Alien: Romulus ist einer der schönsten Sci-Fi-Filme aller Zeiten, aber alle seine Ideen sind 45 Jahre alt

15.08.2024 - 12:03 UhrVor 8 Monaten aktualisiert
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Alien: Romulus bringt das größte Sci-Fi-Horror-Franchise zurück ins Kino. Der Film ist eine berauschende Augenweide. Und trotzdem eine Enttäuschung.

"Bau keinen Mist", hat Franchise-Erfinder Ridley Scott dem Alien: Romulus-Regisseur Fede Álvarez für den Film mit auf den Weg gegeben. Optisch ist Alvarez' Fortsetzung des Sci-Fi-Horror-Franchises ein Erfolg auf ganzer Linie. Aber vielleicht hat ihm Scotts Anspruch Angst gemacht. Er huldigt großen Vorbildern wie dem ersten Alien, statt echte neue Ideen zu zeigen.

Das ist vielleicht kein Wunder, immerhin hat der Don't Breathe-Macher die Bürde eines 45 Jahre alten Universums zu tragen. Das sich darüber hinaus am Scheideweg befindet: Scotts Prequel-Herzensprojekte Prometheus und Alien: Covenant waren nicht erfolgreich genug für einen dritten Film. Stattdessen muss jetzt ein junger Horror-Meister und erklärter Alien-Fan der gefeierten Reihe neue Impulse geben.

Alien: Romulus ist der schönste Sci-Fi-Horror überhaupt

Alvarez' Story-Ansatz ist simpel: Eine Gruppe von Freunden um die junge Rain (Cailee Spaeny) will die Flucht von ihrem Heimatplaneten mit Technologie aus einer verlassenen Raumstation ermöglichen. Als sie dort eintreffen, stellt sich die im Orbit treibende Ruine schnell als Todesfalle heraus.

Schaut euch hier den neuesten Trailer zu Alien: Romulus an:

Alien Romulus - Finaler Trailer (Deutsch) HD
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Dem unscheinbaren Story-Ansatz hilft ab Minute eins eine Optik auf die Beine, die ihresgleichen sucht: Wer behauptet, jemals schöneren Sci-Fi-Horror als Alien: Romulus gesehen zu haben, muss Gedächtnislücken haben.

80er-Retro-Technik mit Kippschaltern, schweren Plastikschalen, Röhrenmonitoren und Metallgestellen erinnert an die Originalfilme. Zwischen ledrig-braunen Kosmonautenanzügen, furchteinflößenden Schnellfeuergewehren und massigen Raumschiffmodellen wurde kein Detail dem Zufall überlassen. Über allem liegt eine Schicht von Staub, ein Schmierfilm. Solcher Aufwand ist nicht nur im Genre-Kino, sondern im Hollywood-Filmgeschäft allgemein viel zu selten geworden.

Auch die Computertechnik liefert durchweg grandiose Bilder, wenn etwa eine Station vom reißenden Strom eines Asteroidengürtels unter Explosionen und Feuertürmen aufgerieben wird, während eine fremde Sonne das Schauspiel in gleißendes Licht taucht. Romulus muss sich in dieser Hinsicht vor keinem seiner Franchise-Vorgänger verstecken. Alvarez hat sich allein dadurch schon seinen Platz im Alien-Universum verdient.

Nichts an Alien: Romulus ist wirklich neu

Aber unglücklicherweise gibt es im gesamten Film, abgesehen von den optischen Glanzmomenten nicht eine Szene, die mich überraschen konnte. Das ist seltsam für einen Filmemacher, dessen Finale in Don‘t Breathe für Millionen offener Münder gesorgt hat. Woran liegt das?

Nichts an Alien: Romulus ist im Franchise wirklich neu. Nicht die Raumfahrertruppe mit ihren flapsigen Sprüchen, nicht die verlassene Weltraumruine, nicht der moralisch ambivalente Android, nicht das mysteriöse Verschwinden einer ganzen Besatzung.

