Warum Publisher ihre Spiele selbst verfilmen sollten

30.05.2016 - 16:00 Uhr
Warcraft: The Beginning
Universal Pictures
Warcraft: The Beginning
6
2
Warcraft: The Beginning überzeugt zwar an den deutschen Kinokassen, fällt bei den meisten Kritikern aber trotzdem durch. Wenn zwischen Film-Verleihern und Publishern keine Synergien entstehen, dann sollen es Blizzard, Ubisoft und Co. doch einfach selbst machen.

Wenn sogar eine Warcraft-Verfilmung aus der Feder von Moon-Regisseur und World of Warcraft-Fan Duncan Jones hinter meinen Erwartungen  (und der internationalen Presse ) zurückbleibt, was bleibt mir da dann noch an Hoffnung übrig? Schon die neue Hitman-Verfilmung enttäuschte mich  und letztlich auch an den Kinokassen, was Warcraft zum Glück bisher erspart blieb, wobei der US-Kinostart noch aussteht. Über Jahrzehnte hinweg gab es immer wieder den Versuch, beliebte Videospiele auf die große Leinwand zu bringen und so neues Publikum für die Abenteuer zu gewinnen. Aber auch wenn Hollywood mit jedem zweiten Franchise liebäugelt, schaffen es die Produktionen entweder nie ans Tageslicht oder werden von den Kritiker mit dem Besen wieder aus der Wohnung gescheucht.

Selbst ist der Publisher

Das Verhältnis von Publishern und Film-Verleihern ist nicht gerade von Erfolgen gekrönt und Spieler sowie Kinobesucher bleiben dabei auf der Strecke. Vielleicht hat es ja einfach nicht sein sollen und Videospielverfilmungen sind grundsätzlich keine gute Idee. Möglicherweise – und das finde ich viel wichtiger – sind die jüngeren Misserfolge einfach nur ein Zeichen dafür, dass Publisher selbst das Ruder in die Hand nehmen sollten, um ihre Franchises auch cineastisch aufzubereiten. Wenn Publisher nicht mit den kreativen Entscheidungen Hollywoods konform gehen und Hollywood selten ein Gefühl für die Spielwelten beweisen, dann wird eben selbst in die Hand gespuckt.

Für viele Publisher ist es mittlerweile selbstverständlich, dass wichtige Spiele mit entsprechend aufwendigen CGI-Trailern oder Kurzfilmen beworben werden. Ob die hauseigenen Entwickler selbst die Maus in die Hand nehmen oder die Clips ins Auftrag gegeben werden, ist dabei ganz egal. Die überwältigenden Cinematic Trailer aus dem Hause Blizzard  sprechen hier wohl die deutlichste Sprache und haben den Wunsch nach einem abendfüllenden Spielfilm, der in Azeroth spielt, überhaupt erst aufkommen lassen. The Elder Scrolls Online folgte dem Beispiel und markierte mit beeindruckenden CGI-Clips  die Stimmung für das Online-Rollenspiel. Auch reine Multiplayer-Titel wie League of Legends oder aktuell Overwatch erweitern die Hintergrundgeschichten von Charakteren in gesonderten Kurzfilmen .


Das nötige Handwerk für stimmungsvolle Sequenzen, hochwertige Optik sowie packende Action-Einlagen ist also vorhanden und das lässt sich sicher auch in Live-Action-Formate übertragen. Tatsächlich gibt es auch schon erste Versuche, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Activision Blizzard gründete ein eigenes Produktionsstudio , das sich momentan um eine Skylanders-Serie kümmert und ein Cinematic Universe rund um Call of Duty aufbauen soll. Die Ubisoft Motion Pictures  sind schon einen Schritt weiter und der französische Publisher konnte sich aktiv in die Produktion des Assassin's Creed-Films einbringen, der hoffentlich klügere Wege einschlägt als Warcraft: The Beginning. Sogar Nintendo hat angekündigt , das eigene Universum auf die Leinwand zerren zu wollen.

