Stauffenberg spielt Pocher: Operation Arschkarte

26.01.2009 - 15:05 Uhr
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MEINUNG » Scheinheilig: Oliver Pocher macht die Walküre und die ARD spielt Empörung

“Die überwiegende Mehrheit von uns, bestimmt 80 bis 90 Prozent, ist der Meinung, dass Herr Pocher der ARD nicht gut tut”, verkündete Volker Stich, der Vorsitzende des SWR-Landesrundfunkrates und fordert mit markigen Worten Oliver Pocher abzuschießen.

Noch bemüht man sich in der ARD den Schmidt Azubi Pocher auch über das Ende der jetzigen “Schmidt & Pocher”-Show bei der ARD zu halten, doch der Protest wächst. Die Liste der angeblichen Verfehlungen, an denen sich insbesondere der SWR stört, umfasst Scherze wie das Nazometer (ein Detektor, der Begriffe auf ihre Einordnung als Nazi-Vokabular testete), eine sekretlastige Diskussion mit der prolligen RAP-Intellektuellen Lady Bitch Ray, sowie Pochers jüngsten Auftritt als Stauffenberg.

Niveaulos. Platt. Anstössig. Unmoralisch. Beleidigend. Geschmacklos. Das sind die Vorwürfe, die regelmässig fallen und die letztlich die Komik des Oliver Pocher seit seinen Anfängen nicht unzutreffend beschreiben. Er war von jeher jemand, der provozieren wollte, der Grenzen überschritt und sich erst dann wohlfühlte, wenn andere beleidigt oder in Schamesröte das Gesicht verbargen. Die Qualität seiner Einlagen war von jeher durchwachsen. Absolut unwitzige Primitivfrotzeleien wechselten sich mit inspirierten Schockeinlagen, die in den besten Fällen schon sehr komisch sein konnten.

Was ihn auszeichnet ist von jeher seine Schamlosigkeit in jeder Beziehung. Die Rampensauqualität, mit der er ohne Rücksicht gegen andere, aber auch gegen sich selbst dorthin geht, wo es weh tut. Das ist nicht immer schön anzusehen und oft auch recht blöde, aber es ist genau das, was Pocher ausmacht. Wer immer ihn auch einkauft, sollte wissen, was ihn erwartet und nicht hinterher herumjammern.

Das reflexartige Zusammenzucken bei allen Scherzen, die etwas mit der Nazizeit zu tun haben, ist albern und armselig genug, aber die Rauswurfsforderung damit zu begründen, dass Pocher genau das macht, wofür man ihn eingestellt hat, ist ein Offenbarungseid. Wer Pocher bucht, der bucht seine zahlreichen “nicht sehr lustig”-Momente eben mit. Und wenn der SWR meint, dass die Geschmacklosigkeiten und das vermeintlich niedrige Niveau Pochers besser bei den Privaten aufgehoben sei, dann darf doch gefragt werden, welche Entschuldigung die Macher für das restliche Programm der ARD haben. Weder die jetzt wieder anlaufende umfangreiche Karnevalsberichterstattung mit ihren Zoten-Reservaten, Humor-Gulags wie “Verstehen Sie Spass?”, die grauenhaften Herz&Schmerz-Fernsehfilme mit Ekelgarantie, die unverzichtbaren Volksmusik-Enklaven, Dokutainment-Schätze wie “Das Schwarwaldhaus”, die müden Zeigefinger-Krimis mit Lena Odenthal, noch die Rate-Infernos von Pilawa und Co. stehen den Privaten in Sachen Dummheit, Widerwärtigkeit und Verlogenheit ein Jota nach.

Pocher ist geschmacklos, oft langweilig und bisweilen primitiv. Aber das alleine kann kein Absetzungsgrund sein, sonst ständen 70% des gesamten Öffentlich Rechtlichen Prime-Time-Programms zur Disposition.

“Wer im Glashaus sitzt, sollte sich im Dunkeln umziehen.” Die Volksweisheit dürfen sich auch die Bedenkenträger beim SWR gerne an die Stirn tackern. Am besten in Spiegelschrift, damit sie sich das nächste Mal, wenn sie den Hustenreiz der geheuchelten Empörung verspüren erstmal in den Spiegel und ihre eigene Programmplanung gucken.

Und dann einfach die Klappe halten.

Und für alle die es verpasst haben: Pocher als Stauffenberg bei der Premiere von Sieben Leben mit Will Smith

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