Nicht die zeitliche Deadline, die sich plötzlich um die Hälfte verringert, nicht der Kosmonautenanzug, der als letzter Strohhalm den Weltraumtrip ermöglicht. Nicht die bizarre Verquickung von Alien-Infektion und Schwangerschaft. Nicht die weibliche Hauptfigur, die sich als Kämpferin beweisen muss, während ihre männlichen Kameraden sterben wie die Fliegen. Spaeny und Kolleg:innen können nur schwer aus ihren vertrauten Rollen ausbrechen, allenfalls David Jonsson haucht seiner Androiden-Rolle Andy neuen Geist ein.

Zwei Szenen aus Alien: Romulus werden die Sci-Fi-Fans entzweien

War die Autoren Álvarez und Rodo Sayagues so eingenommen von der Dimension ihrer Aufgabe, dass sie niemanden enttäuschen wollten und die bewährtesten Ideen aus dem bisherigen Franchise zusammengekehrt haben? Szenen, in denen dank Dialogzitaten der Fan-Service Höchstwerte erreicht, legen es nahe.

Zwei Momente im Film werden zweifellos für Kontroversen unter Fans sorgen. Für die Qualität des Films sind sie nur insofern relevant, da sie einen viel zu bemühten Bogen durchs Franchise schlagen: Alien: Romulus wirkt, als hätten die Macher ihren Ehrgeiz für eine Rückkehr zu den simplen Wurzeln gezügelt. Aber solche Momente, die den Meta-Bezug einer Marvel-Abspannszene besitzen, fallen aus dem Konzept.

Das Ergebnis ist schlicht nicht eigenständig genug, um bis zum Ende unterhaltsam zu bleiben. Selbst wenn der von manchen gepriesene letzte Akt eine Wendung auf die nächste türmt, kennt man sie alle schon.

Hat das Alien-Franchise eine Zukunft?

Man muss sich aber fragen, ob das Alvarez‘ Schuld ist. Mit einer einzigen Ausnahme laufen die Alien-Filme, selbst die besten unter ihnen, seit 45 Jahren nach demselben Muster ab: Truppe auf Mission findet erst verlassenen Schauplatz und dann die Alien-Brut. Truppe wird um 3/4 oder mehr dezimiert. Am Ende tritt eine durch den Überlebenskampf gestählte Heldin die Weiterreise an.

Dennoch, Prometheus und Alien: Covenant stellten sich in diesem Rahmen ganz neue Fragen, selbst wenn ihre Abkehr von den Franchise-Wurzeln unter Fans umstritten ist. Neue Impulse sind möglich, wenn vielleicht auch nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Alien: Romulus ist dagegen eine Art Greatest Hits-Album. Kein Remake, aber ein Remix. 45 Jahre alte Ideen in neuem Gewand. Was ihn rettet, ist die Liebe, die in dieses Best of Alien geflossen ist: Dieser Film verneigt sich mit größtem Respekt vor seinem Franchise, seinen Fans und seinem Genre.

Ob sich Sequels anschließen, wird die Kinokasse entscheiden. Ich für meinen Teil muss nicht unbedingt wissen, wie es mit Rain weitergeht. Ungenutztes Potenzial besitzt ihre Figur allerdings en masse.

Hat Alvarez‘ also "Mist gebaut"? Nein. Er hat das Franchise nicht schlecht fortgesetzt, er hat es gewissermaßen gar nicht fortgesetzt. So wie der Film sich vor seinen Vorbildern verneigt, verneige ich mich vor der Liebe seines Machers. Aber sein Werk wird mir nicht im Gedächtnis bleiben. Alien: Romulus ist in seinem Fremdbezug makellos, wie die Kopie der Mona Lisa oder eine perfekte Wachsfigur. 1979 wäre es ein Meisterwerk gewesen.

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