Das Warten hat sich gelohnt: 28 Years Later ist ein absolut großartiges Film-Monstrum, das sich unter die Haut beißt

18.06.2025 - 23:01 Uhr
28 Years Later
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Danny Boyle und Alex Garland kehren mit 28 Years Later zu einem ihrer größten Hits zurück. Doch hat sich die lange Wartezeit auf die Fortsetzung gelohnt? Das verraten wir euch in unserem Film-Check.

Tinky Winky, Dipsy, Laa-Laa und Po: In all den Jahren, in denen wir auf 28 Years Later gewartet haben, dürfte niemand damit gerechnet haben, dass eines Tages ausgerechnet die Teletubbies die Rückkehr in die Zombie-Apokalypse markieren würden. Mit strahlenden Gesichtern hüpfen sie zu drolliger Zirkusmusik aus ihrem Hügelhaus und winken einer Gruppe von Kindern vor dem Fernseher entgegen.

In deren Augen spiegelt sich allerdings nicht die Sorglosigkeit des Tubbylands mit seiner lächelnden Sonne, sondern das pure Grauen, das sich in den Nebenräumen abspielt: Lautes Poltern, panische Schreie und der flehende Blick einer Mutter, ehe das Blutvergießen auch vor den Kindern nicht haltmacht. Verstörender hätten sich Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Alex Garland nicht zurückmelden können.

Mit freundlich lächelnden Teletubbies kehrt 28 Years Later in die abgeriegelte Hölle Großbritanniens zurück

23 Jahre sind vergangen, seitdem Boyle und Garland mit 28 Days Later den Zombie-Mythos ins 21. Jahrhundert brachten und die lebenden Toten als rasende Infizierte durch Londons Straßen schickten. Die lose Fortsetzung 28 Weeks Later öffnete in ihren letzten Minuten das Tor nach Europa. Mit den Teletubbies als Opening Act macht der neue Film jedoch früh deutlich, dass Großbritannien das Zentrum der Geschichte bleibt.

Eine Insel, die komplett unter Quarantäne steht: Hier kommt niemand rein und raus. In weiter Ferne sind verschwommen die Lichter von Patrouillenschiffen zu erkennen. Was sich dahinter verbirgt, kann sich der junge Spike (Alfie Williams) nur vorstellen. Mit seinen 12 Jahren ist er ein Kind des Rage-Virus, das mit Pfeil und Bogen auf die Jagd geht und angesichts eines Frisbees nicht weiß, wie er den Gegenstand einzuordnen hat.

Spike lebt mit seinen Eltern Isla (Jodie Comer) und Jamie (Aaron Taylor-Johnson) in einer Gemeinschaft, die sich auf eine kleine, abgelegene Halbinsel zurückgezogen hat. Seine Mutter leidet unter einer rätselhaften Krankheit, sein Vater bildet ihn im Überlebenskampf aus. Als er das erste Mal das Festland betritt, wecken Rauchsäulen am Horizont Spikes Neugier: Was existiert da draußen, von dem ihm niemand erzählen will?

Boyle und Garland wenden wenig Zeit auf, um zu erklären, was in den 28 Jahren seit dem ersten Teil passiert ist und halten sich mit ihren Bezügen zu den Vorgängern generell recht vage. Vielmehr steht das Entdecken der postapokalyptischen Welt durch die Augen eines Jugendlichen im Vordergrund, was 28 Years Later abseits der offensichtlichen Horror- und Thriller-Elemente in einen endzeitlichen Coming-of-Age-Film verwandelt.

Erwachsenwerden am Ende aller Tage: 28 Years Later entpuppt sich als unerwartet starker Coming-of-Age-Film

Carl aus The Walking Dead und natürlich Ellie, die gerade in The Last of Us um ihr Leben kämpft, kommen in den Sinn, wenn Spike die Beziehung zu erwachsenen Personen sucht, um Orientierung zu finden. Früher oder später stößt er aber auf menschliche Abgründe, die noch viel erschreckender sind als der offensichtliche Tod, der vor den Toren seiner Heimat lauert und sich unermüdlich stampfend durch die Fluten bewegt.

28 Years Later braucht allerdings weder Negan noch Abbey, die mit bestialischen Taten das "Gute" zerschmettern, um Spikes Schmerz herauszuarbeiten. Die Fehler und Lügen seines Vaters sowie die Blindheit der Brexit-Dorfgemeinschaft, in die er hineingeboren wurde, bringen den Jungen dazu, Reißaus zu nehmen und seine Mutter im Alleingang zu retten, was uns zum Road-Movie-Charakter des Originals zurückführt.

Spike muss ein Stück Heimat niederbrennen, um das größere Bild der Welt zu verstehen, das Boyle selbst nur fragmentarisch mit wild eingeworfenen Schreckenssequenzen in den Film schleust. Plötzlich tränkt sich der Nachthimmel in kreischendes Rot und die Infizierten rennen als Dämonen mit glühenden Augen durchs Unterholz – allen voran Alpha, der als ultrabrutaler Uruk-hai des 28-Universums durchgeht.

An die perfekte Mischung aus digitalem Bildrauschen und stürmischem Regen, der sich in 28 Days Later zu John Murphys pulsierendem Meisterwerk In the House – In a Heartbeat auf der Tonspur steigert, kommt zwar keine der geschickt konstruierten Sequenzen von 28 Years Later heran. Nach all den Jahren hat Boyle aber nichts von seinem Biss als Regisseur verloren und lehnt sich kompromisslos in die Raserei seiner modernen Zombies.

28 Years Later ist ein weiterer digitaler Extremfilm von Danny Boyle, der vor absolut nichts zurückschreckt

Nach der rohen Camcorder-Ästhetik des ersten Films greifen Boyle und Kameramann Anthony Dod Mantle nun u.a. auf Drohnen und iPhones zurück. Mitunter wurden 20 der Apple-Geräte auf eine ovale Vorrichtung geschraubt, um 180-Grad-Aufnahmen zu erschaffen, die genauso unmittelbar wie schockierend sind. 28 Years Later fühlt sich dadurch unheimlich immersiv an, als würde das Rage-Virus im Film selbst toben.

Mit stockenden Bildfolgen und verzerrenden Objektiven bahnen wir unseren Weg durch heruntergekommene Vororte, verlassene Tankstellen und einen Palast aus Totenköpfen, der die zuvor gezeigten Körper des Films in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt. Mal sind sie aufgequollen, mal in orange-braune Farben getränkt. Mal bringen sie neues Leben in die Welt, mal werden sie einfach auseinandergerissen.

Wie unschuldig die Teletubbies in den ersten Minuten unter der Babysonne tanzten. Spike muss im Schnelldurchlauf erwachsen werden und erlebt gleich mehrere Extreme in dieser britischen Endzeitvision, die Boyle als rabiate Pop-Art-Odyssee rahmt. Was man sich auch immer unter einer Fortsetzung zu 28 Days Later vorgestellt hat: 28 Years Later ist ein absolut entfesseltes und unerwartet emotionales Film-Monstrum geworden.

28 Years Later läuft ab dem 19. Juni 2025 in den deutschen Kinos.

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