Vor 8 Jahren lief das Sherlock-Finale – enttäuschte Fans erfanden die Verschwörungstheorie von einer geheimen Zusatzfolge

16.01.2025 - 14:04 UhrVor 3 Monaten aktualisiert
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Viele Sherlock-Fans waren damals alles andere als happy mit dem Finale der Krimiserie. Einige gingen sogar so weit, von einer weiteren Episode zu träumen.

Die 2010er Jahre hatten einige der besten Serien überhaupt zu bieten – und einige der frustrierendsten Finalstaffeln. Neben Game of Thrones, das am Ende enormes Potenzial verschenkte, zählen viele auch die BBC-Serie Sherlock mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman als Holmes und Watson dazu.

Selbst Hardcore-Fans sind sich einig, dass die 4. und letzte Staffel ziemlich zu wünschen übrig ließ. Doch während die meisten diesen bedauernswerten Fakt hinnahmen, war der Drops für manche noch lange nicht gelutscht. Was, wenn das Finale absichtlich schlecht war? Was, wenn das alles zu einer cleveren Meta-Erzählung gehört, die es Sherlock-mäßig zu entschlüsseln gilt? Was, wenn es eine geheime 4. Folge von Staffel 4 gibt?

Warum einige Sherlock-Fans nach dem Serienfinale an eine geheime Sonderfolge glaubten

Sherlock begann als vielversprechende Neuinterpretation des Krimiklassikers von Arthur Conan Doyle, den Showrunner Steven Moffat (Doctor Who) ins moderne London verfrachtete. Neben Einzelfällen wurde bereits ab Folge 1 eine homoerotisch aufgeladene Rivalität zwischen Sherlock und dem kriminellen Mastermind Moriarty (Andrew Scott) aufgebaut und auch zwischen Watson und dem brillanten Ermittler fühlte es sich oft nach mehr als nur freundschaftlicher Baker Street-WG an. Queerbaiting lautet das Stichwort.

Staffel 2 endete mit Der Reichenbachfall auf einem Mega-Cliffhanger, als Moriarty und Sherlock scheinbar ums Leben kommen. Wie der Freelance-Detektiv das Ganze überleben konnte, beschäftigte die Anhänger:innen der Eventserie zwei Jahre lang zwischen den Staffeln. Als es dann endlich weiterging, stellte sich heraus, dass Moffat und Co. nicht halb so sehr an einer schlüssigen Erklärung interessiert waren, wie die Fans. Gleichzeitig zog der Staffelauftakt Der leere Sarg queere Hoffnungen für die Serie, die jahrelang damit kokettiert hatte, auf zynische Weise ins Lächerliche.

Kein gutes Zeichen, aber für die drei abschließenden Folgen von Staffel 4 schalteten alle wieder ein. Okay, der Auftakt wirkte sehr uninspiriert und die zweite Folge stand mehr oder weniger für sich. Aber mit dem Serienfinale Das letzte Problem (Premierentag: 15. Januar 2017) würde man doch bestimmt noch einen Knaller hinlegen, wenn es um Sherlocks Vergangenheit und die Beziehung zu seinen Lieben geht. Stattdessen handelte das Finale von seiner verrückten Schwester, die mit Moriarty vor Jahren schon Saw-Todesspiele für ihren Bruder vorbereitet hatte. Auweia.

The Lost Special: Das waren die "Beweise" für die 4. Folge der 4. Sherlock-Staffel:

Nicht nur Fans, die sich wünschten, dass John und Sherlock als Paar (aka JohnLock) zusammenfinden, waren vom Finale enttäuscht. Es waren aber eben diese Fans, die nach dem Ende nicht aufgaben. Einige sprachen auf Tumblr schon seit langer Zeit von The JohnLock Conspiracy (TJLC) – also der Theorie, dass die Serie insgeheim auf eine Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren hinarbeitet. Die 3. Folge der 4. Staffel war demnach nicht wirklich das Serienfinale, sondern eine Finte, die durch einen Mindpalace-Twist oder Ähnliches im wahren Finale aka Folge 4 aufgeklärt werden muss.

