Queere Tropen in Supernatural, Sherlock und Co. erklärt: Von Bury Your Gays bis Queerbaiting

26.06.2024 - 11:00 UhrVor 8 Monaten aktualisiert
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Die Film- und Seriengeschichte strotzt vor problematischen Mustern, wenn es um queere Figuren und Geschichten geht. Hier sind die gängigsten Tropen aus Sherlock, Supernatural, Harry Potter und Co. erklärt.

Im Pride Month 2024 zelebrieren wir queere Geschichten und Figuren aus Filmen und Serien. Wir haben euch bereits eine Reihe von aktuellen Beispielen vorgestellt, die es unserer Meinung nach richtig machen. Schauen wir in die Film- und Seriengeschichte zurück, war queere Repräsentation jedoch nicht immer so zahlreich und vielfältig ‒ und hat dabei auch nicht immer nur Gutes beigetragen.

Aus nur langsam wachsender gesellschaftlicher Akzeptanz, fehlender Sichtbarkeit und noch wenig etablierten Sehgewohnheiten haben sich über die Jahrzehnte bestimmte Tropen herausgebildet, die leider auch heute noch immer vereinzelt bedient werden. Von Bury Your Gays bis Queerbaiting wollen wir euch einmal einen Überblick über fünf der Gängigsten geben.

Queerbaiting

Queerbaiting setzt sich aus den englischen Wörtern queer und baiting zusammen. Baiting kann auf Deutsch in etwa mit "Ködern" übersetzt werden. Demnach wird Queerbaiting häufig im Zusammenhang mit Figuren und Geschichten in Filmen und Serien verwendet, in denen Queerness durch Gespräche oder Verhaltensweisen impliziert, jedoch nie offen ausgelebt wird. Laut Echte Vielfalt  soll damit ein queeres Publikum angesprochen werden, die Inhalte auf die Hoffnung hin, queere Repräsentation zu sehen konsumieren, ohne diese jemals zu erhalten.

Populäre Beispiele aus der Serienwelt sind unter anderem Supernatural und Sherlock. Die Freundschaft zwischen Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) und John Watson (Martin Freeman) wird in der BBC-Serie von anderen Figuren als queer gelesen und hinterfragt. Die Serie spielt mit dieser Lesart, indem sich die beiden häufig in Situationen wiederfinden, in denen sie unfreiwillig körperliche Nähe aufnehmen oder ihre Gefühle füreinander ausdrücken müssen. Anstatt dies wahrzumachen, bestreiten die beiden Figuren sowie die Serienmacher:innen etwaige homoerotische Tendenzen jedoch beinahe schon auf homophobem Level.

Supernatural geht mit Hauptfigur Dean Winchester (Jensen Ackles) und Engel Castiel (Misha Collins) ähnlich um, stößt dabei jedoch noch weitere problematische Türen auf. Für viele Fans gehörte die implizierte Beziehung der beiden Männer zum Kanon der Serie, die erst in der letzten Staffel offen aufgegriffen wurde. So gesteht Castiel Dean in Staffel 15 tatsächlich seine Liebe ‒ kurz bevor er einen tragischen Tod erleidet und wortwörtlich zur Hölle fährt. Womit Supernatural direkt eine weitere bekannte Trope bediente.

Bury Your Gays

Bury Your Gays kann auf Deutsch in etwa mit "Begrabe deine Homosexuellen" übersetzt werden. Der Ausdruck beschreibt das Muster in Filmen und Serien, das queere Figuren ein tragisches Schicksal ereilen lässt ‒ meist sogar einen tragischen Tod. Das Muster geht weit in die Film- und sogar Literaturgeschichte zurück, in der mit queerem Subtext aufgeladene Figuren mit dem Tod einerseits für ihre Sexualität "bestraft" wurden.

Andererseits wird dabei mit billigen und einfachen Mitteln Emotionalität und Mitleid für ohnehin mit einem negativen Narrativ aufgeladene Menschengruppen erzeugt, was wiederum Stereotype festigt und positive Konnotationen mit queeren Lebensformen nahezu unsichtbar macht.

Diesem Schicksal mussten sich bereits Figuren des Klassischen Hollywood wie etwa in Alfred Hitchcocks Cocktail für eine Leiche oder Nicolas Rays ... denn sie wissen nicht, was sie tun fügen. Der bereits genannte Castiel aus Supernatural ist dafür ein modernes Beispiel.

