niemand emotionale, verwandtschaftliche oder in späteren Abwandlungen gar metaphysische Verbindungen zu Serienkillern wie Michael Myers, Jason Vorhees oder Freddy Krueger wünschen kann.

Imitat mit Holzmaske: Hommage an Jason Vorhees und ikonische Filmtode.

Die Slasher-Hommage The Final Girls erklärt diese freilich äußerst zweifelhafte Überlebensstrategie nun einerseits zum komödiantischen Prinzip, bei dem es alle weiblichen Figuren auf augenzwinkernde (will heißen: sich den Slasher-Film in Tradition von Scream - Schrei! als ironische Brechung seiner selbst zueigen machende) Art vor Sittenwidrigkeiten zu schützen gilt. Andererseits aber nimmt sie den ganzen Blödsinn überraschender- wie erfreulicherweise auch ziemlich ernst: Während das postmoderne Slasher-Kino der Scream-Ära, von dezidiert klassizistischen und somit "regelbewussten" Ausnahmen abgesehen, mit dem entsprechenden Grundsatz bewusst brach, um das Genre auch von vermeintlich antifeministischen Tendenzen zu bereinigen, ist Abstinenz in The Final Girls nun wieder die wesentlichste Voraussetzung für eine das Grauen überwindende Begegnung zwischen Jungfrau und Schlitzer. Konkret: Der Film begreift sich nicht ausschließlich als ein Witz über sich und sein Genre.

Dennoch (oder gerade deshalb?) erzählt The Final Girls eine Geschichte, die ihn von vornherein auf der Meta-Ebene verortet, und den Subtext zum reinen Text werden lässt – er spielt selbst innerhalb eines antiquierten Slasher-Films! Dort hinein geraten die von der sensiblen Max (Taissa Farmiga) angeführten Figuren während der Aufführung des fiktiven – aber sehr deutlich Freitag der 13. nachempfundenen – Teen-Horrors "Camp Bloodbath", als ein im Kino ausgebrochenes Feuer die Leinwand zu einem Portal in andere Dimensionen umfunktioniert. In der 1986 spielenden und zumindest modisch grandios gestrigen Handlung des ihnen nur allzu bekannten Films angekommen, muss die Gruppe sich mit jenen Klischees arrangieren, die besserwisserisch aufzudröseln ihr jetzt eben überhaupt nichts mehr nützt. Statt sich also im Kampf gegen einen maskierten Machetenmörder über Genrestrukturen zu erheben, bleibt ihr nichts anderes übrig, als deren Bedingungen zu akzeptieren – weshalb der altkluge Horror-Nerd Duncan (Thomas Middleditch) folglich als erster ins Gras beißt.

Für Max (Taissa Farmiga) ist die Reise ins Slasher-Kino vor allem eine emotionale Angelegenheit.

Natürlich ist das keine neue Idee. Man kennt sie aus Purple Rose of Cairo, aus Last Action Hero oder Pleasantville, selbst im Slasher-Kontext hat sie schon Filme wie Im Augenblick der Angst oder den unterschätzen Popcorn inspiriert (und irgendwo auch kreuzt sich das alles mit dem ungleich durchgeknallteren The Cabin in the Woods). Trotzdem macht The Final Girls Spaß: Die Liebe zu den Vorbildern erschöpft sich hier nicht im mühsam insidergespickten Zitat, sondern lässt überhaupt erst diese Liebe zum Antriebsmotor der Figuren werden. Sie müssen auf die genregerechten Geschehnisse im "Camp Bloodbath" in einer Weise reagieren, die den Filmverlauf soweit intakt hält, wie er ihnen einen Ausweg aus der misslichen Lage verspricht. Und sie müssen gegenüber den Film-im-Film-Protagonisten, den also vollbusigen Cheerleadern und All-American jocks und jerks (besonders wunderbar: Adam DeVine als infantiler Kurt), auch ihre eigene Existenz als klischierte Figuren infrage stellen.

Von einer bloßen Meta-Selbstbespaßung (und erst recht von Slasher-Parodien wie Freitag, der 713.) trennt den Film letztlich seine unerwartete Emotionalität. Wenn Max und ihre Freunde nicht gerade gegen Texteinblendungen stolpern, die Ankunft des Killers durch eine im Stil von Harry Manfredini lautstark eingespielte Musik erahnen oder sich zum großen Finale lediglich in Slow-Motion fortbewegen können (was allesamt nette Gags sind), erinnert der Film-im-Film seine Hauptfigur vor allem schmerzlich an den Verlust ihrer Mutter Amanda (Malin Akerman), die als junge Frau eine Nebenrolle in "Camp Bloodbath" spielte. Während deren filmisches Alter Ego nicht ahnen kann, nur eine fiktive Figur einer fiktiven Geschichte zu sein, trifft Max das Wiedersehen mit ihrer verstorbenen Mutter wie ein Schlag. Und vielleicht macht dieser Subplot tatsächlich den Unterschied: In Slasher-Filmen, so behauptet The Final Girls, geht es nicht allein um Leben und Tod, sondern um eine immer wieder neu verhandelte Form von Vergangenheit – zuletzt eben auch im eskapistischen und dabei ganz reale Traumata verarbeitenden Sinne.

The Final Girls ist ab sofort auf DVD, Blu-ray und über VoD erhältlich.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News