Gleich vorweg: Meine Filmkenntnisse in Bezug auf Musikuntermalung durch Martin Böttcher beschränken sich lediglich auf die Karl May Verfilmungen. Aber wenn es jemand schafft, mit diesen wenigen Filmen (besonders den Western) aus Leuten, vorrangig mir, ewige Landschaftsromantiker zu machen, dann Martin Böttcher. Der Mann, der erst in Kriegsgefangenschaft als 18-jähriger zur Musik kam, der Lieder für Hans Albers geschrieben hat, der nie ein Buch von Karl May gelesen hat, genau dieser Mann hat es geschafft, mit einer Melodie einen deutschen Film-Mythos zu kreieren, der die damalige Generation in einen wahren Boom versetzt, mit seiner Shatterhand-Melodie die Charts gestürmt hat und dort so lange geblieben ist, wie es sich einige Künstler nur erträumen könnten.
Und das ist noch nicht genug, hat er darüber hinaus noch so ziemlich jede nachfolgende Generation mit seiner Musik aus den Karl May Filmen verzaubert. Und verzaubert passt hier wirklich gut. Denn als kleiner Junge bin ich zu seinen Melodien im Ohr und mit dem Spielzeuggewehr in der Hand über Felder gejagt, hab mich an andere Kinder herangeschlichen und meinen Freunden (allesamt junge Blutsbrüder) mit Zeige- und Mittelfinger am Herz guten Tag gesagt. Diese Melodien ließen mich ebenso edel wie Pierre Brice die Lehne des Sessels vor dem Fernseher besteigen (ein Pferd in der Wohnung wäre doch des Guten Zuviel gewesen) und mich durch die Landschaften Jugoslawiens reisen. Und stehe ich heute vor einem Gebirge, so ist es immer die Grand Canyon Melodie, die mir einen Anblick verschafft, der mich vor Glück sterben lassen könnte.
Höre ich in den Straßen auf meinem MP3-Player heute diese Melodien (das kommt öfter vor, als man denkt), sehe ich Winnetou wie er Shatterhand vom Abhang hochzieht oder Lex Barker, wie er über dem Wunderpferd Rih kniet, das sind Bilder, die nie eine andere Musik bei mir hervorrufen kann und wird. Noch heute lässt mich die Shatterhand Melodie an schwachen Tagen mit den Tränen ringen, wenn eben jener Old Shatterhand vor seinem getroffenen Blutsbruder steht und zu den Klängen von Böttchers (mit Streichern unterlegten und Mundharmonika pointierten) Hymne Rückblenden aus den Heldengeschichten um den größten aller Indianer gezeigt werden. Aber nicht Brice oder Barker haben die Filme zu diesem unvergleichlichen Charme und Nostalgiewert verholfen, sondern einzig Martin Böttcher. Der Rest war nur die Kirsche auf dem Eisbecher. Martin Böttcher hat es geschafft mit seinen Melodien auf eine Stufe mit Ennio Morricone zu klettern. Ich könnte nie sagen, wer der größere für mich ist.
Als ich Martin Böttcher bei einer Kinoveranstaltung kennenlernen durfte, avancierte sein Autogramm wohl zur längsten Unterschrift aller Zeiten, weil erst kein passender Stift gefunden werden konnte und dann dieser einfach nicht auf der Innenseite des Booklets schreiben wollte. Aber nach einer gefühlten Ewigkeit hat er wohl eines der glücklichsten erwachsenen Kinder von dannen ziehen sehen.
Mit einem Schmunzeln kann man sagen, dass ihm teilweise nicht die Anerkennung zuteil wird, die ihm gebührt. So hatte das May-Museum (oder ein Hotel in der Nähe) in Radebeul den Flügel Böttchers, auf dem er die Winnetou Melodien komponierte, ersteigert, um ihn dann auszustellen mit einem Schild, auf dem sinngemäß stand: „Auf dem Flügel komponierte Karl May“.
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