Auch als Dead Lesbian Trope (auf Deutsch "Tote Lesben Trope") bezeichnet, fielen in den letzten zehn Jahren diesem Muster laut einem Bericht von GLAAD (via LGBTQIA+ Fandom ) jedoch besonders häufig weibliche Figuren aus der LGBTQ+ Community zum Opfer. So auch Lexa (Alycia Debnam-Carey) aus The 100, die in der siebten Folge von Staffel 3 nur wenige Minuten, nachdem sie mit einer anderen Frau intim wird, stirbt.

Selbst die für queere Repräsentation gefeierte Serie Killing Eve reihte sich in seiner letzten Episode mit Villanelles (Jodie Comer) für einen billigen Schock-Moment inszenierten Tod tragischerweise in diese problematische Trope ein. Wie genau sich das entfaltet, könnt ihr in unserem Podcast zu den schlimmsten Serienenden nachhören.

Sissy Villain / Depraved Homosexual

Mit der Bury Your Gays Trope gehen häufig auch die Sissy Villain sowie Depraved Homosexual Tropen einher. Erstere beschreibt das Muster, Bösewichte mit femininen Eigenschaften und queerem Subtext zu zeichnen, die sich stark vom maskulinen und heteronormativen Ideal des Helden abheben. Da Bösewichte in Filmen häufig mit dem Tod oder einem grausamen Schicksal bestraft werden, trifft diese Figuren dazu besonders häufig auch die Bury Your Gays Trope. Beispiele hierfür sind etwa Silva (Javier Bardem) aus James Bond 007 - Skyfall, Moriarty (Andrew Scott) aus Sherlock sowie zahlreiche Disney-Bösewichte wie Jafar aus Aladdin und Scar aus Der König der Löwen.

Depraved Homosexual beschreibt das ähnlich gelagerte Muster, queer konnotierte Figuren als "verdorben", pervers oder gewalttätig und mörderisch zu zeichnen. Diese treten ebenfalls häufig als Bösewichte auf und werden nicht weniger selten für ihr Verhalten mit dem Tod bestraft. Beispiele sind etwa der bereits genannte Loeb aus Hitchcocks Cocktail für eine Leiche, Butler Thomas Barrow (Robert James-Collier) aus Downton Abbey oder Tom Ripley (Matt Damon) aus Der talentierte Mr. Ripley (via Advocate ).

Word of Gay

Die Word of Gay Trope (angelehnt an den Ausdruck Word of God, "Das Wort Gottes") bezieht sich auf Aussagen, die von den Macher:innen des Films oder der Serie über bestimmte Figuren und ihre Beziehungen gemacht werden, ohne diese explizit so in den Filmen und Serien zu zeigen. Ein Beispiel wären etwa die Aussagen von J.K. Rowling zu Albus Dumbledores Homosexualität in der Harry Potter-Reihe, nachdem die Bücher veröffentlicht wurden. Somit fand dieses auch keinen Einzug mehr in die Harry Potter-Filme.

In der Phantastische Tierwesen-Reihe machte sie Dumbledores Homosexualität schließlich auch im Drehbuch und Film explizit zum Thema ‒ das jedoch erst ab dem zweiten Teil.

Laut TV Tropes  wird dieses Muster von Film- und Serienmacher:innen ähnlich wie auch Queerbaiting verwendet, um einerseits ein LGBTQ+ Publikum anzuziehen, gleichzeitig jedoch "die Teile des Publikums nicht zu verärgern, die sich damit nicht wohlfühlen".

Gay Best Friend (GBF)

Eine queere Figur als beste Freund:in der Hauptfigur ist eine weitere gängige Trope aus der Film- und Serienwelt, die queere Figuren häufig sehr eindimensional und stereotyp als emotionale Unterstützung oder Mode-Beratung zeichnet und gleichzeitig als komödiantischen Sidekick fungieren lässt.

Beispiele sind etwa Kurt Hummel (Chris Colfer) aus Glee, Stanford Blatch (Willie Garson) aus Sex and the City oder Kevin Keller (Ryan Grantham) aus Riverdale (via Advocate).

Podcast im Pride Month 2024: Wie queer ist die Serienwelt wirklich?

Wir machen bei Streamgestöber einen Realitätscheck, wie LGBTQ+ freundlich Serien 2024 tatsächlich sind:

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Auch 2024 ist es noch nötig, die Queer-Freundlichkeit der Serien-Landschaft zu prüfen. Obwohl beim größten Streaming-Anbieter Netflix viele queere Figuren und LGBTQ+ inklusive Serien zu streamen sind, steht das leider nicht stellvertretend für die restliche Streaming-Welt.

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