Breaking Bad - Warum Die Fliege die beste Episode ist

20.01.2018 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Die Fliege
AMC
Die Fliege
Die viel gescholtene Episode Die Fliege zeigt ganz genau, was so großartig an Breaking Bad ist - und ist deshalb auch mein absoluter Favorit.

Es könnte sein, dass Regisseur Rian Johnson bei den Reaktionen auf Star Wars 8: Die letzten Jedi ein kleines Déjà-vu durchleben musste: Während der Großteil der Kritiker seinen Film für die starke Inszenierung, die mutige Erzählung und seine Andersartigkeit im Vergleich zu den anderen Teilen der Reihe lobte, scheinen viele Fans ihm genau diesen Mut zur Selbstständigkeit ziemlich übel zu nehmen. Ganz ähnlich sah es auch 2010 aus, nachdem seine Breaking Bad-Episode Die Fliege (Staffel 3, Folge 10) erstmals ausgestrahlt worden war.

Während die meisten Episoden der Serie eine durchschnittliche imdb-Benutzerbewertung von mindestens 9 (von 10) aufweisen, bildet die Die Fliege eine krasse Ausnahme: Die erste von Rian Johnson inszenierte Episode kommt nur auf einen Schnitt von 7,6. Auch hier wurde dem Regisseur seine eigenwillige Handschrift zum Verhängnis. Der Folge wurde Langeweile attestiert, viele Zuschauer bemängelten zudem, dass die Handlung auf der Stelle treten und sie sich allgemein wie ein Fremdkörper innerhalb der Serie anfühlen würde. Doch gerade diese Punkte sind es auch, die mich nun zu der Aussage bewegen, dass Die Fliege (OT: Fly) nicht nur einer der absoluten Serien-Höhepunkte sondern vielmehr ein herausragendes Monument für die Merkmale ist, die Breaking Bad zu einem so außergewöhnlichen Seherlebnis machen.

Ungewöhnliches Kammerspiel mit zweieinhalb Protagonisten

Die gesamte Episode wird davon dominiert, dass Walter White (Bryan Cranston) wahnhaft versucht, eine Fliege zur Strecke zu bringen, die durch das Labor brummt, in dem er gemeinsam mit Jesse Pinkman (Aaron Paul) das berühmt-berüchtigte blaue Meth für Gustavo Fring (Giancarlo Esposito) herstellt. Und Rian Johnson versucht erst gar nicht, die vorsätzliche Andersartigkeit seiner ersten Breaking-Bad-Arbeit (in Staffel 5 folgten die Episoden 51 und Ozymandias, der hochgelobte Auftakt zum großen Finale) zu verschweigen: Das obligatorische Intro besteht aus Nahaufnahmen einer Stubenfliege, untermalt vom gesäuselten Wiegenlied Hush, Little Baby. Eine der nächsten Sequenzen zeigt Walter und Jesse, wie sie das Labor säubern, wobei immer wieder ungewöhnliche Hard-Cuts und Kameraperspektiven eingestreut werden - so sehen wir das Geschehen unter anderem zeitweise aus der Perspektive einer rotierenden Bürste. Die anschließende Solo-Fliegenjagd von Walter unterhält zudem mit fast slapstickhaftem Humor, wenn der Meth-Koch und Familienvater mit aller Macht versucht, das surrende Insekt niederzustrecken und dabei sowohl sein eigenes Heil als auch das der Laboreinrichtung in den Hintergrund rücken.

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Gerade dieses Herausfallen aus jedem gewöhnlichen Rahmen ist es, was Breaking Bad für mich so besonders macht und weshalb die Show noch immer so offensichtlich aus dem sich stetig ausbreitenden Sumpf der Drama-Serien heraussticht. Beinahe jede Episode bietet einen individuellen visuellen Stil, erzählerische Kniffe oder sonstige verspielte Eigenarten - aber keine kann so sehr als Exempel für das eigenwillige Wesen von Breaking Bad angeführt werden wie Die Fliege.

