Die James Bond-Reihe ändert komplett ihren Kurs: Der Regisseur von Teil 26 ist der beste Beweis dafür

28.06.2025 - 08:11 Uhr
James Bond
Sony/MGM
James Bond
0
0
Der nächste James Bond-Film hat mit Denis Villeneuve offiziell seinen Regisseur gefunden. Ein Fan-Traum bleibt damit unerfüllt. Die Ansage dahinter kann in Hollywood trotzdem niemand ignorieren.

Christopher Nolan ist es nicht geworden. Viele Fans hatten in den vergangenen Monaten gehofft, dass der gefeierte Blockbuster-Regisseur endlich den Zuschlag bei einer James Bond-Mission erhält. Nicht zuletzt griff er bereits in Filmen wie Inception und Tenet vertraute Elemente der seit über sechs Jahrzehnten auf der großen Leinwand existierenden Agentenreihe auf. Bei Bond 26 sollte es aber nicht funktionieren.

Stattdessen wird Dune-Regisseur Denis Villeneuve den 007-Neustart unter dem Dach von Amazon MGM in Szene setzen – und das ist eine Ansage, die weder von Hollywood noch den Fans ignoriert werden kann. Villeneuves als zukünftiger Bond-Regisseur ist der wohl spektakulärste Coup in der aktuellen Blockbuster-Landschaft, der Nolan am nächsten kommt. Das neue Bond-Team lässt seine Muskeln spielen.

So etwas hat es in der Geschichte der Reihe noch nie gegeben.

Bisher waren in der James Bond-Reihe vor allem (sehr gute) Regie-Handwerker unterwegs

Mit dem Übergang von Timothy Dalton zu Pierce Brosnan fand auch hinter den Kulissen ein großer Wechsel bei der Bond-Reihe statt: Produzent Albert R. Broccoli übergab die 007-Schlüssel in die Hände seiner Tochter Barbara Broccoli und seines Stiefsohns Michael G. Wilson. Broccoli und Wilson entwickelten die neuen Filme mit größter Sorgfalt, um die Marke nachhaltig zu stärken und dem Zeitgeist anzupassen.

Zwei Bond-Generationen betreuten sie im Kino: Brosnan und Craig. Und für den jeweiligen Reboot holten sie sich denselben Regisseur: Martin Campbell. Warum ist das wichtig? Ganz einfach: Campbell ist das, was man in Hollywood einen Handwerker nennt, also einen sehr zuverlässigen Regisseur, der einen Blockbuster pünktlich und im Rahmen des Budgets abliefert – und alle Tricks des jeweiligen Genres auf Lager hat.

Oft wird der Begriff des Regie-Handwerkers negativ konnotiert verwendet, was ein großes Missverständnis ist. Denn ein guter Handwerker erledigt in der Regel gute, mitunter sehr gute Arbeit. Gute Handwerker gibt es gerade in Hollywood viel zu wenige. Für Broccoli und Wilson war entscheidend, jemanden zu haben, der ihre Vision umsetzt und ein millionenschweres Filmprojekt problemlos über die Bühne bringt.

GoldenEye und Casino Royale sind zwei der herausragenden Beispiele, die bei dieser Kombination herauskommen können. Broccoli, Wilson und Campbell ergänzten sich auf beste Weise, was die Rollenverteilung angeht. Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle die enge und mehrmalige Zusammenarbeit mit dem Autorenduo Neal Purvis und Robert Wade, die im Grunde in jeden Bond seit 1999 involviert waren.

Broccoli und Wilson wollten ihre James Bond-Vision nie einem Regisseur unterordnen

Jedes Mal, wenn sich Broccoli und Wilson einem eigenwilligeren Regisseur näherten, kam es zu Problemen. Am deutlichsten haben wir das in der Craig-Ära erlebt. Die Produktion von Ein Quantum Trost unter der Regie von Marc Forster, der zuvor noch nie einen Action-Blockbuster gedreht hatte, war ein einziges Chaos, befeuert durch den WGA-Streik 2007/2008. Das Ergebnis laut Rezeption: ein wüstes Schnittmassaker.

