Der erste Tatort aus Dortmund - Alter Ego

23.09.2012 - 21:45 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Tatort Kritik - Alter Ego
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Die Neuen auf dem Schulhof haben es immer schwer. So auch das Tatort-Team aus Dortmund, das für seinen ersten Fall Alter Ego lauter Klischees in die Waagschale wirft, was nicht immer von Erfolg gekrönt ist.

Der Tatort ist in Dortmund angekommen. In seinem ersten Einsatz Tatort: Alter Ego bekommt es Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) mit einem nicht sonderlich einfallsreichen Fall und einem neuen Team zu tun. Dementsprechend fällt das Urteil über die Newcomer aus Dortmund aus: Das Potenzial steckt vor allem in der Dynamik der überraschend gleichberechtigten Ermittler, weniger in der aus anderen Genrevertretern bekannten (wir könnten auch sagen: geklauten) Ansammlung von Ermittler-Klischees, die über altbekannte Wendungen hinwegtäuschen sollen.

Lokalkolorit: Dortmund, Perle des Ruhrgebiets oder sowas in der Art, wird in Tatort – Alter Ego passend zum Titel durch Gegensätze skizziert. Hier die Hightech-Zentren von Morgen, dort die Ruinen der industriellen Vergangenheit. Damit äußert sich die lokale Verwurzelung des neuen WDR-Tatorts zumindest stärker als alles, was wir in den letzten Jahren von den Kollegen aus Köln gesehen haben. Zwischen den Fronten der aufeinanderprallenden Epochen navigiert der Heimkehrer Faber. Wenn wir ihm abseits seiner Exzentrizitäten (dazu später mehr) eines zu Gute halten können, dann sein Vermögen, sich nicht festlegen zu lassen. Einem Chamäleon gleich scheint er sich seiner Umgebung anzupassen, was die amüsante Sequenz in der Schwulenbar offenlegt. Aber nur fast. Wirklich gehört dieser Faber nie dazu, ist weder der Sympathisant der kleinen Leute, noch der Yuppies, also genau richtig für diese Stadt.

Mehr: Tatort – Eine Hochzeitsnacht als Albtraum

Plot: Ein junger Mann wird, von einem Laken und Desinfektionsmittel bedeckt, ermordet aufgefunden. Sein Liebhaber, ein religiös motivierter Schwulenhasser und diverse andere Gestalten geraten in Verdacht. Dass ausgerechnet Michael Rotschopf, ein Gesicht mit der Lizenz zum Bösewicht, den verkappten Homosexuellen und Mörder Hendrik Strehlsen spielt, treibt die Spannung nicht gerade ins Unermessliche. Schauspielerisch bleibt Rotschopf dafür eine Bank, was sich besonders in seinen dichten Szenen mit dem ebenfalls vom Theater kommenden Jörg Hartmann zeigt. Dass wir Strehlsen am Ende nicht einmal für seine Tat hassen können, liegt mehr am Darsteller als an der bereits tausendmal gesehenen Story, die der Tatort herunterbetet.

Unterhaltung: Denn eigentlich hat Tatort – Alter Ego alle Hände voll zu tun, um uns das neue Dortmunder Team näherzubringen. Da wäre die junge Liebe zwischen den Kommissaren Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske), der kauzige Pathologe™ Jonas Zander (Thomas Arnold), die angedeuteten Eheprobleme von Hauptkommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) und natürlich Faber. Faber, der nach dem Verlust seiner Familie Antidepressiva schluckt und bei Befragungen mit Bildschirmen herumfuchtelt. Faber, dessen Heim wie eine Müllhalde aussieht und der gerne mal auf dem Dach seiner alten Schule über das Leben sinniert. Faber, nach Felix Murot (Ulrich Tukur) ein weiterer kranker Tatort-Kommissar mit alter Karre und nach Frank Steier (Joachim Król) ein weiterer dauerzerknitterter Tatort-Kommissar, der in seinem Büro haust. Faber, dessen Ermittlungsmethoden ziemlich platt von Hautnah – Die Methode Hill und ähnlichen Shows abgekupfert wurden.

Tiefgang: Besagter Faber versucht sich nämlich in die Mörder hereinzuversetzen, nur sagt er statt du, wie Tony Hill oder der weniger empathische Sherlock, ich, was in Tatort – Alter Ego zu 90 Prozent unfreiwillig komisch und gezwungen wirkt (“Ich wollt’ dich nackt sehen von Anfang an!”). Zwar gefällt die unterschwellige sexuelle Spannung zwischen Faber und Bönisch. Es bleibt trotzdem zu hoffen, dass die Profiler-Talente des Neulings in kommenden Folgen anders dargestellt werden. Solch ausgefallene Methoden werden einem überstilisierten Thriller verziehen. In einem konventionellen Tatort rutschen sie ins Lachhafte ab. Diese Mätzchen hat der Krimi nämlich nicht nötig, bleibt sein größter Pluspunkt doch die Teamarbeit; was auch Faber einsehen muss.

Mord des Sonntags: Hier das Liebesspiel der beiden Cops, dort das Messer in der Brust und der eingeschlagene Schädel obendrauf.

Zitat des Sonntags: “Hab da unten meine Kindheit verbracht. Manchmal ist das alles, was man noch hat.”

Durchwachsen mit Luft nach oben ist der erste Fall der neuen Tatort-Kommissare aus Dortmund. Seht ihr das auch so?

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