Andy Serkis, der heute seinen 50. Geburtstag feiert, war stets der richtige Mann für die richtige Zeit. Als Peter Jackson um die Jahrtausendwende sich ernsthaft mit einer Verfilmung des Herr des Ringe-Stoffes zu beschäftigen begann, stand er einigen Problemen gegenüber. Eines davon war, eine der Kernfiguren der Romane, ein narrativer Stolper-und Meilenstein, dem Publikum begreiflich zu machen. Wie lässt sich ein Wesen nicht ganz Mensch (Hobbit), nicht ganz Tier darstellen?
Er entschied sich für einen lebendigen Avatar, nicht ganz Mensch, nicht ganz Puppe. Das Bindeglied ist die Illusion, die im modernen Fantasie-Film ausschließlich mit technischen Mitteln herbeigeführt wird. Gerade im Fantasie-Film herrscht paradoxerweise eine dem Zweck ergebene Pragmatik vor. Gerade weil die Welt eines Fantasie-Films eben nicht realistisch ist, müssen es seine in ihm existierenden Elemente sein, die Gesichter, die Wälder, Berge, Höhlen und Monster – nur so lassen die vitale Illusion und die Fantasie sich authentisch unterweisen. Jene immer ausgefeiltere Technik, die das Erdachte, die Fantasie, die Welt produziert und haarscharf auf über tausend Dots per Inch projiziert, ist aber lediglich der Kanal des Authentischen und der Illusion von Realität. Der Sender des Echten, der Mimik und der Emotionen bleibt der Schauspieler und hier kommt Andy Serkis ins Spiel.
Mehr: Andy Serkis im Interview
Der Michelangelo dieses Realismus in der Fantasie ist der am 20. April 1964 geborene Andy Serkis, der Herrscher der Avatare und der Motion-Capture-Technologie, der den abstrakten Realismus im Fantasy-Film etablierte. Einer, der den Fantasy-Film plausibel macht, weil er dessen Figuren nicht nur scheinbar Leben einhaucht, sondern ihnen eine innere Beschaffenheit, eine Seele, Menschlichkeit anheftet. Die Vitalität der fiktionalen Figur touchiert Wahrhaftigkeit. Der getriebene und sich selbst zerreißende Gollum ist dabei inzwischen nur noch Einer von Vielen.
Zur Stelle war Andy Serkis dann wieder 2005. Wieder für Peter Jackson. King Kong, ein großer Blockbuster des frühen 21. Jahrhunderts, erhält seine Daseinsberichtigung erst dadurch, dass zum ersten Mal keine steife Puppe (die mit der richtigen Kamera-Arbeit ebenfalls zum Leben und Leiden erweckt werden kann, aber das ist ein anderes Thema) uns das Entzücken und die Wut des Kong begreiflich macht, sondern ein unmittelbarer Marionettenspieler – im Hintergrund, irgendwie. Irgendwie ist er aber auch an vorderster Front. Denn zwischen animierter Figur und Schauspieler befindet sich nur noch ein hauchdünner Schleier, hinter dem sich fast jedes Gefühl abzeichnet. Urheber dieser Gefühle ist Andy Serkis. Bald, ab Mitte Mai, borgt er sie dem neuen Godzilla.
Es wäre doch Hohn und irgendwie auch heuchlerisch, in einer Geburtstagskarte an den Schauspieler Andy Serkis dessen Rollen ohne das Gewand Motion-Capture, das für ihn nicht ein mal eine Maske darstellt, zu würdigen. Von denen hat Andy Serkis durchaus welche in petto, viele kleine Rollen, typische Nebenrollen. In der Body-Switch-Komödie 30 über Nacht spielt er den Chefredakteur eines Life-Style-Magazins. Einem Schurken gibt er in Tintenherz, eine Hauptrolle mimt er im kleinen Horrorfilm The Cottage. Obwohl sein Gesicht, wenn auch nicht dessen Regungen, meist hinter einem anderen versteckt ist, ist es uns durchaus bekannt. Und wahrscheinlich hätte es der Brite auch verdient, öfter sein wahres Gesicht zu zeigen.
Mehr: Wie Robert Zemeckis digitale Revolution scheiterte
Die Rolle als Kapitän Haddock in Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der ‘Einhorn’ werde ich nie vergessen. Eine gezeichnete, zweidimensionale Figur, den Seiten des Comic-Buches entrissen, in Dreidimensionalität konvertiert, animiert und zum Leben erweckt, krakeelend, fluchend, saufend. Haddock? Wenn, dann Andy Serkis.
Am wohlsten scheint Andy Serkis sich jedoch in Rollen zu fühlen, die auf den verschiedenen Stufen und Schwellen von Menschlichkeit transzendieren.Er kann das Menschliche dem Tier anheim werden lassen und umgekehrt. Oder auch mal Unterschiede ignorieren und negieren. Sensibel dafür sein, wann Zurückhaltung, wann Expressivität sich geziemt. Ein Schauspieler eben, immer bedacht auf die Psychologie des Charakters in der momentanen Situation, das große Ganze im Hinterkopf, egal wie menschlich oder tierisch dieser sein mag. Aber ein besonderer Schauspieler, ein Monopolist seiner Kunst.
Alles Gute von unserer Seite.