The West Wing - Politik, die süchtig macht

19.10.2010 - 08:50 Uhr
The West Wing
Warner Bros. Television
The West Wing
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Die Serie The West Wing bildet ein fiktiv-liberales Kontrastprogramm zur dunklen Herrschaft der Bush-Regierung in einem erschreckend unterhaltsamen und süchtig machenden Serienformat. Dem The Social Network Autor Aaron Sorkin sei dank!

Nur damit wir uns verstehen: Mein Sinn für Politik beginnt und endet mit dem Überspringen der entsprechenden Zeitungsseiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet mir eine so immens politisch geprägte Serie zusagte, glich dem eines manischen 24 Fans, der seine Liebe für entspanntes Häkeln entdeckt. Und dennoch sitze ich hier und tippe diese Zeile…

Was ist ein Westflügel?
The West Wing ist eine zwischen 1999 und 2006 produzierte, US-amerikanische Fernsehserie, die sich um die fiktive Präsidentschaft des liberalen Josiah “Jed” Bartlet (Martin Sheen) dreht und den Alltag des US-Präsidenten sowie seines Beraterstabs darstellt.

Die Idee zur Serie kam Serienschöpfer und Drehbuchautor Aaron Sorkin nach seinem Drehbuch zu Hallo, Mr. President, welches einem ähnlichen Konzept folgte. Einige Charaktere, Motive und auch Szenenideen, die im Film keine Verwendung mehr fanden konnte Sorkin in The West Wing verarbeiten.

Der Inhalt der politischen Agenda von The West Wing
The West Wing handelt vom Alltag des amerikanischen Präsidenten Josiah Bartlet, seiner Familie und seines Beraterstabs.

Hauptbestandteil der Serie ist die Darstellung der Entscheidungsprozesse innerhalb des Westflügels, in welchem sich das Oval Office und die Büros der wichtigsten Mitarbeiter des Präsidenten befinden. Es steht nicht ausschließlich die Rolle des Präsidenten im Mittelpunkt, sondern der Fokus liegt auf seinem engsten Mitarbeiterstabs, der sich neben dem Stabschef Leo McGarry und seinem Stellvertreter Josh Lyman, aus Pressesprecherin C.J. Cregg, der Kommunikationsdirektor Toby Ziegler und sein Stellvertreter Sam Seaborn zusammen setzt.

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
Die Hauptrolle des Präsidenten, die Martin Sheen verkörpert, war in der Form nie geplant. Eigentlich sollte der Schauspieler in lediglich vier Folgen pro Staffel in Erscheinung treten. Den Rest der Zeit hätte der Präsident als allgegenwärtiger, aber nie sichtbarer Schatten fungieren sollen und stattdessen hätte sich der Zuschauer ganz dem Beraterstab gewidmet. Nachdem die Pilotfolge abgedreht war, erwies sich Martin Sheen in seiner Rolle des amerikanischen Staatsoberhaupts als so überzeugend und charismatisch, dass Serienschöpfer Aaron Sorkin entschied, seinen Part auszubauen.

Die menschliche Seite der Politik
West Wing schafft das Undenkbare. Selbst politisch unterentwickelte (und leider Gottes desinteressierte) Individuen wie mich machte sie innerhalb von nur drei Folgen zu einem willigen Wingman. Ich verliebte mich Hals über Kopf in die Charaktere, was dazu führte, dass ich neben der Qualitäten einer Drama-Serie mit all ihren zwischenmenschlichen Krisenherde noch ein intravenöser Schnellkurs in amerikanische Politik verabreicht bekam.

Trotz aller Politik definiert sich die Serie jedoch in erster Linie durch ihren schlagfertigen Wortwitz, intelligente Dialoge, die dem Zuschauer in Aaron Sorkin typischen Walk´n talks im Dauerfeuer entgegen fliegen, und einer großen Portion Herz. Die exzellent geschriebenen Scripts, kombiniert mit einer gut dosierten Portion Sentimentalität, Pathos und Patriotismus machten aus dem intellektuellen und redseligen Konzept ein TV-Phänomen der Superlative!

