Russland, das homophobe Mordor der realen Welt?

14.12.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Russland, das homophobe Mordor der realen Welt?
New Line Cinema/moviepilot
Russland, das homophobe Mordor der realen Welt?
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Im Osten erhebt sich eine dunkle Macht. Ein alter Feind, der die Menschheit wieder heimsucht. Selbst der mächtige Gandalf alias Sir Ian McKellen musste erfahren, dass er machtlos ist. Machtlos gegen die Homophobie und Intoleranz der russischen Regierung.

Diese Woche steht ganz im Zeichen des kleinen Hobbits, der mit Der Hobbit: Smaugs Einöde nach einem Jahr des Wartens endlich in unsere Kinos zurückkehrt. Die weltweite Marketing-Maschinerie läuft im vollen Gange. Zur Zeit reisen Peter Jackson und sein Filmcast quer über den Globus, um Filmpremieren beizuwohnen, wie auch kürzlich bei der Europapremiere in Berlin. In Moskau müssen Peter Jackson und seine Gefährten jedoch auf einen ihrer wertvollsten Mitstreiter verzichten. Ian McKellen bekam von der britischen Regierung nahegelegt, nicht nach Russland zu reisen, weil sie ihn nicht vor den dort geltenden Anti-Homosexuellen-Gesetzen beschützen könnten.

Der Schauspieler zieht daraus die Konsequenz und boykottiert die russische Filmpremiere und macht somit aus der unbequemen Situation notgedrungen ein politisches Statement. Zusammen mit Ian McKellen fragen wir uns deswegen im heutigen Aufreger der Woche, wie es dazu kommen kann, dass in einem Land, dass keine zweieinhalb Flugstunden von London entfernt liegt, Anfang 2014 die Olympischen Winterspiele veranstaltet und sich jüngst als “reife, verantwortliche Großmacht” feierte, so vollkommen am Menschenrechtsrad drehen kann?

He shall not pass – the russian border
Ian McKellen geht seit Jahrzehnten offen mit seiner Homosexualität um. Der 74-Jährige äußerte sich erstmals 1988 gegenüber den Medien offen über seine Sexualität und war ein Jahr später Mitbegründer von Stonewall, eine der heute bedeutendsten Organisationen für die Rechte von Lesben, Schwuler und Bisexueller des Vereinigten Königreichs. Umso erstaunter zeigte er sich, als er von seiner eigenen Regierung die Warnung erhielt, nicht nach Russland zu reisen. Seit Juni 2013 ist dort ein Gesetz in Kraft, das "Propaganda“ von „nicht traditionellen sexuellen Beziehungen“ vor Minderjährigen unter Strafe stellt. Ein Gesetz, vor der die britische Regierung Ian McKellen nicht beschützen könne, wie das Außenministerium dem Schauspieler mitteilte. Was dieser kaum glauben konnte, wie er in einem Interview eingestand. Ausgerechnet in einem Land, das Künstler wie Tschaikowski, Diaghilew und Rudolf Nurejew hervorbrachte – schwule Künstler, deren Sexualität ihre Arbeit maßgeblich beeinflusste.

Doch der zum Ritter geschlagene Gandalf-Mime steht damit nicht allein. Das britische Außenministerium – wie übrigens auch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik – warnt generell vor einem “Maß an Intoleranz in Teilen der Bevölkerung” und rät allen Homosexuellen zur Vorsicht “bei öffentlichen Zuneigungsbekundungen”, was Übergriffe provozieren könne. (via)

Ein Russland sie zu knechten…
Offen gestanden ist die Beschneidung von Menschenrechten während den drei Amtszeiten von n/a beinahe zur Gewohnheit im russischen Alltag geworden. Während Putins ersten beiden Amtsperioden wurde die Pressefreiheit in Russland substantiell eingeschränkt und ein Klima der Gewalt und Einschüchterung wurde etabliert. Eine Entwicklung, die ihren Höhepunkt im Todesfall einer regierungskritischen Journalistin fand. 2012 wurden drei Mitglieder der Band Pussy Riots, die tatkräftig und PR-wirksam während der Wahl von Putins dritter Amtszeit gegen den Politiker demonstrierten, zu zwei Jahren Straflager verurteilt. Im Juni 2013 folgte schließlich die Unterzeichnung des oben erwähnten Gesetzes durch den Präsidenten. Ein Gesetz, das jegliche positiven Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet unter Strafe stellt. Putin weiß also seine Regierungstätigkeiten ebenso effektiv zu nutzen wie seine Freizeit bei PR-trächtigen Jagdausflügen oben ohne.

Doch wir wollen fair bleiben. Russland ist nicht das einzige Land, in dem die Rechte Homosexueller oder aller, die nach russischen Maßstäben keine “traditionelle sexuelle Beziehung” führen, per Gesetz diskriminiert werden. Zumindest steht Homosexualität bei unseren osteuropäischen Nachbarn (noch) nicht unter Strafe. Aber ob sich Putin und seine Genossen damit rühmen sollten, eine Sprosse über Ländern wie Ägypten, Barbados, Afghanistan, Irak, Kuwait, Libanon, Libyen, Nordkorea, Pakistan, Saudi-Arabien, Syrien oder die Vereinigte Arabische Emirate zu stehen, bleibt fraglich. Länder, in denen offene Homosexualität offiziell als illegal angesehen wird und mit mehrjährigen Strafen geahndet oder sogar mit dem Tod bestraft wird. In einigen Ländern wie Kenia, Pakistan oder Jamaika steht übrigens nur die gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern unter Strafe. Ein Ansatz, wie geschaffen für Macho Putin, der sicherlich nichts lieber tun würde, als sich bei zukünftigen Jagdausflügen zwischen einem frisch erlegten Pandabären und zwei sich küssenden Frauen ablichten zu lassen. Zwei sich küssende Frauen sind erotisch, zwei sich liebende Männer gelten als verabscheuungswürdig gelten. Willkommen im von männlicher Doppelmoral dominierten 21. Jahrhundert…

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