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Asia Vu #1: Im Wandel der Zeit

05.05.2015 - 16:47 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Three Times
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Manche Leser erinnern sich bestimmt an meine noch nicht so alte Blogreihe No Data, in der ich jeweils mehrere Filme vorstellte, die sich nicht in der Datenbank von Moviepilot befinden. Die drei Artikel findet ihr hier: Brüste und Suizid, Love is in the Air und Unsichtbar

Eigntlich wäre an dieser Stelle ein vierter Blogartikel dazu erschienen, der sich unter anderem mit Tetsuya Nakashimas The World of Kanako beschäftigt hätte. Da sich dieser Film aber nun in der Datenbank befindet und das Mitmachformular zum Eintragen neuer Filme in einer Closed Beta steckt, erledigt sich das Problem fehlender Filme über kurz oder lang selbst. Und bevor ich hier von Filmen spreche, die dann vielleicht schon wenige Tage später über einen Datenbankeintrag verfügen und die Blogreihe ad absurdum führen, dachte ich mir, wird es Zeit für ein nicht unähnliches Nachfolgeprojekt.

Asia Vu habe ich das getauft, denn meine bisherigen vorgestellten Filme kamen - wenig überraschend - allesamt aus Asien. Dort gibt es nunmal viel zu entdecken, vor allem viele Filme, die meinen geschmacklichen Vorstellungen entsprechen. Diese neue Reihe wird fortan nicht mehr davon abhängig gemacht, ob ein Film bereits in der Datenbank vorhanden ist oder (noch) nicht, was mir natürlich noch mehr Flexibilität erlaubt, unbekannte, übersehene oder generell einfach empfehlenswerte Filme aus Japan, Korea, Hongkong, China, Taiwan, Thailand und anderen asiatischen Ländern vorzustellen.

Heute dreht sich alles um Filme, in denen verschiedene Epochen eine Rolle spielen. Es geht um vergangene und gegenwärtige Zeiten, um ihre Gemeinsamkeiten und ihre Unterschiede.

Eros Plus Massacre (Erosu purasu gyakusatsu) | Yoshishige Yoshida | Japan | 1969

Es hat schon seinen Grund, warum Filmwissenschafler David Desser seine gleichnamige 200-seitige Einführung in das Japanese New Wave Cinema nach Yoshidas Epos benannt hat. Der dreieinhalbstündige Brocken von einem Film verdeutlicht wie kein zweiter den kulturellen Quasi-Beginn einer neuen Zeitrechnung in Japan, als die Nachkriegszeit zu einer Neuausrichtung führte, die sich berufen sah, mit den alten Werten und Traditionen zu brechen. Eine biografisch anmutende Abhandlung der letzten Tage des Anarchisten Osugi, der in den 20er Jahren ermordet wurde, und ein paralleler Handlungsstrang in der Gegenwart um zwei Studenten, die diese Historie experimentell aufarbeiten, verwebt Yoshida zu einem metareflexiven Geflecht, das Japan ein neues Bild von sich selbst aufzeigt. Auch ästhetisch entpuppt sich der Film als avantgardistische Studie, die Grenzen verschwimmen lässt, Grundpfeiler einreißt und die traditionsreiche, konservative Kultur mit post-modernen Gedanken, ja, mit einer neuen Welle konfrontiert. Inwiefern der alles andere als zugängliche Eros Plus Massacre der beste Einstieg in die Japanese New Wave ist, darüber lässt sich selbstverständlich streiten. Einige interessierte Moviepiloten haben den Film natürlich längst auf dem Schirm, doch diejenigen, die davon noch nie gehört haben, - und das sind leider eine ganze Menge - sollten sich dieses, zugegeben anstrengende, aber auch ungemein lohnenswerte Mammutwerk vormerken.

Welcome to Dongmakgol | Park Kwang-hyun | Südkorea | 2005

Um bei dem losen Konzept Zeit zu bleiben: Die koreanische Mischung aus Drama, Komödie und Antikriegsfilm Welcome to Dongmakgol führt uns und seine Protagonisten in ein abgelegenes Dorf, das wie ein Relikt der Vergangenheit in der Zeit stehen geblieben scheint. Als sowohl nord-, als auch südkoreanische Soldaten, von ihren Einheiten getrennt, dort Unterschlupf finden, sind die Dorfbewohner überrascht; von einer Teilung des Landes und einem Krieg haben sie in all den Jahren nichts mitbekommen. Vielleicht ist aber dieser unglaublich scheinende Anachronismus, der eine Idee liefern kann, in welche Richtung sich Koreas Zukunft und die Zukunft der dort lebenden Menschen bewegen könnte. In einem allmählichen Prozess wird der Feind entdämonisiert und eine Basis von gegenseitigen Verständnis geschaffen. Schade nur, dass die traurige Gegenwart die Protagonisten beider Seiden unaufhaltsam einzuholen droht.

Three Times (Zui hao de shi guang) | Hsiao-hsien Hou | Taiwan | 2005

Die Liebe und ihre Entfaltung ist einerseits stets von dem Umständen ihres zeitlichen Kontexts geprägt, gleichzeitig aber auch immer ein universales Gefühl, ein zeitloser Zustand, vielleicht der menschlichste überhaupt. Hou widmet sich diesem Ansatz in einem Film über drei Liebesbeziehungen aus drei verschiedenen Epochen in drei unterschiedlichen Regiestilen, die den Zuschauer jeweils in die Jahre 1911, 1966 und 2005 versetzt. Wo sich Menschen und Gesellschaften im Laufe der Zeit verändern, wo Vergangenheit und Gegenwart in allen Belangen für immer getrennt scheinen, ist es die Liebe, die alles vereint und sich tapfer den sozialen und temporalen Hindernissen entgegenstellt. An Hous herausragendem Episodenfilm Three Times gibt es eigentlich kein Vorbeikommen, wenn man sich an das taiwanesische Kino heranwagen möchte.


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