Vor Jahren gab es diesen Traum, der jedem Serien-Fan ein Lächeln aufs Gesicht zauberte: Zeitgleich mit dem US-Serienstart in Deutschland eine Serie schauen, egal wann und wo. Einen Dienst nutzen, der die wichtigsten Serien gebündelt in hoher Qualität und mehreren Sprachversionen anbietet und der dem Nutzer Freiheit in der Auswahl und Vielfalt im Angebot ermöglicht. Dieser zugegebener Maßen idealistische und etwas naive Traum hat sich schon vor einigen Monaten in Luft aufgelöst, denn das Streaming-Angebot zersplittert sich mehr und mehr. Eine neue Unübersichtlichkeit ist der Fall. The Handmaid's Tale, die achtfach mit dem Emmy ausgezeichnete US-Serie aus dem Hause Hulu, wird von vielen Serienfans hierzulande mit Spannung erwartet. Ab heute, dem 04.10.2017, ist sie bei EntertainTV Serien zu sehen. Zur Freude, dass der große Gewinner der Serien-Saison endlich in Deutschland präsent ist, mischt sich Ernüchterung.
Wer oder was ist EntertainTV?
Einige von euch moviepiloten werden sich genau diese Frage stellen. Das sind wahrscheinlich all jene unter euch, die nicht über einen Telefon-Anschluss des uneingeschränkten Marktführer
Telekom verfügen. Fast 13 Millionen Kunden benutzen über Telekom das Telefon oder gehen ins Netz. EntertainTV ergänzt das Angebot von Telefon & Internet um ein umfangreiches TV-Programm für zuhause mit je nach Tarif zwischen 20 bis 100 Sendern und besonderen Funktionen. Neuerdings können Programme von Sky,
Fox+, Netflix,
Maxdome
& Co. empfangen werden, diese sind aber nicht im Telekom-Abo enthalten, vielmehr müssen dafür separate Abos abgeschlossen werden. Als Aggregator macht EntertainTV also Sinn, werden doch hier diverse Anbieter gebündelt und laut eigenen Aussagen technisch höchstes Niveau geboten. Rund 2,8 Millionen der 13 Millionen Telekom-Kunden schätzen das und nutzen das EntertainTV-Angebot.
(DSL Web )
Zur Aggregation kommt ab Oktober 2017 die exklusive Content-Bereitstellung hinzu, neben The Handmaid's Tale sind ab heute auch noch die weniger bekannten Serien Better Things sowie Cardinal verfügbar. Und hier fangen die Bauchschmerzen an. Euch diese zu verdeutlichen, fällt etwas schwer, denn es geht gar nicht vorrangig ums Streamen, sondern um den Telefon-Anschluss. Jeder, der auf seinem heimischen Sofa The Handmaid's Tale sehen möchte, benötigt einen Telekom-Telefon-Anschluss. Millionen deutsche Haushalte verfügen nicht über einen solchen, haben also keine Möglichkeiten, die Serien zu sehen. Wer schon einen besitzt, ist aber nicht einfach dabei: Zum Telekom-Telefon-Anschluss muss das passende EntertainTV-Paket hinzugebucht werden. Jeweils mit einer Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten. Wer mobil schauen will, kann sich eine kostenlose App herunterladen, wobei allerdings nach dem ersten Monat eine weitere Gebühr für das ortsungebundene Streamen fällig wird. Fazit: Alles in allem ist dies ein großer Aufwand, hoher Preis wie eine langfristige Festlegung.
Ein Rückschritt beim Streamen
Für all jene unter euch, die Streaming als eine kleine Revolution schätzen gelernt haben, die Wahlmöglichkeiten und Vielfalt beim Content versprach, ist der Vorstoß der Telekom ein Rückschritt. Während jeder bis dato seinen Streaming-Dienst wählen konnte und entschied, ob ihm das Programm von Netflix oder Sky, Amazon oder Maxdome oder sogar allen zusagt, setzt der Konzern viel früher an. Er bindet das Programm an den Telefon-Anschluss. Wie ihr aus eigener Erfahrung wissen dürftet: Dieser ist viel langfristiger gedacht und schwer zu kündigen. Die genannten Streaming-Anbieter kann jeder nach einem Monat verlassen. Wechseln ist absolut einfach. Spezielle Tarife wie Gratismonat, Flatrate oder Season-Pass
ermöglichen, dass der Nutzer ganz gezielt seinen gewünschten Content auswählen kann und sich damit zeitlich wie preislich nicht fest binden muss. Flexibilität wird damit garantiert, denn wer weiß schon, welcher nächste Serien-Hit im kommenden Herbst bei welchem Anbieter landet.
Streaming sollte einfach, für jeden möglich und transparent sein, unabhängig davon, über welche Anschlussmöglichkeiten der Wohnort verfügt und je nach persönlicher Entscheidung ohne zusätzliche Hardware. Bei EntertainTV trifft dies nur bedingt zu. Die Telekom möchte Kunden an sich binden, genau wie Netflix, Amazon & Co. Serienfans werden mit dem aktuellen Serien-Angebot wohl nicht dazu gehören, denn für Aufwand und Preis sind die drei exklusiven Serien nicht ausreichend. Die Zukunft sieht deshalb auch die Telekom in der eigenen Content-Produktion. Aber um mit anderen Anbietern konkurrieren zu können, müssten Angebote in verschiedene Pakete geschnürt werden, in denen die Digital Natives auch einen Nutzen sehen. Ein Anfang wären alternative Wege, um als Nicht-Telekom-Kunde die Angebote von Telekom nutzen zu können. Also das tun, was andere Anbieter bereits vormachen: Dorthin gehen, wo die Zielgruppe bereits ist.
Das Telekom-Engagement ist nicht das einzige, welches sich nicht mehr nur auf die Bereitstellung von Content und Content-Produktion bezieht, sondern als Netzanbieter- und Betreiber seinen Teil vom Streaming-Kuchen abgekommen will. Kabelanbieter Unitymedia plant ähnliches und Amazon wird vielleicht bald seinen Prime Kunden einen Internetzugang verkaufen. Ob sich diese Rundum-Sorglos-Pakete für Serienfans rentieren, werden wir in Zukunft wissen.
Werdet ihr euch The Handmaid's Tale anschauen? Was haltet ihr von dem EntertainTV-Angebot?