Den Extremfall markiert Craigs letzte Mission: Ursprünglich sollte Danny Boyle jenen Film umsetzen, der schlussendlich unter dem Titel Keine Zeit zu sterben ins Kino kam und von Cary Joji Fukunaga inszeniert wurde. Boyles Wunschtraum für ein exzentrisches Bond-Finale kollidierte mit den Vorstellungen der Produzent:innen. Kein Wunder, dass bei einem solch harten Regiment ein Nolan-Bond niemals zustande kam.

Christopher Nolan war nie bescheiden, wenn es darum ging, seiner Bond-Liebe Ausdruck zu verleihen. Wie wir inzwischen wissen, wollte er nach Tenet tatsächlich einen Bond-Film drehen. Die Frage über die kreative Ausrichtung des Projekts entpuppte sich jedoch als Dealbreaker. Auf keinen Fall wollten Broccoli und Wilson ihm den sogenannten Final Cut überlassen, also die Kontrolle über die finale Schnittfassung des Films.

Diese Strenge macht Broccoli und Wilson fast zu Bösewicht:innen in ihrer eigenen Reihe. Dennoch lässt sich nicht abstreiten, dass sie James Bond in drei sehr bewegten Dekaden als modernen Event-Blockbuster und einen der wenigen konstanten Gegenpole zum Superheldenkino positionieren konnten. Ganz zu schweigen davon, wie sie Amazon nach dem Kauf von MGM (bis vor Kurzem) in Schach gehalten haben.

Unter der neuen James Bond-Spitze könnte sich die Reihe so sehr verändern wie noch nie

Als sich der Versandriese das Traditionsstudio vor drei Jahren einverleibte, fürchteten viele Fans, dass sich James Bond in ein Mega-Franchise mit Spin-offs und Serien verwandelt. Broccoli und Wilson konnten die Marke jedoch unabhängig halten, hatten offenkundig aber auch keine Idee, wie es nach der Craig-Ära weitergehen soll. Keines der unzähligen Gerüchte aus den vergangenen Jahren ist auf fruchtbaren Boden gefallen.

Anfang des Jahres trennten sich Broccoli und Wilson von Bond und sorgten für den größten Bruch der Reihe. Viele Fans sahen ihre Befürchtungen darin endgültig bestätigt: Jetzt folgt das Ausschlachten einer behutsam kuratierten Marke – willkommen im JBCU, dem James Bond Cinematic Universe! Bisher ist von dieser filmischen Apokalypse noch nichts in Sicht. Im Gegenteil: Die Bond-Reihe wirkt gerade aufregender denn je.

Das liegt vor allem an der neuen Doppelspitze: Amy Pascal und David Heyman leiten den ersten Bond-Neustart seit 20 Jahren in die Wege. Beide kennen sich dank Spider-Man und Harry Potter mit Blockbustern und Franchises bestens aus und haben erstklassige Filme auf den Weg gebracht. Vor allem aber gelten sie als talentfreundlich und stellen somit einen großen Kontrast zu Broccoli und Wilson dar.

Wo es für Christopher Nolan am Vetorecht von Broccoli und Wilson kein Vorbeikommen gab, hätte er bei Pascal und Heyman definitiv eine Chance gehabt, einen Bond-Film nach seinen Vorstellungen zu modellieren. Nicht zuletzt arbeiteten die beiden bereits mit Ausnahmeregisseur:innen wie Alfonso Cuarón, Greta Gerwig und Luca Guadagnino zusammen, ganz zu schweigen von Steven Spielberg und Quentin Tarantino.

