Ich bin nun schon ein paar Kritiken im Verzug, aber für diesen Film brauchte ich nun wirklich keine Notizen zu machen… Nicht weil er schlecht und damit indiskutabel gewesen wäre – ganz im Gegenteil. Endlich mal wieder ein Film, der nicht nur billig schockt, sondern nachhaltig Denkprozesse anstößt.
„They live“ passt -kennt man John Carpenters übrige Filme- nicht so ganz in das Repertoire des Horror-Meisters. Besonders bekannt ist er für Filme wie die „Halloween“-Reihe, in der ein kleiner Junge namens Michael Myers seine halbe Familie ohne erfindlichen Grund niedermetzelt, und so lange nicht ruht, bis er auch den letzten aus seiner Familie vorzeitig in sein Grab befördert hat (Halloween 2 steht auch auf meiner #Horrorctober-Liste). Oder nehmen wir „The Fog“: Hier wird eine Stadt von einem unheimlichen Nebel aufgesucht, der alles und jeden, den er erwischt, zerfrisst. Um noch einen dritten Film zu benennen, könnte man sich auch noch „Das Dorf der Verdammten“ ansehen: Fremde Wesen überfallen plötzlich ein kleines Dorf und sorgen dafür, dass zehn Frauen schwanger werden. Was sie dann auf die Welt bringen, ist das Böse in Form von Kindern – nichts ist schlimmer als böse Kinder in Horrorfilmen oder? Also fast nur -entschuldigen Sie Mr. Carpenter- Unterhaltungsfilme, teilweise mit einer recht flachen Story. Einmal gesehen ist okay, aber man zergrübelt sich nicht gerade den Kopf darüber.
Hier ist es anders: Wir befinden uns in den ausklingenden 80er-Jahren, die meisten Menschen leben in einer „Wohlstandsgesellschaft“, nur einige arme Seelen können in dieser Welt kaum überleben. Zu ihnen gehört unter Anderem auch John Nada (gespielt durch den Wrestler „Rowdy“ Roddy Piper), der nach Los Angeles gekommen war, um eine Anstellung zu finden. Doch gleich am Empfangsschalter des dortigen Arbeitsamtes wird ihm mitgeteilt, dass man für ihn nichts tun könne. Ist das ein kritscher Blick auf den „American Dream“, den „Way of Life“? Mir kommt es fast so vor. Über Umwege kommt John dann an einen Job auf dem Bau und wieder über Umwege und die Tatsache, dass er wohl einem seiner Kollegen auf dem Bau sympathisch war, bekommt er am gleichen Tag noch etwas zu essen. Denn Frank (Keith David), einer seiner Arbeitskollegen, nimmt ihn kurzerhand unter seine Fittiche und zeigt ihm eine Suppenküche. Dort sind viele so arme Teufel wie er gestrandet. Sich von einem Gelegenheitsjob zum nächsten durchschlagend und in dieser trostlosen Einöde festsitzend, dient als einzige Ablenkung ein kleiner Fernseher, der aber in letzter Zeit vermehrt Störsignale auffängt… Hier redet ein Wissenschaftler ständig davon, dass man einen Widerstand organisieren müsse, weil sie schon längst unter uns sind. Sie? Ja, die Frage nach dem „Wer sind sie?“ bleibt erst einmal unbeantwortet. Viel Zeit für genaue Nachforschungen gibt es auch nicht. Denn in der ersten Nacht kommt es gleich zu einer gewaltsamen Räumung der unter freiem Himmel liegenden Suppenküche und der kleinen Kirche gleich nebenan. Die Polizei rückt mit schwerem Gerät auf und fährt mit Bulldozern sämtliches Hab und Gut der Menschen platt. Ab diesem Zeitpunkt macht sich mir zum ersten Mal ein Klos im Hals breit. Irgendwie erinnert dieser Teil des Films an so manche Szene, die man aus Amerika kennt – wenn schwarze Mitbürger unterdrückt und teilweise von der Polizei zu Unrecht schlecht behandelt, geschlagen werden oder ihnen gar Schlimmeres angetan wird. Spätestens jetzt stelle ich mir die Frage: Was erwartet mich noch?
Ab hier „harte“ Spoiler
John, der sich retten kann, findet am nächsten Morgen in der Nähe der Kirche eine Schachtel mit Sonnenbrillen. Diese -so findet er später heraus- dienen dazu, die wahre Welt darzustellen. Wenn man eine Zeitschrift durchblättert und man sieht ohne Sonnenbrille eine Zigarettenwerbung, dann sieht man mit der Brille nur noch die bloße Botschaft bzw. Absicht dieser Werbung. In diesem Fall: Gönn es dir! Du brauchst mich! Aber das reicht noch nicht. Man bekommt nicht nur einen klaren Blick in Bezug auf Werbung. Man sieht auch die Menschen in einem ganz anderem Licht: Denn fast die Hälfte der Menschen sind keine Menschen mehr. Sie sind Außerirdische, Veränderte, Mutierte, wie man sie auch immer nennen möchte. Doch hat die Werbung das aus den Menschen gemacht? Oder waren es tatsächlich Außerirdische? Gibt es hier eine Meta-Ebene, mit der uns John Carpenter sagen möchte: Wir sind alle konsumgeil und das wird uns irgendwann zum Verhängnis? Gut möglich – der Film bietet auf jeden Fall interessante Theorien, die man diskutieren kann. Am Ende schaffen es die Helden dann doch und können diesen ich nenne sie jetzt mal Wesen, ein Schnippchen schlagen.
Für eine ausführlichere Kritik hört bitte in die nächste Folge meines #Horrorctober-Podcasts auf der KinoCouch rein, die in den nächsten Tagen erscheinen wird.
Was bleibt vom Film? Der Film ist nachhaltig, soviel ist mal sicher. Er ist wohl zu seiner Zeit schon ein Weckruf gewesen. Aber funktioniert der auch heute noch? Eine schwierige Frage. Zu verliebt ist unsere Gesellschaft in ihre Smartphones, Tablets, Autos und TVs, die natürlich auch regelmäßig erneuert werden müssen, weil es schlichtweg was Besseres gibt. Ich denke, der Film hat an Aktualität nichts verloren. Die Frage ist nur: Wann lernen wir einen gesunden Umgang mit den Gütern, die unsere Wirtschaft zu bieten hat, und wie lange wird es noch dauern, bis wir unseren falschen Umgang bereuen werden? Also ein Film mit einem erhobenen mahnenden Zeigefinger…
Summa summarum: Ein starker Horrorfilm, mit einer grusligen, schauderhaften These. Ich habe lange grübeln müssen und der Film macht mich noch immer nachdenklich. Guter Film! Muss man mal gesehen haben. Absolut sehenswert!
7/10 Punkten