"Jeder über 40 sollte gezwungen werden, [Heartstopper] zu schauen", erklärte Bridgerton- und Wicked-Star Jonathan Bailey vor wenigen Wochen gegenüber Vanity Fair . Der Schauspieler hat in der 3. Staffel von Heartstopper einen Gastauftritt als Autor, den Charlie (Joe Locke) und Nick (Kit Connor) bei einer Lesung kennenlernen. Von der Netflix-Serie schwärmte er in den höchsten Tönen: "Heartstopper scheint Menschen eine Art Katharsis und melancholische Nostalgie dafür zu geben, was hätte sein können. Ich jedenfalls habe all das gefühlt."
Damit spricht Jonathan Bailey wohl nicht nur mir, sondern auch vielen anderen aus der Seele. Doch würde ich noch eine Sache hinzufügen, die Bailey sicherlich ebenfalls damit meinte: Nicht nur alle über 40 sollten sich Heartstopper unbedingt anschauen ‒ sondern auch alle unter 40 (wenn sie es nicht sowieso schon tun). Denn es gibt aktuell wohl kaum eine andere Coming of Age-Serie, die so gut und wichtig ist wie der Netflix-Hit.
Netflix-Hit Heartstopper ist die perfekte Coming of Age-Serie
Heartstopper dreht sich um die britischen Jugendlichen Charlie und Nick, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten: Charlie ist schüchtern und kreativ und gehört an seiner Schule zu den Außenseiter:innen ‒ unter anderem, weil er für sein offenes Schwulsein gemobbt wird. Nick ist Captain des Rugby-Teams der Schule und bei den meisten beliebt. Ausgerechnet die beiden werden in einer Arbeitsstunde nebeneinandergesetzt. Sie lernen sich kennen und verlieben sich.
In der 1. Staffel wohnen wir der langsamen und äußerst awkward anmutenden Annäherung der beiden bei, wobei vor allem Nicks Realisation um seine Bisexualität im Fokus steht. Im Verlauf der 2. Staffel festigt sich ihre Beziehung bei einem gemeinsamen Schulausflug nach Paris. In der 3. Staffel wird diese Beziehung schließlich auf eine harte Probe gestellt, denn Charlie leidet an einer Essstörung. So sehr Nick versucht, ihm dabei zu helfen, muss er schnell einsehen, dass hier Kräfte am Werk sind, die er nicht allein bewältigen kann.
Schaut euch hier den Trailer zu Heartstopper Staffel 3 an:
Neben Nick und Charlie bilden ihre Freund:innen, die ihre ganz eigenen Probleme mitbringen, das Herz der Serie. Elle (Yasmin Finney) wechselt nach ihrer Transition an eine Mädchenschule und muss sich in einem neuen Umfeld zurechtfinden, bevor sie Jahre der körperlichen Dysphorie mit einer ersten Beziehung vereinen muss. Cineast Tao (William Gao) steckt der Tod seines Vaters tief in den Knochen, was ihn in Freundschaften und in seiner Beziehung zu Elle oft an seine Grenzen bringt.
Darcy (Kizzy Edgell) wird von deren Mutter nicht fürs Queersein akzeptiert, weshalb Darcy sich vor deren Freundin Tara (Corinna Brown) verschließt. Die ist es noch nicht gewohnt, von anderen als offen queer wahrgenommen zu werden. Isaac (Tobie Donovan) fragt sich unentwegt, was mit ihm nicht stimmt, weil er sich zu niemandem so recht hingezogen fühlt. Und Imogen (Rhea Norwood) macht eigentlich immer nur das, was alle anderen von ihr erwarten.
Dieser bunte und vielseitige Haufen ist jung, chaotisch und zuckersüß. Er katapultiert uns in unsere eigene Jugend zurück, wo die großen Fragen des Lebens an der Tagesordnung standen und sich jedes Gefühl noch zehnmal so intensiv anfühlte. Damals ging es darum, dazuzugehören oder sich abzugrenzen, sich auszuprobieren und selbst zu finden ‒ mit allen wundervollen Höhen und schrecklichen Tiefen.
Auch Heartstopper lässt seine Figuren immer wieder auf den harten Boden fallen und zeigt ihnen die bittere Realität auf. Die Serie sammelt sie im Vergleich zu vielen anderen Coming of Age-Formaten jedoch mit einmaligem Feingefühl wieder auf und zeigt sowohl ihnen als auch uns als Zuschauenden, wie einfach es hätte sein können ‒ und wie einfach es für viele sein könnte, wenn man die richtigen Menschen und Vorbilder an seiner Seite hat.
Das mag für manche unrealistisch klingen, für andere überzogen oder politisch zu korrekt. Als seltenes positives Beispiel positiver Repräsentation und Sichtbarkeit ist Heartstopper aber ein ultimativer Meilenstein und büßt auch absolut nichts an Unterhaltung ein. Im Gegenteil verleiht es der Serie mehr Tiefe und emotionale Tragkraft, die Folge für Folge mitzureißen weiß.
Hearststopper zeigt auch in Staffel 3, dass es eine der aktuell besten und wichtigsten Serien ist
Die 3. Staffel eröffnet uns noch einmal eine ganz neue Ebene, indem das Thema psychische Gesundheit einen starken Stellenwert gewinnt. Tabuthemen wie Anorexie und die Auswirkungen auf Betroffene sowie Angehörige werden mit einer Sensibilität behandelt, wie man es selten zuvor in Film und Fernsehen gesehen hat und schaffen eine erweiterte Form der Sichtbarkeit. Die Heartstopper-Kids werden langsam erwachsen und geben der Serie neben vielen leichten Momenten dazu eine neue Ernsthaftigkeit.
Mit einer Wertung von 8,1 von 10 Punkten steht auch die Moviepilot-Community voll hinter dem Netflix-Hit, dessen 3. Staffel bei Rotten Tomatoes einen perfekten Presse-Score von 100 (!) Prozent genießt. Kein Wunder, dass die neue Season auch in unserem Ranking der besten Serien des Jahres vertreten ist.
Katharsis hat es Jonathan Bailey genannt. Ich nenne es ein Pflaster für die Wunden aller queeren (inneren) Kinder und Personen, die sich früher immer irgendwie anders und falsch gefühlt haben ‒ und eine Einladung zur Empathie. Würden alle über und unter 40 Heartstopper schauen, wäre die Welt zweifellos eine bessere.