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen

Und ich glaube, dass dies für die meisten Publisher die passendere Herangehensweise ist, wenn es um Verfilmungen der eigenen IPs geht. Der Mittelsmann wird mit den Verleihern umgangen und der Stil der Spiele kann unverfälscht in größere Filmproduktionen verarbeitet werden. So wäre ja in Zukunft denkbar, dass sich Activision Blizzard an einen Animationsfilm zu Overwatch wagt oder einen SciFi-Blockbuster zu StarCraft auf die Beine stellt. Mit Eigenproduktionen könnte das Zielpublikum direkter angesprochen werden und die Publisher laufen keine Gefahr mehr, das Franchise in Hände zu geben, die das besondere "Feeling" der Vorlage nicht einfangen können. Oder ist es Zufall, dass die Flut an großteils gelungenen Comicverfilmungen erst unter Marvels eigener Flagge an die Kinokassen gespült wurde?

Doch diese Eigenverantwortung birgt nicht nur Freiheiten und Möglichkeiten, sondern auch Schwierigkeiten, die es erst einmal zu überwinden gilt. So ganz ohne die Zusammenarbeit mit Verleihern wird es schwierig oder zumindest sehr teuer werden, weltweit in die Kinosäle einzudringen. Diese Form der Infrastruktur ist den Publishern nicht gegeben und für jedes Franchise müsste entschieden werden, ob nicht auch eine Veröffentlichung auf Netflix oder anderen Online-Anbietern wirtschaftlicher wäre. Die Abkehr vom Hollywood-Zirkus würde auch bedeuten, dass bekannte Schauspieler, Regisseure und Kameramänner schwerer zu erreichen sind und das fehlende Prestige mit höheren Gagen kompensiert werden müsste. Und welches Potenzial hätten Videospielverfilmungen eigentlich noch, wenn sie allein auf CGI-Streifen beschränkt wären?


Zudem dürfen wir auch nicht vergessen, dass Werbeclips und Render-Trailer nicht allzu viel mit Filmmacherei zu tun haben. Jeder Bombast verpufft, wenn wir bei 90 Minuten Laufzeit merken, dass Dramaturgie und Szenenaufbau zu wünschen übrig lassen. Natürlich gibt es mit David Cage oder Hideo Kojima auch Personen, die sich filmreife Inszenierungen auf die Fahne schreiben, doch ob Metal Gear Solid-Cutscenes oder Quantic Dream-Techdemos auch im klassischen Filmformat überzeugen können, müsste sich erst noch zeigen. Bislang durften die cineastischen Ambitionen der Publisher nämlich noch nicht für sich allein stehen, sondern waren immer Nebenprodukte, die werbewirksam den Spielvorlagen zuarbeiten sollen.

Aller Anfang ist schwer

Kingsglaive: Final Fantasy XV sieht großartig aus, doch der 110-minütige Animationsfilm ist letztlich nur ein Nachschub zum "Hauptprodukt", der Fans des JRPGs über den Endboss hinaus an das Franchise binden soll. Das ist nicht per se zu verurteilen, schränkt allerdings die Filme in ihrer Erzählkraft ein, die aus der Videospielbranche selbst erwachsen sollen. Aber auch wenn es so viele Dinge zu beachten und so viele filmtheoretische Grundlagen zu lernen gibt, sehe ich bei den DIY-Umsetzungen langfristig spannendere Filme auf uns zukommen als aus der Richtung, aus der bisher die Hitman-, Alone in the Dark- und Super Mario-Verfilmungen angetorkelt kamen.

Bitte versteht mich nicht falsch: Ich möchte Hollywood nicht von allen Pixelgeschichten bereinigen und ich kann ganz sicher nicht über Wirtschaftlichkeit oder Marktanalysen reden. Doch die halbherzigen Umsetzungen, die uns sogar bei den besten Voraussetzungen in den Kinosessel drücken, ermüden mich. Und wenn Blizzard, Ubisoft und Co. erst einmal ihre eigene Bildsprache gefunden haben, dann kann Hollywood ja in ein paar Jahren noch einmal zu Besuch kommen und sich die eine oder andere Marke mal ausleihen. Vielleicht gibt es dann auch die Präzedenzfälle von guten Verfilmungen, an denen sich die Traumfabrik orientieren kann.

Was meint ihr: Hollywood vertrauen oder selber machen?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News