In den Neunzigern gab es eine Zeit, in dem jeder zweite Videotheksbesuch, jedes dritte Samstagabend-TV-Event einen Film mit Andy Garcia zu Tage förderte. Etwa bis Mitte des Jahrzehnts war das so. Damals brannte sich mir Andy Garcia auf einer Leih-VHS als großäugiger italo-amerikanischer Rookie-Cop in Die Unbestechlichen von Brian De Palma auf ewig ins Filmhirn ein. In mittelmäßiger Bildqualität. Ich war ganz sicher nicht alt genug, um den Streifen zu sehen. Aber Andy Garica, der Good Guy innerhalb des Good Guy-Teams von Eliot Ness, war das ins Gegenteil verkehrte Spiegelbild von Al Capone. Ein Blick in seine Augen und das Vertrauen vor dem Hintergrund einer Welt voller Korruption war da. Mit dieser Rolle befreite sich Andy Garcia vom bösen Latino-Stereotyp seiner TV-Karriere und feierte ganz nebenbei seinen Durchbruch zum Kinostar. Heute begeht er seinen 55. Geburtstag.
Wie gesagt, es gab diese Zeit, in der Andy Garcia eine Konstante in meiner Filmsozialisation war mit Auftritten in Black Rain, Jennifer 8, When a Man Loves a Woman und Internal Affairs – Trau’ ihm, er ist ein Cop. Er war nicht übermäßig präsent, suchte sich seine Projekte gezielt aus, aber er war da, als Leading Man und Qualitätsgarant. Und dann irgendwie nicht mehr. Um die Jahrtausendwende herum verwandelte sich Andy Garcia in einen Nebendarsteller, den wir teilweise mit der Lupe suchen mussten. In Ocean’s Eleven war er der Böse und wohl der einzige Darsteller am Set, der nicht beständig den Zuschauern zuzwinkerte: “Hey, ich bin ein Star und das hier ist übrigens voll meta!” Hauptrollen dagegen spielt Andy Garcia nur noch in vereinzelten Independent-Produktionen wie Modigliani, der leider nicht einmal einen deutschen Starttermin erhalten hat.
Seine Rollenwahl Ende der Neunziger hatte sicher ihre Auswirkungen auf Andy Garcias Karriere. Ein paar Flops genügen, um aus einem Leading Man einen Supporting Actor zu machen. Genug zu tun hatte er wohl trotzdem. Im neuen Jahrtausend gelang es ihm endlich, sein Traumprojekt The Lost City umzusetzen. Als Regisseur, Komponist und Hauptdarsteller widmete sich Andy Garcia darin seiner kubanischen Herkunft. Seine Familie war nach der Invasion in der Schweinebucht von der Insel in die USA geflohen und musste dort von ganz unten neu anfangen. Der Film musste viel Kritik einstecken wegen seiner unreflektierten, negativen Sicht auf die kubanische Revolution. Er war aber auch der Ausdruck eines leidenschaftlichen Künstlers, der Filme nicht einfach nur so auswählt, für den Filme nicht nur ein Job wie jeder andere sind. Genau das hat Andy Garcia immer ausgezeichnet.
Schade ist, dass wir momentan nicht mehr von ihm sehen können. Wir wünschen dem frischgebackenen 55-jährigen trotzdem oder gerade deswegen alles Gute zum Geburtstag!