Denis Villeneuve rückt den Bond-Neustart in die Richtung eines Elevated Blockbusters

Dass Pascal und Heyman nun als erste offizielle Amtshandlung eine der markantesten Stimmen des gegenwärtigen Blockbuster-Kinos für Bond 26 engagiert haben, ist ein eindeutiges Signal an Fans und Branche: James Bond bleibt weiterhin eine bedacht kuratierte Marke und öffnet sich trotzdem neuen Geschichtenerzählern, die unter dem alten Regime keine Chance gehabt hätten, beim MI6 das Sagen zu übernehmen.

Ob Villeneuve ein guter oder überhaupt geeigneter Bond-Regisseur ist, spielt zunächst keine Rolle. Es geht nicht einmal darum, ob Villeneuve wirklich eine eigene Handschrift hat. Selbst wenn er nur sehr gut darin ist, die richtigen Leute um sich zu scharen, ist er einer der wenigen Filmemacher, der sich in den vergangenen Jahren als Name behaupten konnte, der geschliffene Must-See-Blockbuster ins Kino bringt.

Gerade im Sci-Fi-Bereich hat Villeneuve mit Arrival, Blade Runner 2049 und den beiden Dune-Filmen einen steilen Aufstieg hingelegt und eine Kinobewegung angeführt, die sich am ehesten als Elevated Blockbuster umschreiben lässt. Also große Filme, nicht selten auch Franchise-Filme, die auf keinen Fall gewöhnlich wirken wollen, sondern sich bewusst zu einem erlesenen Leinwandereignis stilisieren.

Elevated Blockbuster sprechen ein breites Publikum an, ohne auf künstlerische Qualität zu verzichten und beeindrucken durch unverkennbare Elemente auf der audiovisuellen Ebene. Der kürzlich gestartete Blood & Sinners von Ryan Coogler ist das beste Beispiel dafür. Hochkarätige Besetzungen gehören genauso dazu wie exzellente Produktionswerte sowie eine aus überlegter Perspektive erzählte Geschichte.

Risiko und Möglichkeiten: Das bedeutet Denis Villeneuves James Bond-Engagement

Kann ein James Bond-Film mit all seinen seit Jahrzehnten wiederkehrenden Elementen überhaupt ein Elevated Blockbuster sein? The Batman von Matt Reeves hat überzeugend vorgemacht, dass selbst eine schon zigfach erzählte Superheldengeschichte mit dem Ansatz eines Elevated Blockbusters völlig anders wirken kann. Gleichzeitig ist die Franchisisierung des Ganzen bisher nur bedingt erprobt.

Denis Villeneuves Bond-Interpretation könnte zu einer gewissen Abhängigkeit führen: Was ist, wenn er den Neustart mit seinem Team so stark prägt, dass es für andere Filmschaffende sehr schwer wird, die Reihe so locker fortzusetzen wie bisher. Immerhin hat es seine Gründe, warum Warner Bros. unbedingt Villeneuve für Dune: Messiah zurückhaben wollte. Der Regisseur verschwimmt mit dem Franchise.

Campbells James Bond-Filme bilden bis heute stabile Fundamente, die vor allem eine Aufgabe erfüllen: Sie verschmelzen einen Star mit der ikonischen Titelrolle. Danach will man unbedingt mehr von Brosnan als unbesiegbaren oder Craig als verletzlichen Bond sehen. Aber dürstet es einem bei Dune nach mehr von Timothée Chalamets Paul Atreides? Oder einfach nach mehr von Denis Villeneuves Dune?

Freiheitsschlag und Einbahnstraße liegen hier sehr dicht beieinander. Wir wissen bisher allerdings wenig über die konkreten Bond-Pläne von Pascal und Heyman. Wollen sie eine neue Ära starten oder überlegen sie womöglich, Bond in eine Anthologie zu verwandeln, bei der jeder Film mit neuem Hauptdarsteller daherkommt? Villeneuves Engagement verrät zumindest, dass sich bei Bond jetzt einiges in Bewegung befindet.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News