Um fair zu sein: Es gab einige Hinweise, die man als Beweise dafür deuten konnte, wenn man sie unbedingt sehen wollte. Hier nur ein Auszug der weitreichenden Verschwörung (via Sherlock-Subreddit ):

  • Sherlock sagt in der 2. Folge der 4. Staffel, dass die Leute immer nach drei aufgeben, obwohl er ein viertes Aufnahmegerät im Raum versteckt hatte. Kombiniere: 4. Folge confirmed!
  • Während eines Q&As sprach Showrunner Steven Moffat scherzend (?) von einer weiteren Folge aka The Lost Special.
  • Eine kryptische Website (thelostspecial.com) stichelte Fans an, die Sherlock-Serie weiterhin wie ein Alternative Reality Game (ARG) zu behandeln und zu entschlüsseln – sie würde sich später als Fan-Streich entpuppen.
  • Den BBC-Sendeplatz von Sherlock sollte eine Woche später eine Adaption von Apple Tree Yard mit Emily Watson (!) in der Hauptrolle übernehmen.
  • Die Website zum Sherlock-Ersatz war eine Zeit lang unzugänglich und zeigte einen 404 Fehler, den man auch als 4x04 lesen könnte: Staffel 4, Folge 4.

Die Woche nach dem Finale ging vorüber und was auf BBC One lief, war keine neue Sherlock-Folge, sondern Apple Tree Yard aka Nachdem ich ihm begegnet bin – ein Fernsehfilm mit Schauspielerin Emily Watson. Für viele war hier Schluss mit der Sherlock-Verschwörung, manche wollten es immer noch nicht wahrhaben. Ähnliches Verhalten sieht man bei Mitgliedern von Weltuntergangskulten, wenn das datierte Armageddon doch noch auf sich warten lässt: Es wird rasch eine Ausrede und ein neues Datum gesucht.

Einige Fans konnten einfach nicht wahrhaben, dass Sherlock und John nicht zusammenkommen und die Serie auf so einem Tiefpunkt endete. Nicht zuletzt, weil Co-Autor Mark Gatiss selbst schwul ist und als Inspirationsquelle einen seiner Lieblingsfilme namens Das Privatleben des Sherlock Holmes angegeben hatte (via The Guardian ), in dem das Duo wie ein altes Ehepaar zusammenlebt. Zudem wurde Fans durch Andeutungen der Autoren weisgemacht, dass es mehr Hinweise in der Serie zu entschlüsseln gibt, als es am Ende der Fall war.

  • Auch interessant: Benedict Cumberbatch wurde vor 20 Jahren bei Dreh entführt

The Final Problem: Die Sherlock-Verschwörung wirft weite Schatten

Das Thema Sherlock und speziell JohnLock-Verschwörung beschäftigt auch Jahre später noch viele Menschen. Wie viel Interesse weiterhin an der TV-Enttäuschung besteht, sieht man unter anderem an den Abrufzahlen von zwei beliebten YouTube-Essays zum Thema: Der Sherlock-Verriss von Hbomberguy  etwa hat sage und schreibe 15 Millionen Aufrufe auf der Plattform, das TJLC-Video von Sarah Z  immerhin 2,5 Millionen.

Letztere bringt dabei ein wertvolles Argument vor, das man unbedingt beachten sollte, ehe man zu streng mit den hartnäckigen Fans hinter der Sherlock-Verschwörungstheorie ins Gericht geht:

Fast alle Leute, die uns via E-Mail [für das Video] kontaktierten, gaben an, dass sie zur Zeit der Serienausstrahlung queere Teenies waren. Was bedeutet, dass es eine Gruppe hoffnungsvoller junger Leute war, die Repräsentation wollten und noch nicht vom Fernsehen desillusioniert waren.

Wie so oft wird deutlich, dass Autor:innen große Verantwortung tragen. Nicht nur, ihr Publikum zu kennen und ernstzunehmen, sondern auch, von unnötigem Queerbaiting abzusehen. Keine LGBTQ-Geschichte zu erzählen, ist in Ordnung, einen ganzen leidenschaftlichen Flügel der Fanbase mit ständigem Kokettieren damit bei der Stange zu halten, war es eigentlich auch im letzten Jahrzehnt nicht.

Letztlich ging es bei der Sherlock-Verschwörung nicht darum, eine weitere Folge Content seiner Lieblingsserie zu bekommen – sondern darum, gesehen zu werden und sich selbst reflektiert zu sehen.

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