Dr. Psycho - Polizei oder Therapie?

07.05.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Das Team um Christian Ulmen (l.) aus Dr. Psycho
ProSieben Media AG
Das Team um Christian Ulmen (l.) aus Dr. Psycho
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Ralf Husmann? Das ist doch der Stromberg-Typ! Richtig, aber nicht nur für Stromberg war er verantwortlich, sondern auch für Dr. Psycho, die Christian Ulmen-One-Man-Show, die dann doch keine war.

Dr. Max Munzl (Christian Ulmen) ist Polizeipsychologe. In Dr. Psycho wird er vom Jugendvollzug in die Abteilung für organisiertes Verbrechen in Köln versetzt. Hoch motiviert will er dort seinen ersten Arbeitstag antreten, trifft aber nur auf Ausgrenzung durch seine neuen Kollegen. Das liegt zum einen daran, dass die Abteilung im Allgemeinen unterbesetzt ist und niemand sich so richtig erklären kann, warum denn auf einmal trotzdem Geld für den unbrauchbaren Psychoheini übrig ist. Zum anderen haben alle Mitarbeiter Angst, von Max durchleuchtet zu werden, denn jeder von ihnen hat sein eigenes Kreuz zu tragen.

Da wäre zum einen der cholerische Eddie (Hinnerk Schönemann), der vielleicht nicht gerade vor Intelligenz strotzt, jedoch einen guten Kern besitzt. An seiner Seite arbeitet die robuste Kerstin (Polizeiruf 110-Kommissarin Anneke Kim Sarnau). Als einzige Frau auf dem Revier versucht sie sich zu behaupten, indem sie ihre weibliche Seite versteckt. Hinzu kommt ihr chronisches Pech beim anderen Geschlecht, was ihr Selbstvertrauen auf ein Minimum reduziert hat. Der dritte im Bunde ist Victor (Roeland Wiesnekker), von allen Vicki genannt (wohl gemerkt mit hartem V). Victors bester Freund ist der Alkohol. Anfangs hat es allerdings den Anschein, dass dies nur Max auffällt. Im Laufe der Zeit stellen wir jedoch fest, dass einfach niemand sein Problem anspricht, um das Gefüge im Team nicht zum Wackeln zu bringen. Chef der ganzen Truppe ist Hendricks (Ulrich Gebauer). Dieser scheint immer wieder komplett überfordert und sieht Max nur als Hindernis für seine Polizeiarbeit.

Das klingt alles sehr kaputt. Max sieht das genauso. Das Team an sich hält sich allerdings für vollkommen funktionstüchtig, sodass Max niemals so richtig in der Truppe ankommt. Dabei wäre es so wichtig für ihr, denn auch er hat persönlich nicht das beste Los gezogen. Seine Frau Lena (Annika Kuhl) hat ihn für einen anderen verlassen, sodass er nun mit seinem Hund Freud allein wohnen muss. Zu allem Überfluss zieht später auch noch sein Vater (Hanns Zischler) bei ihm ein, der seit dem Tod seiner Ehefrau nicht wirklich mit dem Haushalt klar kommt. Falls euch das alles zu viele Personen auf einmal sind, hab ich hier einen kleinen Einblick in die erste Folge. Quasi zum Anfüttern.


Ralf Husmann hat Christian Ulmen mit Dr. Psycho die perfekte Rolle auf den Leib geschneidert, bei der ihm sehr viel Spielraum für Improvisation gelassen wurde. Natürlich gibt es hier nicht viele Unterschiede zu seinen Figuren in Herr Lehmann, Der Fischer und seine Frau oder etwa Männerherzen zu entdecken, aber über manch einen Schauspieler freue ich mich einfach, wenn ich ihn in der selben Rolle in anderem Umfeld noch einmal erleben darf. Das ist die kleine Freude dieser Serie.

Das Große und Ganze bestimmen jedoch seine Kollegen. Anneke Kim Sarnau verkörpert die Unsicherheit stellvertretend für die komplette deutsche Fernsehlandschaft und zementiert ihre Rolle in einem Selbstvertrauenspanzer, der auffälliger nicht sein könnte. Roeland Wiesnekker gibt den Alkoholiker, den von uns niemand bei der Polizei wissen möchte, so auf den Punkt gespielt, dass es beim Zusehen schon weh tut. Dass die Rolle in der zweiten Staffel ein wenig an Konsistenz verliert, lässt mich eine Träne verdrücken.

Das Herzstück der Serie ist allerdings der gute Eddie. Hinnerk Schönemann (Gefährten, die Marie Brand-Reihe) spielt hier so gut auf, wie seitdem leider nie wieder. Das Rostocker Nordlicht zeigt uns, dass zur Gutmütigkeit keinerlei Gedankengänge notwendig sind. Die Nächstenliebe, so pathetisch es auch klingen mag, kommt aus dem Herzen. Und wahrscheinlich ist Eddie die einzige Figur im Fernsehen, der man das Vertauschen von als und wie verzeihen kann.

Klar ist Stromberg Ralf Husmanns großer Wurf gewesen. Und leider hat Dr. Psycho auch seine Wermutstropfen. Nicht jeder behandelte Fall lässt mich dichter an die Mattscheibe rücken und der Untertitel Die Bösen, die Bullen, meine Frau und ich macht auch nicht gerade Lust auf mehr. Aber eine so dermaßen von einander abhängige Polizeitruppe haben wir wohl lange nicht mehr im deutschen Fernsehen sehen können. Die verschrobenen Charaktere halten sich gegenseitig über Wasser und keiner von ihnen weiß so recht, warum. Dann kommt "dieser Tsücho" (Zitat Eddie) und wirbelt alles durcheinander, was doch so schön funktioniert hat. Zum Glück konnten wir von Anfang an dabei sein.

Trotz Grimme Preis und Kritikerlob stellte Pro7 die Serie nach zwei Staffeln und 14 Folgen 2008 wegen schwacher Quoten ein. Schade ist das schon, denn das Potential von Dr. Psycho war auf keinen Fall ausgeschöpft.

Wer Lust auf mehr Christian Ulmen hat, dem empfehle ich Ulmens Auftrag, eine seiner späten MTV-Shows an der Seite von Nora Tschirner. Dort hat er nämlich noch um einiges mehr freie Hand für Improvisation. Und eben Nora Tschirner.

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