Ein mieser Film mit politischer Sprengkraft

17.09.2012 - 08:50 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Lehren aus 'Innocence of Muslims'
Lehren aus 'Innocence of Muslims'
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Ein in den USA produzierter Billigfilm, der den muslimischen Religionsstifter Mohammed beleidigt, hat Unruhen in der arabischen Welt ausgelöst. Wir fassen die Ereignisse zusammen und überlegen uns, welche Lehre Filmfans aus der Geschichte ziehen können.

Die bisherige Bilanz liest sich verheerend: tote Demonstranten in mehreren arabischen Ländern, tote US-Diplomaten, überfallene westliche Botschaften und Vetrauensverlust sowohl auf zwischenstaatlicher, als auch auf zwischenmenschlicher Ebene. Ein mies produzierter, den muslimischen Religionsstifter Mohammed beleidigender Film mit dem Titel Innocence of Muslims (‘Die Unschuld der Muslime’) hat anti-westliche Proteste in muslimisch dominierten Ländern ausgelöst. Amerikanische Botschaften (unter anderem in Libyen, Ägypten, Jemen) wurden attackiert, später weiteten sich die Angriffe auch auf die diplomatischen Vertretungen anderer westlicher Länder – so auch auf die deutsche Botschaft im Sudan – aus.

Verfolgen wir die Berichterstattung zu diesen Ereignissen, ist es wichtig zu differenzieren: Die Betonung muss auf dem Wort Auslösen liegen. Der Film ist nicht der Grund für die Proteste. Die Gründe liegen selbstverständlich tiefer und erklären sich aus komplexen politischen, historischen und ökonomischen Zusammenhängen. Trotzdem lässt die Vorstellung erschaudern, dass sich eine direkte Verbindung zwischen einem grottenschlechten Machwerk, fabriziert von einer untalentierten Einzelperson, und Protesten mit Todesopfern ziehen lässt. Deswegen versteht es sich von selbst, dass sich die mediale Aufmerksamkeit nicht nur den Unruhen, sondern auch dem Amateurfilmer und seinen Aufnahmen widmet.

Ein 14-minütiger Ausschnitt – ob wirklich ein vollständiger Film existiert, ist noch unklar – aus Innocence of Muslims wurde eigentlich schon vor zwei Monaten auf Youtube hochgeladen. Erst als ihn ein islamfeindlicher Blogger entdeckte und ihn mit arabischen Untertiteln versah, wurden arabische Medien auf ihn aufmerksam. Der Film, dessen Sperrung zur Zeit heiß diskutiert wird, ist in Deutschland nach wie vor auf Youtube zu finden. Ihn anzusehen ist allerdings reine Zeitverschwendung. Mohammed wird als perverser, betrügerischer Egomane dargestellt, die schauspielerischen Leistungen sind katastrophal und anstatt Kulissen befinden sich im Hintergrund meist einfache Standbilder, die an Windows-Desktop-Landschaften erinnern.

Bis hierhin ist der Film schlecht und beleidigend – mit der Synchronisation beginnt die kriminelle Qualität des Machwerks. Offensichtlich wurden große Teile des Films nachsynchronisiert, wovon weitgehend unabhängig laufende Stimmen und Lippenbewegungen künden. Kurz nach Beginn der Proteste meldeten sich erste Laienschauspieler aus Innocence of Muslims zu Wort. Sie waren über den wirklichen Inhalt getäuscht worden und hatten geglaubt, an einen im alten Ägypten angesiedelten Abenteuerfilm mitzuwirken. Seine islamfeindliche Aussage wurde dem Film erst per Nachsynchronisation hinzugefügt.

Bis zu Enttarnung des ‘Regisseurs’ von Innocence of Muslims vergingen seit Beginn der Unruhen nur einige Tage. Hochgeladen wurde der Clip unter dem Pseudonym Sam Bacile. Bald wurde klar, dass sich hinter dem Namen höchstwahrscheinlich Nakoula Basseley Nakoula, ein in Kalifornien lebender koptischer Christ, verbirgt. Er war der Polizei bereits als Kreditkartenbetrüger bekannt. Aus welcher politische Ecke er kommt, zeigt sich, als er erstmals – noch unter Pseudonym – Kontakt zur Presse aufnahm. Er gab sich einen jüdischen Hintergrund, behauptete den Film mit dem Geld – angeblich fünf Millionen Dollar – jüdischer Geschäftsleute produziert zu haben. Ein offensichtlicher Versuch, noch einmal Benzin ins Feuer der Prosteste zu gießen. Auch seine Kontakte zu dem radikalen Christen Terry Jones, der die arabische Welt mit einer öffentlichen Koranverbrennung provozierte, beweisen, welch Geistes Kind Nakoula Basseley Nakoula ist.

Betrachten wir diese Geschichte, die – hätte sie nicht solch einen verächtlichen ideologischen Hintergrund und solch tragische Folgen – beinahe als Schelmenstück durchgehen könnte, dann fällt auf: Hier hat ein Mensch bewusst mit dem Feuer gespielt. Er hat Geld und Zeit investiert, hat Mitmenschen getäuscht, um eine politische Botschaft der Intoleranz – in diesem Fall durch die Verunglimpfung des Islam – zu verbreiten. Die möglichen Konsequenzen seiner Handlungen konnte er dabei durchaus einschätzen. Die Unruhen nach der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung im Jahr 2005 sind dem ägyptischstämmigen Nakoula Basseley Nakoula sicher im Gedächtnis geblieben. Auch wenn das Ausmaß der Reaktion natürlich nicht genau vorhersehbar war, liegt auf der Hand, dass das Erzeugen öffentlicher Empörung eine Intention des Films war.

Was also lehrt uns diese Geschichte? Dass Filme ein Mittel zur politische Einflussnahme sein können, ist längst bekannt. Das wussten schon die Bolschewiki oder die Nationalsozialisten. Auch demokratische Staaten instrumentalisieren den Film zuweilen. Kampagnen (wie zur HIV-Aufklärung) können natürlich auch positive Ziele verfolgen. Al Gore trug mit seinem Film Eine unbequeme Wahrheit maßgeblich zu einer stärkeren öffentlichen Wahrnehmung des Klimawandels bei.

Die Lehre, die wir aus dem Ereignissen rund um Innocence of Muslims ziehen können, ist leider viel banaler: Ein einzelner Mensch (vielleicht unterstützt von einer kleinen Gruppe) hat mit einem unglaublich schlechten und billigen Machwerk Einfluss auf die Weltpolitik genommen. Mit Hilfe des Mediums Film stieg ein untalentierter und ignoranter Mensch zum internationalen Brandstifter auf. Im Internetzeitalter ist so etwas möglich. Und uns bleibt nur zu tun, was wir immer tun, wenn die Kunst missbraucht wurde: Darauf hinzuweisen, dass die Meinungsfreiheit Verwantwortungsbewusstsein erfordert. Eine Lehre, die auch für ‘Filmemacher’ gilt.

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