Die politische Seite der Serie
Eine der Hauptkritikpunkte, die sich West Wing über die Jahre hinweg gefallen lassen musste, war ihre extreme linksliberale Sichtweise und die dadurch entstehende Polarisierung. Allerdings ist bei einer Serie über eine demokratische Präsidentschaft eine linke Dominanz kaum zu vermeiden. West Wing machte jedoch nie den Fehler, in zu starke schwarzweiß Denkweisen zu verfallen. Auch wenn konservative Kräfte häufig zum unliebsamen Sündenböcken stilisiert wurden, werden Amerikas Erzkonservative nie zum absoluten Feindbild erklärt. Die realistische Darstellung der Entscheidungswege einer amerikanischen Regierung war bis zuletzt ein erklärtes Ziel der Serie.

Ein besonderes Kunststück von West Wing bestand darin, dass sie zeitnah die tatsächliche politische Lage der USA kommentierte. Was sich in der Realität in der ernüchternden Bush-Regierung ereignete, wurde kurze Zeit später in der Serie thematisiert. Besondere Erwähnung muss diesbezüglich die Folge zum 11. September finden, die nach der Tragödie in Rekordzeit geschrieben und produziert wurde und die mit enormen Fingersspitzengefühl die ungenannte Katastrophe sehr behutsam behandelte.

In der letzten Staffel, die gleichzeitig auch das letzte Amtsjahr von Präsident Bartlet beinhaltete, wurde zudem mit Senator Matthew Santos ein junger, charismatischer Politiker, der aus einer ethnischen Minderheit stammt, eingeführt. Dieser erinnerte nicht bloß zufällig an einen gewissen farbigen Senator, der zwei Jahre später Politgeschichte schreiben sollte.

Interessante Details
- Martin Sheen spielte bereits in Hallo, Mr. President und mimte dort den Stabschef von Michael Douglas.
- Gedreht wurde in den Kulissen, die bereits für Dave und Hallo, Mr. President verwendet wurden.
- Die Serie ist mit neun Emmys für eine einzige Staffel der Rekordhalter unter den Dramaserien. Insgesamt wurde The West Wing mit 27 Emmys ausgezeichnet.
- In wiederkehrenden Rollen traten im Verlauf der sieben Jahre Schauspieler wie John Goodman, Ed O’Neill, Matthew Perry, Terry O’Quinn, Mary-Louise Parker, Marlee Matlin, Oliver Platt oder Christian Slater auf.
- Die ZDF-Produktion Kanzleramt war der müde Versuch, das Konzept von The West Wing mit dem Alltag deutscher Politiker zu verbinden.

Das Weiße Haus in Deutschland
Die erste Staffel kommt mit massiver Verspätung endlich am 22. Oktober 2010 als DVD in die deutschen Geschäfte. Vorher mussten die deutschen Fans auf die Code-2 Veröffentlichungen aus England oder Frankreich ausweichen, die im Gegensatz zu den US-Scheiben über die kompletten englischen Untertitel verfügen (und die werden in der O-Ton Version bitter gebraucht).

In Deutschland wurde The West Wing zum ersten Mal 2008 auf dem Bezahlsender FOX-Channel ausgestrahlt. Zudem sollen die Rechte an der Serie seit Jahren beim ZDF liegen, wo sie scheinbar als Staubfänger genutzt werden.

“I am the Lord, your God! You shall have no other gods before Me!”
Das waren die ersten Worte, die Präsident Bartlet in der Serie sprach. Gut, ich gestehe, oh großer Bartlet. Ich bin ein Serien-Polytheist. Ich bete auch zu anderen Göttern. Aber dennoch wirst du, oh großes The West Wing auf ewig von mir als eine der intelligentesten und einfühlsamsten Drama-Serien der amerikanischen Serienlandschaft angebetet werden! Als eine Serie, die berührt, belehrt, unterhält und die ihre Anziehungskraft wohl aus einer Mischung aus allen drei Elementen bezieht.

Als kleiner Appetizer sollen das Intro und zwei TV-Clips dienen, die vor allem der Leichtigkeit der Dialoge und der Charaktere Rechnung tragen. Viel Spaß!

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