Sechs große Verlage, unter anderem die FAZ, die Süddeutsche Zeitung und der Axel Springer-Verlag, haben vorgestern eine Klage gegen die kostenlose “Tagesschau”-App des öffentlich-rechtlichen Senders ARD eingereicht. Was ist der Grund? Da eine App vorrangig aus Text besteht, sehen sich die Verlage in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt. Denn die ARD veröffentlicht damit presseähnliche Angebote ohne Sendungsbezug und dies sei per Änderung im Rundfunkstaatsvertrag verboten. Es dürfte eine schwierige und langwierige Debatte werden, vor Gericht zu definieren, was den “presseähnliche Angebote ohne Sendungsbezug” im Netz sind und gleichwohl werden die Öffentlich-Rechtlichen wohl darüber nachdenken, die Verleger darauf aufmerksam zu machen, dass sie mit Bewegtbild-Angeboten auf ihren Portalen Geld verdienen.
Das, was sich im ganz Großen letztlich auf den alten Streit um alte und neue Pfründe herunterbrechen lässt, macht auch vor den Kleinen nicht halt. Bereits vor sechs Jahren begann der Feldzug zweier Verlagshäuser gegen den perlentaucher und er ist immer noch nicht beendet. Wie Herausgeber Thierry Chervel schreibt, hat der Rechtsstreit nur Verlierer hervorgebracht. Vor knapp vier Monaten musste die neugegründete Seite The Commentarist wieder offline gehen, weil sich ebenfalls zwei Verlagshäuser mit dessen Angebot – das Auffinden und Vergleichen von journalistischen Kommentaren – bedroht sahen und rechtliche Schritte einleiteten. Anderweitig werden kleinere Webseitenbetreiber wegen der Verwendung eines Zitats oder Bildes abgemahnt.
film-zeit.de (einige von euch wissen vielleicht, dass ich diese Seite seit mehr als 7 Jahren betreibe) hat ebenfalls von zwei Verlagshäusern einen blauen Brief erhalten. Urheberrechtsverletzungen stehen zur Debatte, weil es zu den wöchentlichen Kinostarts einen Pressespiegel gibt, in dem Zitate zusammengestellt sind. Wie auch immer sich diese unangenehme Sache in der Zukunft entwickeln wird: Die vielfachen Aktionen der Verlagshäuser können nicht die Lösung sein, um moderne Kommunikationsformen, die zur Meinungsbildung beitragen, in der Gesellschaft zu verankern. Eher sind es abschreckende Methoden, die dazu führen, dass Deutschland immer noch ein Entwicklungsland im Reich des Internets ist.
Ich mag weder für die “Tagesschau”-App noch für die Verlage Partei ergreifen, aber eines zeigt die jüngste Aktion um die große (Geld)Macht im Internet und gegen film-zeit.de auf alle Fälle: Der Gesetzgeber bekommt die enormen Herausforderungen des digitalen Zeitalters nicht in den Griff. So etwa stammt das geltende Urheberrechtsgesetz in seinen Kernaussagen aus dem Jahre 1965, wurde nur minimal verändert und ist überhaupt nicht auf das Internet abgestimmt. Kein Wunder also, dass Markus Beckedahl zu dem Satz kommt: “Jeder, der das Internet aktiv nutzt und Medienkompetenz zeigt, begeht die ganze Zeit Urheberrechtsverletzungen.”
Allerorten wird massiv darauf gedrungen, endlich etwas zu verändern (hier oder hier), aber die deutsche Politik hat geschlafen und es wird Jahre dauern, den aktuellen Stand überhaupt in die Rechtssprechung mit einzubeziehen. Steffen Grimberg von der Taz bringt es im Bezug auf die “Tagesschau”-App auf den Punkt: “In fünf bis sieben Jahren, so die Schätzungen aus der Branche, spricht dann das Bundesverfassungsgericht ein endgültiges Urteil. Mal sehen, ob es dann wenigstens Facebook noch gibt.”
Klar: Der Aufreger der Woche ist wegen film-zeit.de auch ein ganz persönlicher. Aber wie steht ihr zu dieser Sache?