Reichlich Zeit zur Charakterdefinierung

Was die Fliege-Gegner als Langeweile oder auf der Stelle treten bezeichnen, würde ich vielmehr genügend Zeit zur Charakterentwicklung nennen. Natürlich möchte man in einer Serie erfahren, wie die Haupthandlung sich weiterentwickelt (wohl auch ein Grund, weshalb zuletzt Die verlorene Schwester, die siebte Episode der zweiten Staffel Stranger Things, die Fans so spaltete). Aber tatsächlich nehmen sich Showrunner Vince Gilligan, Regisseur Rian Johnson sowie die Drehbuchautoren Sam Catlin und Moira Walley-Beckett hier zum Glück die Zeit und nutzen den große Vorteil des Serienformats: Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen 120-Minuten-Blockbuster kann Figuren die nötige Zeit zur Entfaltung und Charakterentwicklung zugestanden werden. Und genau das geschieht in Die Fliege mit Walter, indem er gemeinsam mit Jesse in einen Raum gesperrt und dort zum (unterhaltsamen und schimpfwortreichen) Zwiegespräch gezwungen wird, woraus schließlich die Figurenentwicklung resultiert.

Walter White mit seiner selbst gebastelten Fliegenklatsche.

In dieser Folge wird nämlich deutlich, wie es um Walters in Mitleidenschaft gezogenes Seelenleben steht. All die vorangegangenen Erfahrungen haben eine tiefe Narbe hinterlassen: Die Angst vor dem skrupellosen Gus Fring, der Verlust der Kontrolle über sein engmaschiges Lügengeflecht, der unklare Status seiner Ehe mit Skyler (Anna Gunn). All das sorgt dafür, dass Walter einen Nervenzusammenbruch erleidet, der sich in der Entwicklung einer Zwangsneurose niederschlägt. Nur die Vernichtung der Fliege zählt noch, die angebliche Kontamination des Labors kann schnell als Vorwand zur Verschleierung der wahren Gründe ausgemacht werden. Ganz deutlich wird das Problem des Chemikers in einem der besten Monologe aller fünf Staffeln: Ruhig und ausführlich berichtet er Jesse von seiner Todessehnsucht, indem er erklärt, dass er den richtigen Moment verpasst habe, sein Leben zu beenden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist sowohl ihm als auch Jesse und uns Zuschauern klar, dass es hier lange nicht mehr um das Eliminieren eines Insektes geht, sondern vielmehr um Angst, Reue, Selbsthass, Verzweiflung. Die gebrochene Seite von Walters Charakter wird in Die Fliege geschliffen, der durch seine abscheulichen Taten (wie das tatenlose Zusehen bei Janes Tod) möglicherweise in uns angestauten Groll wieder abgebaut und durch vorsichtiges Mitleid ersetzt.

You'll never cook alone

Aber auch für die Partnerschaft zwischen Walter und Jesse ist Die Fliege von großer Bedeutung. Nachdem sich das Duo in der zweiten Staffel zerstritten hatte und es zeitweise nach endgültigem Bruch roch, schweißt sie ein gemeinsamer Moment wie der im Labor wieder enger zusammen. Auch wenn sich die Stimmung bei weitem noch nicht mit Friede, Freude, Eierkuchen beschreiben lässt, zeigen die letzten Minuten der Episode, dass die außergewöhnliche und über ein geschäftliches Verhältnis weit hinausgehende Verbindung der beiden bruchsicherer ist, als man zwischendurch vermuten konnte. Besonders deutlich wird dies, wenn Jesse alles gibt, um die Fliege endlich ihrem Schöpfer zuzuführen, obwohl selbst der von Schlaftabletten benebelte Walter erklärt, dass es nicht nötig sei. Oder wenn dieser offensichtlich weiß, dass Jesse für das Verschwinden von so mancher Portion Methamphetamin verantwortlich ist, ihn deswegen jedoch nicht angreift, sondern lediglich warnt.

Jesse und Walter, Geschäftspartner. Oder doch Freunde?

Diese ruhigen Momente, die vollständig der Entwicklung von Figuren und deren Beziehungen zueinander dienen, sind ebenfalls einer der ganz großen Vorzüge von Breaking Bad. Und wie schon bei der Individualität der Serie kann auch dafür wieder Die Fliege als hervorragendes Beispiel dienen.

Trotz allem verstehe ich es, dass die Episode bei vielen Fans auf Ablehnung stieß, ist sie doch nochmal deutlich spezieller als der Rest. Für mich ist sie aus oben genannten Gründen aber ohne jede Frage einer der absoluten Serien-Höhepunkte. Ich würde sogar so weit gehen, sie als beste aller Folgen zu bezeichnen, da Rian Johnson eben genau das, was Breaking Bad für mich ausmacht, nicht einbringt, sondern gleich exzessiv abfeiert.

Was haltet ihr von Die Fliege? Und was ist eure Lieblingsepisode von Breaking Bad?

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